Christoph Biemann zu 50 Jahre Maus

"Knallhart den Kindern die Welt gezeigt"

07:58 Minuten
Christoph Biemann, Regisseur, Autor und Moderator der "Sendung mit der Maus".
Der grüne Pulli ist sein Markenzeichen: Moderator Christoph Biemann gratuliert der Maus zum 50. Geburtstag. © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Christoph Biemann im Gespräch mit Ute Welty |
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Klingt komisch, ist aber so: Die Sendung mit der Maus feiert ihren 50. Geburtstag. Noch immer begeistert sie Kleine und Große gleichermaßen. Die Sendung habe sich allerdings verändert, sagt Moderator Christoph Biemann: "Früher waren wir mutiger."
Ute Welty: Die Maus feiert runden Geburtstag. Am Sonntag läuft im Ersten die Jubiläumsfolge der Kultkindersendung zum 50. Geburtstag. Einer, der sicher zu den ersten Gratulanten gehört, ist Christoph Biemann. Der kann erstens super erklären, warum der Himmel blau ist und die Milch weiß, und den kann man auch super erkennen an seinem grünen Sweatshirt. Wie ist das gekommen?
Christoph Biemann: Eine sehr originelle Frage, die ich noch nie beantwortet habe, aber für Ihre Hörer mache ich das mal: Das grüne Sweatshirt habe ich, weil ich viele bunte Pullis hatte, aber von den grünen hatte ich zwei. Da habe ich mir gedacht, tja, da kann einer in der Wäsche sein, dann habe ich immer noch den anderen. Wir haben damals die Atom-Maus gedreht, und es war klar, das sind viele Drehtage, Nachdrehs, das wird eine komplizierte Geschichte. Und da war es wichtig, immer dasselbe anzuhaben.
Welty: Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen Ihr Markenzeichen mal ausgeht, die Farbe ist ja jetzt nicht ganz topmodisch?
Biemann: Das war zwischenzeitlich mal eine Gefahr oder ist auch so eingetreten. Inzwischen gibt es aber diese Läden, wo man T-Shirts und Sweatshirts bedrucken lassen kann, und die haben dieses Grün auch. Insofern: Gefahr vorbei!

"Die Maus ist alterslos"

Welty: Sie sind sicher, Gott sei Dank! Sie, die Maus und das Konzept der Sendung erscheinen ja fast alterslos. Inwieweit täuscht dieser Eindruck und inwieweit hat es dann doch Veränderungen gegeben?
Biemann: Die Sendung selbst ist alterslos, weil die Maus ja alterslos ist. Wir Protagonisten altern natürlich – leider oder Gott sei Dank. Ich habe auch nichts dagegen.
Welty: Welche Kinder erreichen Sie schlechter und welche erreichen Sie besser?
Biemann: Es gibt da keine Untersuchungen, aber ich habe den Eindruck, dass bildungsnähere eher die Maus gucken. Ich weiß von vielen Familien, die ihren Kindern verbieten fernzusehen oder andere, die sie auf jeden Fall von Bildschirmen fernhalten, aber die Maus dürfen die Kinder gucken. Und bei manchen Kindern erkenne ich einfach daran, ob die mich erkennen oder nicht, ob die dann doch eher bei Super RTL sind oder bei der Maus und bei der ARD.
Welty: Das ist ja eigentlich ein bisschen blöd, weil vielleicht würde es denen ja vor allen Dingen etwas bringen, die Maus zu gucken.
Biemann: Natürlich, das würde uns sehr freuen, wenn die uns auch gucken würden. Und wir geben uns auch Mühe, lustige, spannende Sachen zu machen, sodass die auch wirklich etwas davon hätten, wenn die einschalten würden. Das muss natürlich sein.
Welty: Was sind das für Sachen?
Biemann: Unsere Sachgeschichten zum Beispiel oder Shaun, das Schaf, das macht allen Kindern Spaß. Und die Sachgeschichten sind auch so, dass die auch lustig und unterhaltsam sind und dass sie auch von fast allen Kindern verstanden werden. Das ist ja unser Markenzeichen sozusagen, dass wir so erklären, dass wir verstanden werden. Das finden nicht nur Kinder toll, sondern auch Erwachsene.

