Christoph Bartmann: "Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal"
Carl Hanser Verlag
288 Seiten, 22 Euro
Wer putzt und kocht noch selbst?
Die Putzfrau, der Essenslieferant, die Kinderfrau - ein neues Bürgertum mit großem Hunger nach Service holt sich bei jeder Gelegenheit Hilfskräfte ins Haus, stellt Christoph Bartmann in seinem Buch "Die Rückkehr der Diener" fest. Diese maximale Bequemlichkeit hält er für fatal.
Christoph Bartmann übt in "Die Rückkehr der Diener" scharfe Kritik an einer neuen Dienstleistungsgesellschaft und den damit verbundenen Arbeitsverhältnissen. Die Entscheidung für "maximale Bequemlichkeit" hält er nicht nur fatal für diejenigen, die diese Arbeiten verrichten, sondern auch für die Nutzer. "Ich finde solche neofeudalen Dienstverhältnisse per se problematisch und kann mich mit ihnen nicht anfreunden", sagte Bartmann im Deutschlandradio Kultur.
Helfer sehen eigene Familien kaum
"Keiner wirft einen Brief in den Briefkasten, keiner bringt sein Hemd selbst in die Reinigung, man lässt sich jederzeit Essen ins Haus bringen, man bestellt Lebensmittel online im Supermarkt und lässt die sich auch auf die Etage tragen", berichtete Bartmann, bis 2016 Direktor des Goethe-Instituts in New York, über die in den USA mittlerweile gängige Nutzung von billigem Service-Personal:
"Und nicht nur am oberen Ende der Einkommensskala, sondern auch in der Schicht, die ich als das neue Bürgertum bezeichne. Und wir mit unserem Hunger nach Service sind die großen Treiber solcher einfachen Beschäftigungsverhältnisse."
Gut verdienenden Doppelverdiener-Familien mit Kindern entlasteten sich gerne mit sogenannten "live-ins", Haushälterinnen oder Kindermädchen aus den Ländern "des globalen Südens", die dann oft jahrelang in solchen Haushalten lebten. "Und die sehen ihre eigene Familie gar nicht mehr."
"Wenn man sich so intensiv um andere Familien kümmert, geht das unweigerlich zu Lasten der eigenen Familie, das kann man auch bei polnischen Altenpflegerinnen in Deutschland sehen", kritisierte Bartmann. Problematisch sei, dass Menschen dauerhaft in solchen Beschäftigungsverhältnissen bleiben.
Oft kein echter Kontakt zwischen Dienstherren und Bediensteten
Bei den Dienstherren sei im Umgang mit Bediensteten zudem viel Heuchelei und Verarbeitung von schlechtem Gewissen im Spiel: "Die Verlegenheit kann man abreagieren, dass man diese Diener überhaupt nie kennenlernt und sie online bucht und den Schlüssel abgibt, ohne Kontakt. Oder indem man das Verhältnis künstlich geradezu hysterisch privatisiert und so tut, als sei das eigentlich ein Liebesdienst an der Familie."
Das Problem solcher Beschäftigungsverhältnisse sei nicht nur, dass Menschen dauerhaft ohne Aufstiegsmöglichkeiten darin verbleiben, sondern auch fatal für die Nutzer. "Es droht hier natürlich eine Enteignung oder Entmächtigung der Auftraggeber selbst. Wir bringen uns selbst um unsere Souveränität, wenn wir alle Aufgaben, die wir nicht cool finden oder wichtig oder relevant für uns in fremde Hände legen."
"Die Idee, dass man mit einem Wisch über das iPhone heutzutage jedwede Dienstleistung völlig ohne jeglichen Anbahnungsaufwand ins Haus bekommen kann, ist gesamtgesellschaftlich schädlich", lautet das Fazit Bartmanns. Er selbst putze mittlerweile wieder selbst.