"Eine Geste der Offenheit"
Mit einem zehnstündigen Tanzmarathon auf dem Tempelhofer Feld hat die umstrittene neue Volksbühnenintendanz unter Chris Dercon ihre erste Spielzeit eröffnet. Eine allumarmende Geste - gehört der Tanz doch allen.
Zuerst einmal: nicht alles, aber vieles an diesem gelungenen Tag war dem Wetter zu verdanken. Die Sonne knallte auf das Tempelhofer Feld. Der Himmel war so weit und die Berliner Luft so klar wie schon lange nicht mehr.
Unter dem Titel "Fous de Danse – Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof" lud der französische Choreograf Boris Charmatz bei freiem Eintritt zu einem zehnstündigen Tanzmarathon. Dass die Berliner strömten, war vielleicht auch dem Tag des Offenen Denkmals geschuldet. Dass sie aber wie wild tanzten und – trotz Volksfestatmosphäre wie es sich für eine sonnige Open-Air-Veranstaltung gehört – höchst aufmerksam den nahtlos aneinandergefügten Programmpunkten dieses zehnstündigen Marathons folgten, war vor allem Boris Charmatz' strenger, aber geschmeidiger Dramaturgie zu verdanken.
Gelegenheit zum Mittanzen bei Sonnenschein
Einem öffentlichen Warm-up folgten im schnellen Wechsel unter anderem verschiedene Tänzer und Tänzerinnen der freien Szene, das Dance On Ensemble, die Staatliche Ballettschule, das BEM Volkstanzensemble mitsamt dem Konservatorium für türkische Musik Berlin und die Hip-Hop-Kids der Flying Steps Academy.
Vor und nach den beeindruckenden Auftritten der belgischen Choreografin und Tänzerin Anne Teresa de Keersmaeker und des syrischen Tänzers Mithkal Alzghair gab es eine Menge Gelegenheit zum Mittanzen: Dance Circles, eine Giant Sould Train oder die 45-minütige Einladung zum Tanz Levée, bei der man sich von Boris Charmatz 25 Bewegungen beibringen lassen konnte.
Der Tanz gehört allen und jeder Tanz hat seine großen Momente – in diesem Sinne strahlte dieser lange Tag, dessen leichtfüßige, allumarmende Geste der Einladung nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Volksbühne unter Chris Dercon in ihrer ersten Spielzeit in der Krise steckt, nur einen dramatisch ausgedünnten Spielplan vorweisen kann, sich zahlreiche Künstler mit anderen Theatern der Stadt teilt – und wir immer noch auf die ganz spezifische Handschrift der neuen Volksbühne warten.