Andere Fragen als vor 50 Jahren

Welty: Was unterscheidet die Kinder heute von denen im Jahr 1971 und was hat das für Auswirkungen auf die Themen der Sendung?
Biemann: Die Kinder unterscheiden sich so gut wie gar nicht, die sind weiterhin neugierig, wissbegierig, laufen auch gerne rum. Natürlich hat sich die Umwelt verändert, das Umfeld. Zum Beispiel sind die Fragen, die Kinder heute haben, andere, das ist nicht nur, wie wird ein Ball gemacht, sondern: Was passiert, wenn ein Ball kaputtgeht, was passiert mit dem Plastik hinterher? Die Frage war vor 50 Jahren gar nicht aktuell.
Welty: Also im Sinne von Nachhaltigkeit und Umweltschutz?
Biemann: Ja, solche Fragen. Und natürlich auch die Sehgewohnheiten sind anders geworden, also sehr viel schneller und bunter. Und wir haben auch Musik dabei, also "Die Sendung mit der Maus" hat sich auch über 50 Jahre entwickelt. Wenn man die Sendungen von vor 50 Jahren sieht, ja, die sahen schon anders aus.
Welty: Gefällt Ihnen das besser oder schlechter?
Biemann: Mir gefällt es ganz gut, obwohl wir früher auch mal mutiger waren, muss ich sagen. Es gab zum Beispiel einen Film, der hieß "Die Kuh", da wurde gezeigt, was alles aus einer Kuh gemacht werden kann, von Leder, Fleisch und alles Mögliche. Der Film begann damit, dass der Kuh ein Bolzenschussgerät an den Kopf gesetzt wird und dann bricht die Kuh zusammen.
Das würden wir heute nicht mehr machen, weil wir inzwischen auch so viel Respekt vor der Flut der Mails und Briefe haben, die wir dann bekommen würden, dass wir das einfach mal lassen. Aber auch unsere Einstellung hat sich irgendwie auch geändert. Früher ging es darum, ganz knallhart den Kindern die Welt zu zeigen, heute sind wir etwas milder.

Auch Erwachsene lernen Neues

Welty: Mussten Sie auch mal sagen, diese Sachgeschichte lässt sich nun nicht umsetzen, denn auch der Christoph weiß ja nur fast alles.
Biemann: Christoph weiß sehr wenig, so wenig wie jeder oder so viel. Ich muss auch alles selbst recherchieren, und das Schöne daran ist, dass ich immer auf Dinge stoße, die ich noch nicht wusste. Selbst nach 50 Jahren Maus kriege ich Fragen, wo ich denke: Wow!
Zum Beispiel haben wir gerade eine Frage, woher weiß die Zapfpistole, dass der Tank voll ist. Warum macht es da Klack, wenn der Tank voll ist? Da steckt so viel technisches Know-how und Physik dahinter, dass man nur den Mund aufsperren und staunen kann. Das ist irre. Und solche Dinge findet man immer wieder. Vor Kurzem haben wir einen Film gemacht, wie eine Bobbahn vereist wird. Da bin ich hingefahren, habe gedacht, okay, Wasser drauf, kalt machen und das ist es dann. Und ich habe mir dann zwei Stunden einen Vortrag anhören müssen, was man alles beachten muss, wenn man eine Bobbahn vereist. Und das finde ich richtig toll, das macht mir richtig Spaß, da immer wieder Neues zu entdecken.

Kinder sollen neugierig bleiben

Welty: Die Maus will die Kinder ja darin bestärken, Fragen zu stellen und neugierig zu sein. Das kann die Maus aber natürlich nicht alleine. Was muss da noch dazukommen?
Biemann: Das müssen natürlich auch die Eltern machen, aber von der Maus aus, wir müssen natürlich die Filme so gestalten, dass sie zum Beispiel auch kleinere Kinder, die nicht wirklich alles verstehen, dass sie trotzdem gerne zugucken. Wir machen schöne Bilder, wir lassen extra Musik für jeden Film komponieren. Und dadurch können wir auch schaffen, dass sich Kinder dafür interessieren, was wir da erzählen.
Die Maus mit einer Geburtstagstorte.
Happy Birthday Maus: Das Alter sieht man ihr nicht an. © WDR / Michael Schwettmann
Welty: Wie sehr haben Sie die Maus beneidet, ins All fliegen zu dürfen?
Biemann: Also, ich weiß nicht, ob ich gerne ins All fliegen würde, aber für die Maus war es sicher toll.
Welty: Warum wissen Sie das nicht so genau? Ist das eher so ein mulmiges Gefühl?
Biemann: Ja, ein mulmiges Gefühl ... Im All, da hat man ja kein Oben, kein Unten und so. Aber, ja, vielleicht bin ich doch neugierig, die Erde mal von oben zu sehen.
Welty: Jetzt wird die Maus also 50, kann aber immer noch nicht sprechen. Was ist denn da schiefgelaufen in der frühmäuslichen Bildung?
Biemann: Die Maus hat eigentlich früh erkannt, dass es ein großer Vorteil ist, nicht zu sprechen. Es gibt sogar ein Maus-Spot, wo die Maus so ein bisschen spricht, sie hat es aber schnell wieder gelassen, weil nur dadurch ist sie als Moderator einzigartig. Einen Moderator einer Sendung, der nicht spricht, den gibt es nicht – und der wird deswegen auch geliebt. Es wird zu viel gequatscht im Fernsehen, da ist es manchmal ganz wohltuend, nur zu gucken.
Welty: Genau, wozu brauche ich Worte, wenn ich das auch mit einem Augenaufschlag ausdrücken kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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