Die Bibel und Yoga
Yoga wird auch auf Kirchentagen immer beliebter. © dpa / picture alliance / Shotshop
Schalom statt Om
06:24 Minuten
Bei den vergangenen Kirchentagen hat Sport eine immer größere Rolle gespielt. Diesmal sind unserer Autorin viele Teilnehmende mit Yogamatte aufgefallen. Was sind eigentlich die Unterschiede von klassischem, christlichem und biblischem Yoga?
Ungefähr 80 Menschen sitzen auf Yogamatten und Meditationshockern in einem rappelvollen Kellersaal eines katholischen Tagungshauses mitten in der Nürnberger Innenstadt.
Yogatechniken nutzen, um bei Gott anzukommen
Statt des buddhistischen Mantras Om singen sie: Schalom. Das ist hebräisch, heißt Frieden - und ein bisschen wie Om klinge es ja auch, sagt die Übungsleiterin Pia Wick: "Christliches Yoga ist gefüllt mit christlichen Worten, Worten aus der Bibel oder aus der christlichen Tradition. Wir nutzen die Techniken des Yogas, um bei uns und bei Gott anzukommen, in die Stille zu kommen und uns wieder mit Gott und uns selber zu verbinden."
Die Übungen, die Wick hier anleitet, basieren auf einem Konzept für christliches Yoga, das sie selbst entwickelt hat. Denn sie suchte nach einer Möglichkeit, auch eine körperliche Ebene für das zu finden, was sie innerlich, spirituell beschäftigte.
Yoga kannte Wick vorher nicht, sie kommt aus den Bereichen Tanz und Gymnastik. Aber die körperlich-philosophische Praxis fand sie hochinteressant: "Ich bin als Christin in die Yogalehrerausbildung gegangen und habe gedacht, wir brauchen das dringend auch in der christlichen Welt."
Klassische Haltungen beim christlichen Yoga
Christliches Yoga, das heißt: Die Übungen sind die klassischen Yogahaltungen. Aber sie sind verbunden mit Bibelversen, werden auf eine geistliche Ebene gehoben mit Verweis auf einen Gott, der sehr deutlich ein christlicher ist. Die körperliche Ebene bleibt, die indischen philosophisch-spirituellen Konzepte werden überschrieben.
Im Workshop klingt das dann zum Beispiel so: "Jesus wollte, dass wir bewegliche Schultern haben, denn er hat gesagt: Mein Joch ist leicht." Dies ist die Einleitung für eine Schulter-Dehnübung.
Für die Menschen beim Kirchentag ist das Christentum der kulturelle Bezugsrahmen, so dass diese Form des Yogas sich automatisch vertrauter anfühlt. Eine der Teilnehmerinnen, die Anfang des Jahres zur Bekämpfung von Arbeitsstress mit Yoga begonnen hat, erklärt: "Die christliche Ebene, glaube ich, sagt mir mehr zu, weil eben in dem Studio doch sehr viel auf Buddha zielt, es ist halt mit Om und diese Stellungen werden benannt nach dem Hatha-Yoga. Und hier trägt einen halt Gott, das ist die Plattform."
Am Anfang war auch die Bewegung
Übungsleiterin Wick liest für ihre christlichen Yogaübungen die Bibel gezielt mit Blick auf Körper und Bewegung, sagt sie: "Das sind alles Stellen, die entweder in die Stille führen oder die einen körperlichen Aspekt haben, entweder einen evidenten körperlichen Aspekt oder der eine körperliche Auswirkung hat."
Solche Stellen gibt es in der Bibel öfter, als man das vielleicht erwarten würde. Am Anfang war eben nicht nur das Wort, sondern auch die Bewegung. Diese Beobachtung stand auch am Anfang einer anderen Deutung von Yoga aus christlicher Perspektive, nämlich beim biblischen Yoga.
Andrea König, eine der Initiatorinnen, erzählt: "Ich habe einen Gottesdienst-Entwurf zu Maria am Grab von Jesus mir vorgenommen und das mal gelesen und habe festgestellt, da steckt eine Menge Bewegung drin. Also sie läuft oder sie geht im Dunkeln noch nachts zum Grab, und dann bleibt sie stehen, und dann kehrt sie um und läuft zurück und holt die Jünger, und dann wird die Geschichte immer schneller, und sie biegt sich dann irgendwann in das Grab hinein, und dann dreht sie sich rum, um da wieder rauszukommen."
"Biga" spielt auf Yoga und Ganzheitlichkeit an
König ist Referentin in der Frauenarbeit der evangelischen Kirche in Bayern. Yoga kannte sie schon vor ihrem biblischen Aha-Erlebnis. Sie teilte es mit ihrem Kollegen von der evangelischen Männerarbeit, Günter Kusch, und beide entwickelten daraus ihr Konzept von biblischem Yoga.
Das kürzen die Erfinder mit „Biga“ ab, aber die Silbe "–ga" steht nicht nur für Yoga, sagt Miterfinder Günter Kusch: "Biga steht für Bibel ganzheitlich. Und wir wollen eigentlich die biblischen Geschichten mit Hilfe von Asanas, Übungen aus dem Yoga, ganzheitlich nachvollziehbar machen."
Sich mit Yogaübungen fühlen wie Mose
Im Workshop für biblisches Yoga (oder eben: Bibel ganzheitlich), auch diese Veranstaltung ist ausgebucht, erzählt Kusch die Geschichte der biblischen Zentralfigur Mose: Eigentlich wollte der ägyptische Pharao alle Neugeborenen der Hebräer töten, Mose wird von seiner Mutter in einem Korb auf dem Fluss ausgesetzt, "und tatsächlich entdeckt die Pharaonentochter den Korb."
Co-Trainerin Verena Bauer leitet nun eine Yogaübung an, die zu diesem Bild des Korbes passt. Das kann dann so klingen: „Hol dir Halt – wie Mose in seinem Korb“ – und gleichzeitig achtet sie auf Bauchmuskeln und geraden Rücken.
Bibel als Erzählstrang beim Yoga
Die Bibel steht bei dieser Variante des Yoga deutlicher im Vordergrund als beim christlichen Yoga: Die Anleitenden erzählen von einzelnen Figuren, nutzen markante Lebensstationen oder Entscheidungen als Sprungbrett für Yogaübungen.
Die Kombination funktioniert nicht für jede: "Ich kannte die Mose-Geschichte schon, habs nicht in Verbindung bringen können, aber nur allein die Yogaübungen, das Strecken und Atmen, hat mich schon gut ausgefüllt."
Eine andere Teilnehmerin dagegen findet gerade gut, dass die biblische Geschichte ihren Gedanken während der Übungen eine klare Richtung gab: "Weil ich dadurch so ein konkretes inneres Bild in mir hatte, was ich mir vorstellen konnte während der Übung, dass die Übung dadurch auch für mich einfacher ging, durch dieses innere Bild."
Sehnsucht nach Halt und Körperlichkeit
Christliches Yoga, biblisches Yoga: Beide Konzepte wollen körperliche Übungen mit christlichen Gedankenwelten verbinden. Das spricht sicher vor allem diejenigen an, die sowieso schon kirchlich geprägt sind.
Aber genau diese Menschen würden eben zur Zeit auch nach Orientierung suchen, die über Worte hinausgeht, sagt Übungsleiterin Wick: "Menschen suchen wieder Anbindung in dieser unsicheren Welt gerade jetzt, mit Krisen, Krieg und Katastrophen, brauchen wir eben Orte, wo wir merken, da kann ich mich verlassen, auch wenn die Welt unsicher ist."