Wecke den Champion in dir!
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Singen und Tanzen sind fester Bestandteil des Gottesdienstes in afrikanischen Kirchen. Auch sonst kommt christliche Musik gut an: Sänger wie Guy Christ Israël mit seiner Bekehrungslyrik werden in Westafrika bejubelt wie Rockstars.
Guy Christ Israël wird bejubelt wie ein Rockstar, als er sich auf der Bühne des Festivals "Femua" präsentiert. Das Festival in Abidjan in der Republik Elfenbeinküste wird auch im Fernsehen übertragen und zuhause von Millionen Zuschauern gesehen.
Das Publikum klatscht und singt mit dem Sänger Guy Christ Israel, der seit 13 Jahren mit seinen religiösen Chansons erfolgreich ist in seinem Heimatland und auch schon in Burkina Faso, Gabun, Benin, Kamerun, Togo, Belgien und Frankreich aufgetreten ist.
"Ich bin ein Kirchensänger, aber ich mag Reggae. Die Botschaft kommt mit Reggae leichter an. Die Jugend der Elfenbeinküste liebt Reggae, unser aller Großvater ist Alpha Blondy. Ich singe daher Reggae, aber auch christliche Anbetung und Sehnsucht und in afrikanischen Stilen. Hauptsache, die Botschaft berührt alle."
Christliche Musik auf weltlichen Festivals
Der 37-Jährige ist ein Beispiel des Phänomens, das in ganz Afrika um sich greift: Christliche Musik wird nicht mehr nur in Kirchen gespielt, sondern auch auf "normalen" Musikfestivals. Seine Musik werde auch von Muslimen, Protestanten und Evangelisten geschätzt, erklärt der Katholik Guy Christ Israël:
"Wenn ich singe: 'Wecke den Champion in dir', dann geht es darum, über sich selbst hinauszuwachsen. Das kommt wie verrückt an. Jesus fiel auf dem Kreuzweg dreimal und stand jedes Mal wieder auf. Meine Musik fordert die Jugendlichen dazu auf, aufzustehen, auch wenn sie mal gefallen sind. Egal, wie groß die Schwierigkeiten sind. Das ist ein Lobgesang, aber der kommt bei allen an. Denn jeder träumt von einer besseren Welt."
Guy Christ Israël arbeitet an seinem fünften Album, träumt von einem Anbetungskonzert im Stadion von Abidjan mit 45.000 Plätzen. Und davon, auf profanen Festivals in Europa das Publikum mit seiner Musik zu bekehren.
Stars begannen ihre Karriere in der Kirche
Christliche Musik wurde bereits mit den ersten Missionaren gesungen, Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es in Afrika die ersten Aufnahmen von katholischen Priestern. Viele Musiker, die heute berühmt sind, begannen in der Kirche, zum Beispiel der heute 85-jährige Manu Dibango in Kamerun.
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Christen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent deutlich gewachsen, und das macht sich auch in der Musik bemerkbar. Es gibt Fernsehsender und Festivals mit christlicher Musik, und afrikanische Gospel-Musik wird auch an "profanen" Orten gespielt.
Jean Ipané bringt die Gäste eines Restaurants im senegalesischen Badeort Saly mit Salsa zum Tanzen. Der 42-jährige Sänger singt mit den Evangelisten in der Kirche und auf Missionierungsveranstaltungen. Sein Leben verdient er aber in Restaurants, die von Einheimischen und Touristen besucht werden. Jean möchte auch diese bekehren:
"Ich habe einen Salsa-Rhythmus, weil ich auf die Alltagskultur der Leute Rücksicht nehme. Für Salsa-Fans nehme ich ihren Rhythmus, aber ich singe dazu Gospeltexte, das gefällt ihnen und bringt sie zum Tanzen. Meine Strategie ist es, die Leute zu berühren. Beim Evangelisieren tun wir Menschen, was wir können, und Gott macht den Rest."
Im mehrheitlich muslimischen Senegal füllen eher die religiösen Sänger der Bruderschaften die Stadien. Davon kann der Evangelist Jean Ipané nur träumen. Aber in seinem Heimstudio produziert er auch andere christliche Sänger, und bei öffentlichen Veranstaltungen arbeitet er mit charismatischen Katholiken zusammen.
"Eine neue Form der Kolonisierung"
Christliche Musik sei "ein afrikaweites Phänomen" mit Verbindungen zu Amerika und dem Westen, behaupten Sylvie und Nago Seck, Betreiber der ausführlichsten Internetplattform über afrikanische Musik namens afrisson.com.
Die Musikjournalistin Sylvie Seck weist auch auf einen politischen Hintergrund des Phänomens hin:
"Es bestehen politische Verbindungen zu den amerikanischen Pfingstkirchen, für mich ist das eine neue Form von Kolonisierung. Der Islam in Afrika hingegen wird von muslimischen Staaten finanziert. Die Religionen kämpfen um Einfluss, auf der einen Seite die Amerikaner, auf der anderen die Golfstaaten."
Religiöse Musik findet übrigens auch auf Handys einen reißenden Absatz, bei Christen wie Muslimen: Wer in Afrika anruft, hört oft Loblieder auf Gott oder auf Allah, bis der Empfänger abnimmt.