Christina Pareigis: "Susan Taubes. Eine intellektuelle Biographie"
Wallstein Verlag, Göttingen 2020
471 Seiten, 29 Euro
Ungewöhnliche Intellektuelle und eigenwillige Autorin
05:39 Minuten
Eine neue Biografie beleuchtet das Leben der jüdischen Schriftstellerin und Philosophin Susan Taubes. Ihr Leben war von vielen Brüchen geprägt und dem Versuch, damit kreativ umzugehen – das macht sie auch heute noch interessant.
Geschrieben hat Susan Taubes immer. In Budapest, als junges Mädchen, damals hieß sie noch Zsuzsanna Feldmann, auf Ungarisch. Nach der Auswanderung mit ihrem Vater in die USA 1939 in der neuen Sprache Englisch.
Mit kleineren Lyrik-und Prosastücken gewann sie Highschool- und College-Wettbewerbe. Auch während ihres Philosophiestudiums beschäftigte sich die junge Denkerin mit der poetischen Sprache.
Ihre Karriere als Schriftstellerin aber verlief mühsam. In Deutschland erschien ihr Roman "Scheiden tut weh" erst 1995 – 26 Jahre nach ihrem Tod.
Dass die außergewöhnliche Intellektuelle und eigenwillige Schriftstellerin hierzulande entdeckt werden kann, ist den Literatur-und Kulturwissenschaftlerinnen Sigrid Weigel und Christina Pareigis zu verdanken. Sie erforschten den Nachlass von Susan Taubes - die über Simone Weil promovierte und sich mit Albert Camus stritt – und geben ihre Schriften heraus. Nun hat Pareigis auch noch eine knapp 500-seitige Biografie vorgelegt.
Ein egozentrischer Religionsphilosoph als Ehemann
Erzählt wird ein Leben, das jenseits persönlicher Parameter vielleicht typisch ist für eine begabte, ehrgeizige Frau, die erst als Geisteswissenschaftlerin, dann als Autorin in ihrer Zeit reüssieren will. Wer Ruth Klügers Erinnerungen an das akademische Amerika der 1950er- und 1960er-Jahre gelesen hat, ist nicht überrascht, dass auch Susan Taubes mit Zurücksetzungen auf diesem Feld zu kämpfen hatte.
Zumal ihr Ehemann, der charismatische und egozentrische Religionsphilosoph Jacob Taubes, vor allem seine Karriere verfolgte. Das Paar, äußerlich eine Art Dreamteam des Wissenschaftsbetriebs, trug von Beginn der Ehe an bereits Konfliktstoff in sich. Jacob Taubes kam aus einer frommen Wiener Rabbinerfamilie und hatte während des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz auch selbst eine Rabbinerausbildung absolviert.
Susans Emigrationserfahrung war ungleich härter, ihr Leben von zahlreichen Brüchen geprägt. Die Eltern trennten sich, ihr Vater wandte sich von der Religion ab, wurde Psychoanalytiker. Beide mussten in den USA neu beginnen, eine neue Sprache erlernen, sich neu erfinden.
Jacob Taubes lebte in einer gewissen religiösen Kontinuität, auch wenn die Shoah die Frage nach dem Wirken Gottes massiv in Frage stellte. Für Susan bot das Jüdischsein keinen verlässlichen Halt, auch nicht seine Institutionen.
Jerusalem, Paris, Genf und New York
Um ein Haar wäre sie gar konvertiert. Ein gemeinsames Leben in Israel aufzubauen, was ihren Ehemann eine Zeit lang reizte, lehnte sie ab. So verbrachten die Taubes viel Zeit an unterschiedlichen Orten: Sie arbeiteten in Jerusalem, Paris, Genf, New York. Mal gemeinsam, mal getrennt.
Erst als sich das Paar endgültig trennte, war es Susan möglich, sich von der Philosophie abzuwenden und ihren schriftstellerischen Ambitionen nachzugehen. Im Alter von 41 Jahren nahm sie sich dann das Leben.
Christina Pareigis zeichnet die Lebensgeschichte von Susan Taubes in Engführung mit ihren Texten nach. Briefe, Tagebücher und Manuskripte dokumentieren Taubes Bewegungen zwischen geografischen Orten und philosophischen Fragestellungen als eine Suche nach Identität und als Ausdruck gravierender Fremdheitserfahrungen. Als Jüdin, als Frau, als Intellektuelle.
Taubes Leben war von Diskontinuität geprägt und dem Versuch, mit dieser Erfahrung kreativ umzugehen – das macht sie auch heute noch interessant.