Christian Felber: "This is not Economy. Aufruf zur Revolution der Wirtschaftswissenschaft"
Deuticke, Wien 2019
304 Seiten, 22 Euro
Der beleidigte Wirtschaftsrevolutionär
06:22 Minuten
Nicht weniger als eine Revolution der Wirtschaftswissenschaft will Christian Felber anzetteln. Und entwickelt kluge Gedanken zu einem einseitigen Studium. Leider gehen diese im dünnhäutigen Tonfall des Buches unter, kritisiert Ursula Weidenfeld.
Christian Felber ist ein österreichischer Tänzer, er ist Hochschullehrer, Wissenschaftsjournalist und er ist Aktivist in der Antiglobalisierungsbewegung Attac. Außerdem denkt er gern und erfolgreich über Wirtschaft nach. Diese Melange macht ihn hochverdächtig. "Der hat doch keine Ahnung", ist der allgemein zitierte Standardsatz, wenn man Ökonomen nach der Relevanz der Felberschen Thesen zum Gemeinwohl fragt.
Insofern ist Felbers Ankündigung, die Volkswirte mit seinem neuen Buch "This is not economy" in eine Sinnkrise zu stürzen, ziemlich großmäulig. Die Nationalökonomie hat sich bisher nicht erschüttern lassen – obwohl Felbers Buch "This is not Economy" schon seit ein paar Monaten auf dem Markt ist.
Sollten Ökonomen auch Ethik und Philosophie studieren?
Dabei einwickelt Felber in seinem neuen Werk kluge Gedanken. Zum Beispiel, dass es Studierenden der Wirtschaftswissenschaften gut täte, wenn sie Ahnung von Wirtschaftsgeschichte hätten. Oder von Philosophie. Oder von Ethik. Oder von Wirtschaftssystemen, die nicht marktwirtschaftlich organisiert sind.
In diesen Kapiteln kann man Felber vorbehaltlos zustimmen – auch wenn man sich manchmal fragt, wie viele staats- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten Felber tatsächlich von innen gesehen hat. Es ist ja nicht so, als gäbe es solche Angebote nicht. Sie gehen oft nur in dem Wust der Studienverpflichtungen unter, die Felber als "neoklassischen Mainstream" geißelt.
Dennoch hat Felber Recht, wo er beklagt, dass in der Ausbildung von Ökonomen die Mathematik alles beherrscht. Und er hat auch Recht, wenn er feststellt, dass ein guter Mathematiker nicht zwangsläufig auch ein guter Ökonom ist. Doch an diesem Punkt beginnt auch das Unbehagen mit Felbers neuem Werk: Ein schlechter Mathematiker wird nämlich auch kein guter Ökonom.
Es fängt damit an, dass Felber selbst es mit den Zahlen nicht so genau nimmt. So behauptet er an einer Stelle seines Buchs, die gut 535.000 Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtungen in Deutschland machten rund 6,5 Prozent (mit Ausrufezeichen) der Bevölkerung aus. Wahnsinn, diese Menge an fehlgeleiteten Jung-Ökonomen! Wenn man nachrechnet, verkleinert sich das Problem zwar um den Faktor zehn, aber was soll's? Felber wirbt schließlich dafür, es nicht so genau zu nehmen.
Kluge Gedanken verlieren sich in Gekränktheit
Auf der anderen Seite aber rechnet der Mann zunehmend schlecht gelaunt mit der Ökonomen-Szene ab, die ihn nicht ernst nehme, oder sogar ganz ignoriere. Hier wird "This is not Economy" zu einer endlosen und ziemlich ermüdenden Selbstrezension des Vorgängerbuchs "Die Gemeinwohlökonomie, das Wirtschaftsmodell der Zukunft", das im Jahr 2010 erschien. In diesem Werk hatte Felber für eine wertebasierte Wirtschaftsordnung geworben. Die Resonanz in der alternativen, linken, umwelt- und klimaorientierten Szene war gut, Ökonomen dagegen reagierten entweder gar nicht oder kühl. Das hat Felber offenbar sehr gekränkt.
Dünnhäutig belehrt er seine Leser über die aristotelischen Ursprünge des Wortes Ökonomie, das die heutigen Wirtschaftswissenschaften nicht verdienten. Er schlägt vor, dem Wirtschafts-Nobelpreis seinen Namen abzuerkennen, weil er gar nicht von Alfred Nobel persönlich gestiftet worden sei – sondern den Namen kapere, um die Wirtschaftswissenschaft in den Kreis der großen Wissenschaften hinauf zu adeln.
Er verlangt, die unentgeltliche Hausarbeit, die meist von Frauen geleistet wird, in der Berechnung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Gemeinwesens zu berücksichtigen. Er regt an, den Studierenden der Wirtschaftswissenschaften einen Ethik-Eid abzuverlangen.
So wird es nichts mit der Revolution
Viele dieser Überlegungen sind in den vergangenen Jahren bereits entwickelt worden. So hat Michael J. Sandel in seinem Bestseller "Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes" schon 2012 eine brillante Analyse vorgelegt, in der energisch dafür plädiert wurde, die Welt der handelbaren Güter zu begrenzen. Der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller argumentierte im selben Jahr in seinem Buch "Märkte für Menschen" dagegen und verteidigte den Markt als effizientes Organisationsmodell auch für das Gemeinwohl.
Felber nimmt diesen Faden auf – doch fällt er hinter die frühere, aufrichtige und stilprägende Kontroverse im Nachgang der Finanzkrise meilenweit zurück. Er macht aus dem lesens- und bedenkenswerten Ansatz, das Studium der Ökonomie für die Philosophie, die Wirtschaftsgeschichte, und die Ethik zu öffnen, eine Streitschrift zur Verteidigung des eigenen Modells und der eigenen Person. Dem Ansinnen, eine "Revolution der Wirtschaftswissenschaft" herbeizuführen, wird das leider nicht gerecht.