"Kollaboriere oder scheitere"
Ein sehr charmanter Belgier hat sich der Presse gestellt: Chris Dercon, Intendant der Berliner Volksbühne ab 2017. Er nannte fünf "Satelliten"-Künstler, zitierte für sein Motto Ulrich Beck und gab auch Heiner Müller die Ehre.
Heute gab es in Berlin einen Riesen-Presseauflauf, als der Belgier Chris Dercon als Intendant für die Volksbühne ab 2017 präsentiert wurde. Unsere Theaterredakteurin Susanne Burkhardt war dabei und berichtet:
"Neu war, dass er jetzt ganz klar gesagt hat, (...) das wird kein Festival geben, er wird 365 Tage im Jahr Spielbetrieb haben, es soll auch Repertoire geben. Er will keine Gesamtkunstbühne, hat er ganz deutlich gesagt und zitierte dann den Soziologen Ulrich Beck, der ja kürzlich verstorben ist, und sagte: Kollaboriere oder scheitere! Das heißt, er will im Kollektiv arbeiten, er will jetzt erst mal mit den Mitarbeitern sprechen an der Volksbühne."
Alle Spielstätten der Volksbühne, also auch die Salons und der Prater, sollen weiter bespielt werden. Auch in einem Hangar des stillgelegten Flughafens Tempelhof soll Kunst stattfinden.
Fünfköpfiges Künstlerteam
Als seine "Satelliten" stellte Dercon fünf Künstler vor: Er startet seine Intendanz an der Berliner Volksbühne mit einem fünfköpfigen Künstlerteam. Dazu gehören der französische Tänzer und Choreograf Boris Charmatz, der Filmregisseur Romuald Karmakar ("Der Totmacher"), der Filmemacher und Medienwissenschaftler Alexander Kluge. Ebenfalls dabei: Die deutsche Theaterregisseurin Susanne Kennedy und die dänische Choreografin Mette Ingvartsen.
Susanne Burkhardt: "Dann tauchten lauter Namen auf, Pollesch, Herbert Fritsch, die man schon von der Volksbühne kennt. Mit denen würde er auch gerne zusammen arbeiten – und mit Castorf eigentlich auch."
Sympathisch aufgetreten
Dercon sei sehr sympathisch aufgetreten, sagte Burkhardt: "Er redet auch wahnsinnig charmant und nett." Er habe von einem "Theaterdonner" um seine Berufung gesprochen; die Diskussion um Ensemble und Event habe es bereits 2004 gegeben. Chris Dercon zeigte sich gelassen gegenüber den Reaktionen auf seine Verpflichtung nach Berlin, verlangte aber indirekt eine Zäsur an der Volksbühne:
"Etwas kann nur kommen, wenn etwas geht. Das sagt Heiner Müller schon. Irgendwo muss man einen Punkt setzen. In Rotterdam habe ich das gemacht, in München auch. Das gehört zu unserem Auftrag, einen Punkt setzen. Und man kann nicht ewig irgendwo bleiben. Man muss wirklich nachdenken: Warum ist der Punkt jetzt wichtig? Und ich bin mir sicher, dass Herr Castorf seine Arbeit wird weiter setzen können, vielleicht, hoffentlich auch in der Volksbühne. Ich bin sehr gespannt."
Das Gerücht, dass die Volksbühne künftig fünf Millionen Euro mehr erhalten solle, dementierte der Regierende Bürgermeister Michael Müller gegenüber Deutschlandradio Kultur. Das sei von der Presse erfunden worden. Er habe "nur nebulös über eine Anschubfinanzierung für ein neues Projekt gesprochen", sagte Susanne Burkhardt.
Programmtipp: Chris Dercon spricht am Samstag 25. April, 14.05 Uhr in der Sendung "Rang 1" ausführlich über die Volksbühne und seine Pläne. Susanne Burkhardt fragte ihn auch, ob er sich nach all den Debatten vorab noch willkommen fühlt.