Das vollständige Gespräch mit Christian Demand hören Sie hier:
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"Bücher für die Tonne"
11:07 Minuten
Beim Aufräumen geht es nicht nur um Dinge, sondern auch um Selbstdefinition: Dessen wurde sich Kulturwissenschaftler Christian Demand bewusst, als er Marie Kondos Netflix-Serie anschaute. Seine Bibliothek hat er nun "richtig ausgemistet".
"Aufräumen mit Marie Kondo": Die Sendung sei natürlich erstmal "langweilig", "doof" und "ganz schön belämmert", findet Christian Demand, Herausgeber der Zeitschrift Merkur. Und doch konnte er dem Format nach einer Weile etwas abgewinnen, wie er im Deutschlandfunk Kultur bekennt: "Mir kam immer mehr zu Bewusstsein - und es zeigt sich in dieser Serie - dass es beim Aufräumen um das Verhältnis zu Dingen geht und gleichzeitig um das Verhältnis zu Beziehungen." Die Menschen würden Beziehungsprobleme lösen, sich nach Selbstbild, Zukunftsvorstellungen, Lebensführung fragen.
Was entfacht Freude? Kondos Leitmotiv findet Demand für eine Bibliothek freilich nicht hilfreich. Da komme er letztlich nur auf fünf Bücher. Aber: "Ich habe richtig ausgemistet." Erst am Morgen habe er noch einmal 20 Bücher "in die Tonne gesteckt". Denn: "Auch Bücher sind nicht nur einfache Gegenstände, die da als Last stehen, sondern sie sind ein Selbstentwurf." Wenn man mehr als ein Jahr nicht in Bücher hineinschaue, sei das "ein harter Verdacht", dass sie überflüssig seien:
"Ich halte es nicht für falsch, einen Selbstentwurf gemacht zu haben, Bücher gehabt zu haben, von denen ich damals dachte: Die werde ich mal ganz dringend brauchen. Ich brauche sie jetzt nicht mehr. Es hat sich so viel Anderes ergeben. Wahrscheinlich werde ich mir demnächst wieder Bücher dazukaufen, die einen neuen Selbstentwurf machen."
Es gehe bei einer Bibliothek darum, "selbst daran vorbeizugehen, ab und zu mal dranzuklopfen und hinzuschauen und sich zu erinnern: Was hat mir das eigentlich mal bedeutet? Und so eine Art äußere Daten zu haben für eine Topologie dessen, was ich bin."
(bth)