Christoph Bartmann: "Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal"
Hanser Verlag, München
288 Seiten, 22 Euro
Bürgerliche Befehlshaber
Christoph Bartmann übt in "Die Rückkehr der Diener" scharfe Kritik am Zynismus des neuen Bürgertums, der sich im Umgang mit dem Hauspersonal manifestiere. Deren Beschäftigung zementiere in vielen Fällen das soziale Gefälle und werfe Fragen zu Ungerechtigkeit auf.
Was unterscheidet die Arbeit an der Kasse im Supermarkt von der einer Zugehfrau in der eigenen Wohnung? Welchen Dienst erweist ein Mensch, der sich die Hemden bügeln lässt, dem Dienstleister, der diese Arbeit für ihn übernimmt? Und wer liest abends den Kindern vor?
Was Christoph Bartmann als freundliche, bisweilen selbstironische Beichte eines vielbeschäftigten Mannes beginnen lässt, immer begleitet vom augenzwinkernden Einverständnis seines Lesers, der sich ja auch gern mal eine lästige, monotone oder schmutzige Hausarbeit abnehmen lässt – das entlarvt er Schritt für Schritt als fortgesetzte Lebenslüge einer bürgerlichen, im Wohlstand denkfaul gewordenen Klasse.
Nein, der Vorstand eines gut situierten Mittelschicht-Haushalts tut der portugiesischen Putzhilfe oder dem kroatischen Kindermädchen keinen Gefallen, wenn er ihre Arbeitskraft nutzt, sie vermeintlich anständig bezahlt (meist am Finanzamt vorbei) und die Dienstleisterin vielleicht sogar noch zur Mitreise in den Familienurlaub einlädt.
Im Gegenteil: Er beutet sie aus, er zementiert ein soziales Gefälle, verhindert die Integration, die er zu fördern vorgibt, und ist sich meist sogar bewusst, in einem moralischen Dilemma versagt zu haben. Niemand legt sich im Morgenmantel faul aufs Sofa, während die Haushaltsperle den Fußboden davor schrubbt.
Zum Beispiel: New York und seine dienstbaren Geister
Bartmann hat lange als Repräsentant des Goetheinstituts in New York gelebt – ein viel gefragter, intellektuell und zeitlich intensiv geforderter Mann, der selbstverständlich die vielfältigen Aufgaben seines privaten wie öffentlichen Lebens auf viele Helfer verteilen muss. Also berichtet er von Haushaltsgeräten, die vieles können, aber doch auch ihre Dosis Aufmerksamkeit einfordern, von Dienstleistern, die ein fertiges Menü ins Haus bringen und die schmutzige Wäsche abholen.
Und von Helfern, die den Wert einer fremden Existenz heben, indem sie ihr lästige Arbeiten des Alltags abnehmen. New York ist ein guter Ort zur Erforschung solcher Dienstverhältnisse – die Größe, die Vielfalt, der drängende Wettbewerb, das steile soziale Gefälle: Vielleicht wirft der Autor da einen Blick in unsere Zukunft.
Wie viel Ungleichheit lässt sich rechtfertigen?
Und stellt manch unangenehme Frage: Welche Beschäftigung definiert die eigene Identität, welche lenkt von ihr ab? Wie verbringt einer die Zeit, die er sich von anderen erkauft hat? Welche Verpflichtung ist damit verbunden? Welches Territorium und wie viel Souveränität gibt einer auf, indem er andere für sich putzen, kochen, Unkraut zupfen oder die Kinder hüten lässt? Wie viel Ungleichheit lässt sich rechtfertigen? Wo beginnt Ungerechtigkeit? Und warum beschleicht selbst weniger sensible Menschen immer wieder dieses Gefühl von Peinlichkeit?
"Ach, Maria, da wäre noch dieser Wintermantel aus dem vergangenen Jahr. Ich habe ihn kaum getragen. Meinst du, er könnte dir passen?"
Dies ist ein Buch, das in freundlichem Plauderton aus einer anderen Welt zu berichten scheint - und doch scharfe Kritik an Gedankenlosigkeit und Zynismus unserer Gesellschaft übt.