Ursula Ott ist Chefredakteurin von chrismon, dem monatlichen Magazin der evangelischen Kirche, und Chefredakteurin von evangelisch.de. Sie studierte Diplom-Journalistik in München und Paris und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Sie arbeitete im Print-Bereich als Gerichtsreporterin bei der "Frankfurter Rundschau", als Redakteurin bei "Emma", als Autorin und Kolumnistin bei der "Woche", bei der "Brigitte" und bei "Sonntag aktuell". 2019 wurde ihr Buch über das Abschiednehmen ein Bestseller. Zudem war sie als freie Autorin für Radio und Fernsehen tätig.
Pandemie kann auch "Kollateral-Nutzen" bringen
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Wenn uns die Krise lehrt, "dass wir alle miteinander verbunden sind", könnte sich daraus auch Positives entwickeln, glaubt die Journalistin Ursula Ott. Themen wie Rechtsextremismus, Hunger und Flüchtlinge dürfe die Pandemie aber nicht verdrängen.
"Corona hat uns die Augen geöffnet, über Missstände, die schon immer schlimm waren", meint die Chefredakteurin des evangelischen Monatshefts "chrismon", Ursula Ott. Jetzt gelte es, "Scheinwerfer auf Ecken der Gesellschaft zur richten", um Fehlentwicklungen auszuleuchten. Die Gefahren durch den Rechtsextremismus gehöre genauso dazu wie die Situation von Prostituierten oder von Flüchtlingen. Auch die drohende "Hunger-Pandemie" und die bestehende Ausbeutung von Menschen in weiten Teilen der Welt müsse man im Blick behalten. Vor allem dürfe der Klimaschutz nicht über das Virus in den Hintergrund gedrängt werden.
Verzicht auf Inlandsflüge wünschenswert
Sie hoffe darauf, so Ott im Interview bei Deutschlandfunk Kultur, dass die in der Krise gemachten Erfahrungen, vielleicht auch "Kollateral-Nutzen" für die Klimapolitik haben könnten. "Ich würde mir wünschen, dass Lufthansa keine Inlandsflüge mehr macht." Sie fände es wünschenswert, staatliche Wirtschaftsförderung wegen der Krise unter dem Gesichtspunkt der Klimaverträglichkeit zu vergeben, aber auch, dass mehr Menschen künftig auf "absurde Wochenendtrips" verzichteten. Es ginge jedoch nicht darum, einer "Ökodiktatur" das Zeug zu reden, sondern einer "besseren Welt" für alle.
Reizthema Rechtsextremismus
Es sei richtig, "Menschen ernst zu nehmen", die ernsthaft über die Verhältnismäßigkeit bestimmter Einschränkungen von Freiheiten diskutieren wollten, die im Zug des Kampfes gegen die Pandemie verhängt worden sind. Genauso sehr gelte es aber, sich von Rechtsextremisten zu distanzieren, die diese berechtigten Sorgen von Bürgern für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen. Für "chrismon" und auch für die evangelische Kirchenführung sei der Umgang mit rechten Extremisten teilweise eine "komplizierte Gemengelage". Einerseits beschäftige man sich mit gesellschaftlichen Themen, "die denen nicht passen", und habe dementsprechend mit Anfeindungen zu tun, auch durch AfD-Anhänger. Andererseits gäbe es eine "klerikale Rechte", die durchaus "Schnittmengen" mit der AfD habe.
Hunger tödlicher als das Virus
"Wir sterben hier erst an Hunger und dann an dem Virus." Das habe sie von einer Frau in Indien gehört. Dort sei das Virus momentan für weniger Menschen bedrohlich als der Ausfall von Verdientsmöglichkeiten. Ursula Ott ist davon überzeugt, dass es schon deshalb die Entwicklungszusammenarbeit keinesfalls vernachlässigt werden dürfe. Ganz im Gegenteil gelte es, sie weiter auszubauen. Das sei letztlich auch wohlverstandenes Eigeninteresse, denn sonst könnte die Flüchtlingsbewegung gen Europa wieder erheblich zunehmen. In diesem Zusammenhang hoffe sie auch, dass die Spendenbereitsschaft der Bevölkerung nicht nachlasse.
"Pflege muss teurer werden"
Eine weitere Lehre aus der Pandemie sei, dass Pflegeleistungen besser bezahlt werden müssten. Das gelte gerade auch für jene Frauen, die aus Osteuropa nach Deutschland kämen und hier in einer "Grauzone" pflegebedürftige Angehörige versorgten. "Pflege muss teurer werden", wenn die Pflegekräfte angemessen bezahlt, ausgebildet und kontrolliert werden sollen - egal ob sie aus Deutschland oder von anderswo kämen. Notfalls müsse der Staat da unterstützend eingreifen, wo Familien dann Pflege im Bedarfsfall nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren könnten. Schließlich sei menschwürdige Pflege zu garantieren Teil der Daseinsvorge des Staates.
Frauen müssen ihr "Revier verteidigen"
Es wäre "schrecklich, wenn uns Corona bei der Gleichstellung um 30 Jahre zurückgeworfen hätte". Sie, Ursula Ott, teile aber diese Befürchtung einiger Wissenschaftlerinnen nicht. Es sei zwar an den Frauen, bei Betreuung und Erziehung Terrain zu verteidigen und auf Aufgabenteilung zu pochen. Es könne aber auch eine "Chance für mehr Egalität" entstehen, wenn etwa Väter positive Erfahrungen mitnähmen aus der zusätzlichen Zeit, die sie mit ihren Kindern verbracht haben.