Die Jahrhundert-Auktion
Wertvolle Gemälde von Picasso, Matisse, Manet und Monet kommen in dieser Woche im Auktionshaus Christie's in New York unter den Hammer. Sie stammen aus dem Nachlass des Ölmagnaten David Rockefeller. Manche sprechen von der "Auktion des Jahrhunderts".
Der Raum: groß. Fast 900 Interessenten sind gekommen und nehmen auf rostbraun gepolsterten Stühlen Platz. Manche müssen stehen. Die Stimmung: festlich. Zumindest ist Abendgarderobe angesagt. Das erkennt man natürlich nur an den Damen. Die Herren tragen wie immer Krawatte und Sakko. Ein paar Jüngere mischen sich dazwischen: ohne Krawatte, dafür mit Sneakern. Man fragt sich, wie viele Milliarden Dollar Vermögen wohl hier im Raum sitzen. Oder Billionen? Wahrscheinlich eher Billionen.
Obwohl, als vor der Auktion bekannt gegeben wird, dass einige der Werke, ziemlich viele sogar, mit einer Extra-Gebühr belegt sind, da geht ein Raunen durch den Raum. Protest? Nein, aber unkommentiert wollte man diese Überraschungsgebühr wohl nicht lassen. Vielleicht sitzt das Geld doch nicht so locker? Auktionator ist einer von Christie's Bossen: Jussi Pylkkänen. Es geht direkt los mit einem Picasso. Allerdings einem kleinen, postkartengroß. Ohne die Projektion an der Wand könnte ich von meinem Platz ganz hinten im Raum nichts erkennen.
Der Chor der Telefonisten
Der Auktionator steht an einem Rednerpult. Nein, es ist eher wie eine Kanzel. Er lehnt sich nach vorne, rechts und links über den Rand, immer in die Richtung aus der ein Gebot kommt. Oder von wo eines zu erwarten ist. Die Hände scheinen die Bieter zu dirigieren. Er ermutigt sie oder blockt ab, wenn er den Telefonisten mehr Zeit geben will. Telefonisten. Ein Dutzend von ihnen steht links von ihm auf der Bühne, hinter einer Holzverkleidung. Wie in einem Chorgestühl, ein weiterer Telefonistenchor rechts. Und entlang der rechten Seitenwand noch mal mehrere Dutzend Telefonisten. Jeder von ihnen in Kontakt mit einem oder mehreren Bietern, die lieber anonym bleiben wollen.
Erlös dient einem guten Zweck
Der Auktionator behält den Überblick. Manchmal, wenn er minutenlang um ein neues Gebot bittet und sich ein Bieter durchringt, muss er den Bieter erinnern: Nein, Sie müssen nicht erhöhen, Sie haben schon das Höchstgebot! Die Anspannung ist anscheinend groß. Dann warnt er wie eine Mutter, die versucht streng zu sein: Wenn du jetzt nicht sofort bietest, dann... Ich verkaufe jetzt! I'm selling! Er schwingt das Handgelenk mit dem Hammer. Es ist eigentlich eher ein metallener Stempel. Als wenn er jeden Moment den Zuschlag geben würde.
Dann fällt der Hammer schließlich. Umgerechnet 2,8 Millionen Euro für den kleinen Picasso. Es folgen Matisse, Manet, Monet. Jede Auktion scheint ihre eigene Dynamik zu haben und der Auktionator muss ein Gespür dafür haben. Manchmal wollen Bieter nur um 50.000 oder 100.000 erhöhen. Dann guckt er etwas gequält. Erinnert daran, dass es doch um einen guten Zweck geht. An zwölf gemeinnützige Organisationen geht der Erlös. Mehrfach weist der Auktionator darauf hin. Christie's sei stolz, etwas für den guten Zweck zu tun, heißt es am Rande. Die Provision kassiert man freilich trotzdem.
Bieten im Millionen-Takt
Bei den begehrtesten Werken geht es rapide in Millionenschritten aufwärts. Bei den "Nympheas en Fleur" von Monet zum Beispiel. Ziemlich spät in der Auktion schaltet sich ein fünfter Bieter ein. Den Auktionator freut's. Das aktuelle Gebot wird in acht Währungen angezeigt. Bitcoin ist nicht dabei. Vielleicht haben die vielen neuen Bitcoin-Millionäre den Kunstmarkt noch nicht für sich entdeckt. Oder die Philanthropie. Oder beides. Der Monet bringt 75 Millionen Dollar, mehr als 60 Millionen Euro. Kurz darauf das Hauptwerk des Abends, ein Picasso. 102 Millionen Dollar in nur vier Minuten.
Sieben Weltrekorde
Am Schluss gibt's Applaus und dann eine Pressekonferenz. Es gibt Weißwein. Rotwein hat ein zu hohes Fleckenpotenzial, denn an den Wänden hängen die Meisterwerke, die die höchsten Preise erzielt haben. Sieben Weltrekorde habe es gegeben. Höchstpreise für Monet, Matisse und den Picasso aus der Rosa Periode. Wer die erfolgreichen Bieter sind, wird nicht verraten. Es seien auch Museen dabei. Insgesamt mehr als 540 Millionen Euro. Allein am ersten Tag. Man sei zufrieden. Sprechen die Gesichter eine andere Sprache? Hatte man mehr erwartet? Schwer zu sagen. Aber egal, ist ja für den guten Zweck.
Werke von großer Schönheit
Es seien Kunstwerke von ausgesprochener Schönheit, erklärt Florian Illies, Buchautor, Kunsthistoriker und Leiter des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach, im Gespräch mit Gesa Ufer das Ungewöhnliche dieser Auktion:
"Das ist das Auffälligste, wenn man sich diesen Katalog anguckt und die ausgewählten Werke, die Peggy und David Rockefeller gesammelt haben. Man ist von jedem Bild einfach hellauf begeistert, weil sie – natürlich mit sehr viel Geld, aber auch mit sehr viel Geschmack gekauft haben. Dieser Picasso, der gestern Abend verkauft worden ist, oder vor allem auch 'Die liegende Frau' von Matisse, das gehört zweifellos zu den schönsten Werken, die diese beiden Jahrhundertkünstler überhaupt gemalt haben."
Millionen mit einer Bemerkung erzeugen
Jussi Pylkkänen, der diese Auktion bei Christie's geleitet hat, nennt er einen "großen Genie dieses Genres". Das Versteigern und das Dirigieren der Emotionen sei eine eigene Kunstform, für die man bestimmte Qualitäten brauche:
"Man muss eine Seelenruhe haben und muss wissen, dass man mit einer Bemerkung Millionensummen erzeugen oder auch abwürgen kann. Man muss eine tiefe Kenntnis des Werkes und auch des Kunstmarktes haben. Das ist eine psychologische Meisterleistung jedes Mal aufs Neue."
Alles verkauft
Es sei sehr selten, dass wie am Dienstag wirklich alle Bilder verkauft werden:
"Das ist etwas, das es in der Auktionsgeschichte sehr, sehr selten gibt. Auf diesem Preisniveau hat es das vielleicht noch nie gegeben. Es ist wirklich mit Recht die jetzt teuerste Privatsammlung, die je versteigert wurde, weil die Qualität bei allen Künstlern, die dort gestern verkauft wurden, herausragend ist."
(cosa)