Radio für Gottes Wort
30:07 Minuten
Bei weißen Evangelikalen erfreut sich US-Präsident Donald Trump höchster Beliebtheit. Sie trommeln für ihn, etwa im Radionetzwerk der "American Family Association". Ihren Sitz hat die AFA in der Kleinstadt Tupelo – die von einem Demokraten regiert wird.
Jason Shelton ist der Bürgermeister von Tupelo. Für ihn ist die Kleinstadt das Zentrum der Welt.
"Tupelo liegt im Nordosten von Mississippi, hat ungefähr 40.000 Einwohner und ist weltbekannt als Geburtsort von Elvis Presley. Elvis ist ein wichtiger Teil von Tupelo. Wir sind eine moderne 'Southern City'. Die erste geteerte Straße in den Südstaaten war hier und Tupelo wurde als erste Stadt in das Förderprogramm TVA im Zuge des 'New Deal'-Programmes von Franklin D. Roosevelt aufgenommen. Es passiert hier viel, wir sind ein Global Player in der Möbelindustrie und wir haben das größte ländliche Hospital in den Vereinigten Staaten."
Jason Shelton ist ein Demokrat, seit vielen Jahren der erste Bürgermeister, der kein Republikaner ist. Er liebt seine Stadt, das wird im Gespräch schnell deutlich. Shelton spricht davon, dass Tupelo gleich mehrmals mit der Auszeichnung "All American City" geehrt wurde und alles andere als eine "Fly over"-Region sei, ein Gebiet, das eigentlich nur überflogen werden sollte. So bezeichnen viele an den Küsten die mittleren Staaten Amerikas, die als konservativ und religiös fundamentalistisch gelten. Religion spielt hier eine wichtige Rolle, das kann man auch daran erkennen, dass sogar der berühmte Sohn Elvis immer wieder auf seine Gospel Roots in der kleinen Kirche in Tupelo zurückkam.
"Mississippi ist ein konservativer Staat. Aber Tupelo hat den Ruf, eine progressive Stadt zu sein, das reicht von der Integration bis hin zur Bürgerbeteiligung. Tupelo hat aber auch an jeder Ecke eine Kirche, Religion spielt eine wichtige Rolle in dieser Community."
Radionetzwerk kämpft gegen Abtreibung
Am Rande von Tupelo findet man auch die Headquarters von "American Family Association" und ihr Radionetzwerk "American Family Radio". AFA ist eine der führenden und einflussreichsten Organisationen der Christlichen Rechten in den USA. Gegründet 1977 von Don Wildmon als Bollwerk gegen die Verlotterung der amerikanischen Gesellschaft und für den Kampf um traditionelle Familienwerte. Was das bedeutet, ist klar: AFA sieht sich selbst an der Spitze der Kämpfer gegen Abtreibung, Gay Rights und Pornografie.
Deutlich wird das schon in der Morgenandacht, die jeden Morgen gegen 8 Uhr für alle Mitarbeiter im Gemeinschaftsraum stattfindet. "Scriptures to combat Spiritual warfare", heißt die Überschrift über dem verteilten Blatt Papier mit Zitaten aus der Bibel. Eine Art Anleitung für den spirituellen Krieg, in dem sich AFA an vorderster Front sieht. Tim Wildmon, Präsident und Sohn des AFA-Gründers Don Wildmon, wurde im letzten Jahr zum "Faith Advisor", zum Berater in Glaubensfragen von Präsident Donald Trump ernannt. Die Position der Organisation ist klar, denn, wie Wildmon betont, ohne die Unterstützung der Evangelikalen im Land hätte Trump die Wahlen 2016 nicht gewinnen können.
Tim Wildmon erzählt, dass er im republikanischen Vorwahlkampf 2016 zuerst den texanischen Senator Ted Cruz unterstützt hatte, weil Donald Trump eigentlich nicht einer von ihnen war. Er sei mehrmals geschieden, kein richtiger Konservativer, erst recht kein aufrichtiger Christ. Lange habe er das Leben eines Playboys gelebt. Was ihn, Tim Wildmon, schließlich überzeugte, war, dass Trump das versprach, was die Evangelikalen im Land hören wollten:
"Gerade in Bezug auf Pro-Life-Richter, also Richter, die gegen Abtreibung sind. Kein anderer republikanischer Kandidat sprach das so offen aus. Trump erklärte auch, er werde dieses Land sicherer machen. Das sprach viele christliche Wähler an und er lud uns ein, Teil seiner Administration zu werden. Das sieht man auch daran, dass er Mike Pence zum Vizepräsidenten machte."
Mike Pence bezeichnet sich selbst als einen "born again Christian", einen wiedergeborenen Christen, der die fundamentalistischen Ideen und Forderungen der Evangelikalen weitgehend unterstützt. Seine Nominierung zum Vize-Präsidentschaftskandidaten von Donald Trump wurde denn auch im Wahlkampf 2016 lautstark begrüßt.
