Kommentar zum Spielplan des Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon:
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Ein "perfekter Humusboden" zum Experimentieren
Die Volksbühne bleibt Berlin, versichert ihr neuer Intendant Chris Dercon, der nun seinen ersten Spielplan vorgelegt hat: "Aber sie wird international, weil Berlin international ist." Er wünsche sich vor allem, dass unterschiedliche Sparten aufeinander reagieren.
Schon vor dem ersten Vorhang schlug dem neuen Intendanten der Berliner Volksbühne, Chris Dercon, viel Ablehnung entgegen. Nun hat er den Spielplan für die erste Hälfte der Spielzeit 2017/18 vorgestellt – und scheint damit den ungünstigen Start in Berlin hinter sich lassen zu wollen.
"Es war nicht optimal, es war nicht ideal"
"Es war nicht optimal, es war nicht ideal, wir haben unglaublich viel Zeit verloren", sagt Dercon im Interview mit Deutschlandfunk Kultur: "Aber ich merke, dass die Künstler, die Schauspieler neugierig sind." Diese Neugier habe ihm allerdings bei Politikern in Berlin gefehlt. Er sei überrascht gewesen, dass seine Berufung so lange politisch auf dem Prüfstand gestanden habe.
Das habe es ihm schwer gemacht, "Kandidaten" für die Volksbühne zu finden: "Ich finde das wahnsinnig, dass die den Mut gehabt haben zu sagen, wir machen mit, trotz aller Anfeindungen", lobt er die neuen Mitstreiter. Mit dabei sind unter anderen die deutsche Künstlerin Susanne Kennedy, die Dänin Mette Ingvartsen und die syrischen Künstler Mohammad Al Attar und Omar Abusaada. Alexander Kluge bekomme einen Sendeplatz auf der "Digitalen Volksbühne", auf der online Premieren stattfinden.
Die "Spannungen" in Berlin unterschätzt
Dercon, der zuvor Direktor der Tate Modern in London war, räumt ein, zu Beginn in Berlin Fehler gemacht zu haben. So sei er "ganz früh an die Programmplanung rangegangen" und habe die "Spannungen", die in Berlin herrschen würden, unterschätzt.
Selbstzweifel bezüglich seiner Entscheidung, die Intendanz der Volksbühne zu übernehmen, habe Decon nicht gehabt. Die Volksbühne sei international "omnipräsent" und stehe für die "Spannungen und Widersprüchlichkeiten", die typisch seien für Berlin. Gleichzeitig sei das Theater bekannt für "eine gewisse Freiheit" und "Experimentierfreudigkeit", sagt Dercon – und verweist auf Inszenierungen der Regisseure Frank Castorf und Christoph Schlingensief. Die internationale Ausstrahlung der Volksbühne sei immer immens gewesen.
Nachdenken über "neue Darstellungsformen"
Zudem sei die Volksbühne ein Theater, "wo man über neue Darstellungsformen" nachdenken könne. Er wünsche sich, dass unterschiedliche Sparten "aufeinander reagieren, etwas miteinander tun" – und darüber nachdenken würden: "Wo geht die darstellende Kunst hin." Diesbezüglich sei die Volksbühne ein "perfekter Humusboden". Schließlich habe die Volksbühne immer neue Regieformen ausprobiert. "Und wir wollen das weiterentwickeln."
Auf die Frage, ob die Volksbühne vor allem Berlin als Standort verpflichtet bleibe oder sich international aufstellen wolle, meint Dercon: "Die Volksbühne bleibt Berlin. Aber sie wird international, weil Berlin international ist." (lk)