Christian Welzbacher: "Monumente der Macht"

So politisch kann Architektur sein

Das Bundesfinanzministerium in Berlin
Das Bundesfinanzministerium in Berlin: Der Bau wurde 1935 als monumentales Bürogebäude für das Reichsluftfahrtministerium errichtet. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Von Dorothée Brill |
Nicht nur im "Dritten Reichen" stand die Architektur in Deutschland im Dienste der Machthaber. Auch nach dem Krieg dienten Bauwerke der Politik zur Repräsentation. Christian Welzbacher zeichnet die Geschichte eines ungleichen Verhältnisses nach.
Mit seinen 280 Seiten starken "Monumenten der Macht", die nun mit üppiger Verspätung im Parthas-Verlag erscheinen, liefert der Publizist Christian Welzbacher, was er im Untertitel verspricht: eine politische Architekturgeschichte Deutschlands von 1920 bis 1960. Es ist das Haus- und Hofthema des Kunsthistorikers, der über die Staatsarchitektur der Weimarer Republik im Zeichen der Repräsentation promovierte. Die Politisierung von Kunst und Kultur, so lautet Welzbachers kaum überraschende Feststellung, begann lange vor 1933. Überraschender ist der eindeutige Start, den er für diese Politisierung setzt: die Gründung des Deutschen Werkbunds im Jahr 1907 und das von diesem initiierte Amt des Reichkunstwarts im Jahr 1920. "Seither war in Deutschland Repräsentation durch Kunst und Architektur eine auf höchster Reichsebene angesiedelte Aufgabe." Der politisch verfassten Gesellschaft, so die argumentative Basis des Buchs, dient Kultur als Medium der Repräsentation. Dadurch ist sie mehr als ein Spiegel der Gesellschaft. Sie ist Teil ihrer aktiven, politisch gelenkten Gestaltung.

"Künstlerische Formgebung des Reiches"

Mit der Architekturanalyse als politischer Ikonografie verfolgt der Autor also auch ein edukatives Ziel. Er will "beispielhaft zu einem sensibleren, differenzierteren Umgang mit staatlicher Architektur und Kulturpolitik anregen." Beide werden als Bestandteil von etwas deutlich, das Mal als Propaganda, mal als symbolische Politik erscheint. Edwin Redslob, der erste und einzige Reichskunstwart, sprach von der "künstlerischen Formgebung des Reiches". Doch trotz regierungsabhängiger Schwankungen zeigt sich in Welzbachers detaillierter Parallellektüre von Architektur und Politik mehr Kontinuität als Wandel. So reichte etwa das stadtplanerische Konzept einer großen Achse durch Berlin vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis hinein in den Nationalsozialismus und wuchs dabei zu megalomanen Ausmaßen heran. Ähnlich konstant sind viele der Protagonisten. So hatte Egon Eiermann, wichtiger Architekt im Nachkriegsdeutschland, in der Weimarer Republik den Grundstein seiner funktional-modernistischen Formensprache gelegt. 1937 zeichnete er für Hitlers Propagandaausstellung "Gebt mir vier Jahre Zeit" am Berliner Funkturm als Ausstellungsarchitekt verantwortlich.

Die Stunde Null hat es auch in der Architektur nie gegeben

Daher gehört Eiermann zu den Gewährsmännern eines der Ergebnisse Welzbachers: Die Stunde Null hat es auch in der Architektur nie gegeben. Das gilt nicht nur, weil der Systemwechsel mit keinem Generationswechsel Hand in Hand ging. Es gilt auch, weil die Ästhetik der Moderne, die zum Signet des neuerbauten Nachkriegsdeutschlands avancierte, weder neu noch ideologiefrei war: In seinen Jugendjahren in der bewegten Weimarer Republik versprach das "Neue Bauen" Klarheit und Sachlichkeit, im NS-Regime wurde es unter dem Label von Fortschritt und Technikfreude inkorporiert. Nun, nach dem "Nullpunkt", gab es ausgerechnet einer Gesellschaft ihre architektonische Gestalt, die sich von der Vergangenheit lossagte. Weder der Bonner noch der Berliner Republik, so Welzbachers Resümee, sei es gelungen, der Demokratie eine überzeugende gebaute Form zu geben. Unauffälligkeit und Disparität dominieren. Der Sachverhalt ist nachvollziehbar, ihn als Scheitern zu bewerten streitbar.

Christian Welzbacher: Monumente der Macht. Eine politische Architekturgeschichte Deutschlands 1920-1960
Parthas Verlag, Berlin 2016
280 Seiten, 29,90 Euro

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