Für Trump in den Kulturkrieg gezogen
Die "American Family Association" positionierte sich und zog im Wahlkampf 2016 für Trump in den Kulturkrieg. Und daran hat sich bislang nichts geändert. Auch weil Trump lieferte, was er versprochen hatte. Und diese Unterstützung schlägt sich auch in den Sendungen des eigenen Radionetzwerkes "American Familiy Radio" nieder, das auf über 180 Stationen im ganzen Land ausgestrahlt wird.
"1991 hat der Gründer und damalige Präsident der 'American Family Association', Don Wildmon, mit dem 'American Family Radio' begonnen. Er wollte damit eine Alternative zu den immer liberaler werdenden Medien im Land bieten", sagt Ed Vitagliano, Vize-Präsident der "American Family Association". Der freundliche Mann mit Bart lächelt viel, ist redegewandt. Man sei nicht parteipolitisch ausgerichtet, verteidigt er das Programm von "American Family Radio", vielmehr berichte AFR viel über Themen der Pro-Life-Bewegung, die Rolle von Familie und Ehe in der Gesellschaft:
"Wenn wir über diese Themen reden und auf Gesetzesinitiativen im Kongress hinweisen oder auf Positionen von Kandidaten, dann mag das wie eine politische Bevorzugung aussehen, aber wir versuchen, über die Themen zu reden und darüber, wie sich Politiker dazu positionieren. Die Gesellschaft und die politischen Parteien sind gespalten. Es gibt diese tiefe Kluft zwischen diesen zwei Gruppen in unserem Land. Und das befeuert diesen Kulturkrieg. Es scheint nicht mehr möglich zu sein, über Inhalte zu sprechen, ohne dass es danach aussieht eine Partei zu bevorzugen."
Tim Wildmon stimmt dem zu. Offen für eine Partei oder einen Kandidaten trete man nicht ein.
"Wir versuchen nicht direkt einen Kandidaten oder eine Partei zu unterstützen, nur weil sie eine bestimmte Partei sind. Zuallererst schauen wir uns an, für was der Kandidat steht. So machen wir das auch mit Mister Trump und anderen. Ist das, für was sie eintreten, stimmig mit dem, was wir verfolgen, wie pro life, religiöse Freiheit, konservative Richter, die durchaus auch mal gegen die LGBT-Bewegung stimmen, wenn diese ihre 'Rechte' Christen aufzwingen wollen."
Redaktionskonferenz der täglichen Sendung "Today’s Issues" von "American Family Radio": Neben Tim Wildmon und seinem Sohn sitzen noch zwei weitere Redakteure an dem langen Tisch im kleinen Besprechungsraum. Per Videokonferenz ist ein Gastmoderator aus Kansas City zugeschaltet. An der Wand ein Regal mit Büchern von AFA-Gründer Don Wildmon, daneben ein paar Auszeichnungen und Belobigungen von christlichen Organisationen. Die Atmosphäre ist entspannt, Wildmon, der im Morgenprogramm Hauptmoderator ist, erklärt, man solle aufpassen, was man sagt, der deutsche Journalist würde alles aufnehmen. Die Runde diskutiert die Bankrotterklärung der Pfadfinder bis hin zu Michael Bloombergs Kandidatur. Am Ende bekommt jedes Thema einen christlich-fundamentalistischen Dreh.
Tupelo als progressive Insel im konservativen Mississippi
Obwohl die "American Family Association" seit 1977 in Tupelo aktiv ist, fällt sie kaum im Stadtbild auf. Sie mischt sich auch kaum in die Kommunalpolitik ein. Tupelo sei eine Insel im konservativen Mississippi, erklärt Bürgermeister Jason Shelton. Leesha Faulkner stimmt dem zu. Lange hat sie als Journalistin in den Südstaaten gearbeitet. Heute ist sie die Kuratorin des Oren-Dunn-Stadtmuseums in Tupelo:
"Es ist hier progressiver als in anderen Städten des Bundesstaates und ich würde sogar sagen, in der gesamten südöstlichen Region. Wir sind die einzige Stadt im Staat, in der die Bürger zugestimmt haben, alle fünf Jahre die Steuern um zehn Prozent zu erhöhen, um so nötige Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren."
Einer Steuererhöhung zuzustimmen ist in dieser Region in der Tat schon progressiv. Leesha Faulkner ist 64 Jahre alt. Sie wuchs in den Südstaaten auf und kam vor etlichen Jahren hierher nach Tupelo. Ganz bewusst wählten sie und ihre Ehefrau diese Kleinstadt aus:
"Es gibt hier etwas, was wir den 'Tupelo Spirit' nennen, das ist was Besonderes, das man nicht unbedingt kennt, wenn man hier nicht geboren wurde, aber deshalb kam ich hierher, um den Rest meines Lebens hier zu verbringen. Die Menschen hier kümmern sich, wie z.B. 2014, als ein Tornado 150 Häuser zerstörte. Und einen oder zwei Tage danach waren da über eintausend Leute, um ihren Nachbarn zu helfen."
