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Metamorphosen des Orpheus
Orpheus – der musikalische Überflieger der antiken Mythologie. Erst Protagonist am Anfang der Operngeschichte, nicht nur bei Monteverdi. Dann die Schlüsselfigur einer Opernreform des Ritters Christoph Willibald Gluck.
Man messe diese "Reform" nicht an den Zehn Geboten, die Moses in die steinernen Gesetzestafeln meißelte, nicht an den 95 Thesen, die Luther an die Pforten der Schlosskirche zu Wittenberg hämmerte. Christoph Willibald Gluck (1714-1787) und seine künstlerischen Mitarbeiter wollten eine knappe, fabelhafte "festa teatrale" inszenieren, ein Theaterfest zur Feier eines kaiserlichen Namenstages, 1762 in Wien, Unterhaltung durchaus inbegriffen.
Orpheus, Orfeo, Orphée
Und wo fortan das neue Zugstück gefragt war, in Parma, in London, in Paris, ob als "Orpheus und Eurydike", "Orfeo ed Euridice" oder "Orphée et Euridice" – Gluck passte seine Partitur den jeweiligen Gegebenheiten an. Er kürzte, ergänzte, erweiterte, orchestrierte und transponierte, wann immer es nötig schien, stets mit Blick auf die Besetzung, die regionale Tradition, die eindrucksvollste Wirkung. So stellt jede Version von Glucks Werk bereits auf der Text-Ebene eine Interpretation dar.
Ein Komponist für Komponisten
Glucks Oper ist ein Meisterwerk des 18. Jahrhunderts, dessen Wirkung sich weit ins 19. Jahrhundert hinein erstreckte. Hector Berlioz wurde zum engagiertesten Sachwalter von Glucks Erbe, der kompromisslos frankophile Claude Debussy dagegen forderte: "Nieder mit Gluck!" und hob stattdessen den französischen Barock-Meister Jean-Philippe Rameau auf den Schild. Richard Wagner wiederum bewunderte Gluck und bearbeitete sogar dessen "Iphigenie"-Oper. Interpretation ist eben alles – in Theorie und Praxis, und das gilt auch für die umfangreiche "Orpheus"- Diskographie.