Christoph Schönberger: „Auf der Bank. Die Inszenierung der Regierung im Staatstheater des Parlaments“

Was die Architektur von Plenarsälen verrät

32:23 Minuten
Cover des Buchs „Auf der Bank. Die Inszenierung der Regierung im Staatstheater des Parlaments“ von Christoph Schönberger: Es sind blaue Parlamentssessel zu sehen.
© C.H. Beck

Christoph Schönberger

Auf der Bank. Die Inszenierung der Regierung im Staatstheater des ParlamentsC.H. Beck, München 2022

282 Seiten

29,95 Euro

Von Hans von Trotha · 06.09.2022
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Christoph Schönberger unternimmt in "Auf der Bank" einen internationalen und historischen Vergleich parlamentarischer Plenarsäle. Anhand der verschiedenen „Raumarrangements“ legt der Jurist Strukturen offen, die so noch nie beschrieben worden sind.
Vor einigen Jahren hat der Jurist Enrico Brissa, Protokollchef des Deutschen Bundestags, einen Bestseller darüber geschrieben, wie man sich in der Öffentlichkeit benimmt. Titel: "Auf dem Parkett". In ebenjenen Deutschen Bundestag schickt uns jetzt der Jurist Christoph Schönberger „auf die Bank“.
"Auf der Bank" heißt seine historisch-juristisch-psychologische Analyse einer innenarchitektonischen Rhetorik parlamentarischer Plenarsäle. Mit „der Bank“ ist die sogenannte „Regierungsbank“ gemeint, tatsächlich 37 rechts vom Präsidium exponierte blaue Sessel, einer mit erhöhter Rückenlehne, die Plätze der Regierung im Bundestag.
Wir sind mit dem Anblick der meist spärlich besetzten Loge aus den Medien vertraut, auch mit dem dort bisweilen gepflegten „Regierungslungern“, in dem es Gerhard Schröder und Joschka Fischer „zu einer gewissen Meisterschaft“ gebracht haben. Auch daran erinnert Schönberger, wie er seine Beobachtungen überhaupt stets mit plastischen Beispielen lebendig illustriert.

Strukturell prekär

Wie wenig selbstverständlich, womöglich sogar: wie wenig demokratieförderlich dieses „Raumarrangement“ ist, wird schnell klar. Die Platzierung der Regierung neben dem Präsidium ist ehrenvoll, für eine diskursive Interaktion aber besonders ungünstig.
Schönberger erkennt in dem „strukturell prekären“ Arrangement das beharrliche Erbe einer Fixierung auf den kaiserlichen Thron im ersten Reichstag von 1871. In anderen Parlamenten sind die Regierungssessel Teil des Plenums gegenüber dem Pult, von dem aus geredet wird. Im Pariser Palais Bourbon wurde der Thron durch die Rednertribüne ersetzt, im Reichstag durch die Regierungsbank.

Überraschend offensichtliche Strukturen

Gründlich recherchiert, klug gedacht, gut lesbar geschrieben, legt das Buch überraschend offensichtliche Strukturen bloß, die wir permanent vor Augen, aber so noch nie gezeigt bekommen haben. Doch dabei lässt es der Autor nicht bewenden. Er bettet seine Beobachtungen in eine größere Erzählung: einen internationalen und historischen Vergleich parlamentarischer Plenarsäle und ihrer jeweiligen „Raumarrangements“.
Diese befragt er als Jurist, als Historiker und als psychologisch geschulter Beobachter gesellschaftlicher Mechanismen nach den Botschaften, die sie aussenden, den Implikationen, die sie transportieren, und den Konsequenzen, die das jeweils hat. Dabei kommen auch grundsätzliche Fragen auf, etwa die, was eine Regierung überhaupt im Plenarsaal eines Parlaments zu suchen hat. In den USA etwa hat der Präsident weder im Repräsentantenhaus noch im Senat einen Sessel oder gar eine Bank.

Alltagspsychologie der Parlamentskultur

Nach einem Reichstagsbesuch in der Bismarckzeit notierte der französische Historiker Ernest Lavisse: „Die Architektur des Plenarsaals im Reichstag ist eine Einführungsvorlesung in das deutsche Verfassungsrecht.“ Diesen Blick justiert Christoph Schönberger auf die vielen ganz unterschiedlich arrangierten Plenarsäle Deutschlands und der Welt – mit bisweilen erstaunlichen und immer einleuchtenden Ergebnissen, die tief in eine folgenreiche Alltagspsychologie der Parlamentskultur blicken lassen, also keineswegs nur historisch von Interesse sind.
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