Auch während der Bürgerrechtsbewegung in den 60er-Jahren schwappte die Gewalt nie nach Tupelo über, erzählt Leesha Faulkner, die zu den Ereignissen von damals viel recherchiert hat. Tupelo war eine der wenigen Städte im Süden der USA, die positiv auffiel, sagt sie.
"Als meine Frau eine Nierentransplantation bekam, kam dieser Mann zu mir, der eigentlich keine Schwulen, Homosexuellen und besonders keine Gay-Ehe mag und bot mir seine Hilfe an. Tupelo ist einfach etwas anders, und deshalb kann ich hier auch leben. Jeder kennt mich, jeder kennt meine Frau, aber ich wurde noch nie ausgeschlossen oder verachtet. Klar, da sind Leute die sagen, 'ich stimme mit Deiner Entscheidung nicht überein, aber lass uns nicht darüber reden. Du bist ein guter Mensch und Deine Frau ist eine wirklich gute Person, wir lieben Euch.' Deshalb bin ich auch für sie da. Wenn da ein Baum auf das Haus des Mannes fallen würde, würde ich ihm beim Aufräumen helfen. Genau das mag ich an Tupelo."
Überrascht ist sie nicht, dass ausgerechnet hier in Tupelo mit der "American Family Association" eine der einflussreichen Organisationen der Christlichen Rechten ihren Hauptsitz hat. Auch das sei eben Tupelo, meint sie, die meisten seien gegen Abtreibung und gegen "Gay Marriages". Sie und auch Bürgermeister Jason Shelton wissen, dass AFA und auch AFR hier seien, doch groß auffallen oder sich in die Lokalpolitik einmischen würden die Evangelikalen nicht. Das bestätigen auch Mitarbeiter des "Daily Journal", der großen Tageszeitung in der Region. Statt einem Einzelgespräch mit der Chefredakteurin sitzen bei dem verabredeten Termin noch zwei weitere Journalisten im Besprechungsraum. "On the record" - ins Mikrofon - wollen sie allerdings nichts zu AFA sagen: Man wisse nie, wie das später ausgelegt würde. Viele der Leser seien auch Hörer der Radioprogramme und Unterstützer der Association. Von daher: Danke fürs Kommen, aber lieber nicht.
Sie wähnen sich in einem Krieg
Zurück in den Headquarters von AFA und AFR. Amerika befinde sich in einem Krieg, einem Kulturkrieg im eigenen Land. Diese Aussage taucht immer wieder auf in den Gesprächen mit Tim Wildmon, Ed Vitagliano und all den anderen, die ich hier sprechen konnte.
"Wir sind in einem kulturellen Bürgerkrieg", sagt Wildmon. "Die andere Seite stellt uns als Fanatiker, als hasserfüllte Personen dar und das gibt ihnen das Recht zu fordern, wir sollten verschwinden. Die christliche Schule sollte dicht gemacht werden, der christliche Radiosender sollte nicht mehr senden, die Bäckerei, der Blumenladen eines Christen sollte geschlossen werden, weil die nichts mit einer Gay Hochzeit zu tun haben wollen. Wenn das alles als eine Möglichkeit der Linken gegen uns gesehen wird, dann entsteht auf unserer Seite Panik und wir schlagen zurück, so hart wir können. Und Du hast schon Präsident Trump angesprochen – wenn wir jemanden finden, der für uns kämpft, der sich für Religionsfreiheit einsetzt, dann stehen wir an seiner Seite."
Im Wahlkampfjahr 2020 bedeutet das, dass AFA und AFR sich deutlich positionieren werden – sowohl in ihren Online-Nachrichten als auch in ihren Rundmails und ihrem 24 Stunden Programm auf über 180 Stationen im ganzen Land: Konservative Kandidaten werden hier ganz direkt unterstützt:
"Ich glaube, Präsident Trump hat 2016 rund 83 Prozent der evangelikalen Wählerstimmen bekommen und das wird in diesem Jahr wieder genauso sein", betont Wildmon.
Doch egal, ob Donald Trump oder der Kandidat der Demokraten am 3. November die Wahl gewinnen wird. Für Tim Wildmon und die Evangelikalen in den USA ist eines ganz klar – sie bleiben und werden weiter für ein christlich fundamentalistisches Amerika kämpfen:
"Uns gibt es seit 1977, schon über 42 Jahre, wir verschwinden nicht, wir wachsen weiter, bleiben stark und halten an unserer Botschaft fest. Wir sind mehr als nur diese Konflikte mit den Linken über Abtreibung und Rechte von Homosexuellen. Wir helfen den Leuten der Bibel zu folgen: in Familienfragen und ihrem Alltag. Das alles führt zu einer Stärkung Amerikas, daran glauben wir. Und wir machen das auf unterschiedlichste Weise, auch wenn man uns immer nur als christliche Kulturkrieger bezeichnet."