Christopher McDougall: "Das Glück ist grau"
Aus dem Englischen von Simone Jakob und Anne-Marie Wachs
Dumont/ Köln 2020
416 Seiten, 22,- Euro
Bewegungstherapie für Mensch und Esel
06:40 Minuten
Der passionierte Läufer und Journalist Christopher McDougall erzählt, wie er einen verwahrlosten Esel wieder auf die Hufe brachte. Am Ende starten die beiden gemeinsam beim Eselrennen in den Rocky Mountains. Absolut kitschfrei und herzerwärmend!
Ausgerechnet ein feuchter Fleck setzte dem Zauber des Morgens ein jähes Ende. Dabei hatten die Trainingseinheiten so vielversprechend begonnen. Mit viel Geduld war es Christopher McDougall endlich gelungen, seinem Esel die Angst vor dem Asphalt zu nehmen.
Eine gute Strecke am Straßenrand entlangzulaufen, schien also keine große Herausforderung mehr zu sein für das Mensch-Tier-Gespann. Selbst vorbeirauschende Laster waren kein Problem.
Ein Esel in Schockstarre
Doch dann kam die Pfütze. Ein zwar kleines, doch schillerndes Etwas, das den Esel in Schockstarre versetzte, und den Mann in Verzweiflung stürzte. Denn es halfen kein Ziehen und Zerren, kein Flehen und Fluchen – das Tier blieb standhaft.
Wie es Christopher McDougall schließlich dennoch gelang, den Esel nicht nur wieder in Bewegung zu bringen, sondern das ehemals verwahrloste Tier überhaupt zum Laufen, ja sogar zum Rennen zu animieren: Das schildert der Autor und Journalist in diesem herzerwärmenden Buch.
McDougall kam durch Zufall auf den Esel. Mit seiner Familie auf einer Farm im Gebiet der Glaubensgemeinschaft der Amischen lebend, überredete ihn ein Nachbar, das Tier, das bei einem Messie lebte, in Pflege zu nehmen.
Der Esel war in hoffnungslosem Zustand; mit ausfallenden Zähnen, kaputten Hufen und von Parasiten befallen. Entgegen allen Prognosen gelingt die körperliche Genesung und "Sherman" fasst sogar Vertrauen zum Menschen, doch sein Gemüt bleibt trüb.
Ein berüchtigtes Wettrennen
Deshalb beschließt McDougall, der selbst passionierter Läufer ist, dem Esel neuen Lebensmut zu geben durch die Vorbereitung auf das "Pack Burro Racing", ein berüchtigtes Eselrennen in den Rocky Mountains. Das einzige Problem: Er hat keine Ahnung von der Sturheit seines neuen grauen Freundes. Allerdings weiß dieser auch nicht, wie beharrlich ein Mensch sein kann.
Was folgt, ist eine bezaubernde Beziehungs- und Entwicklungsgeschichte aller involvierter Lebewesen. Denn nicht nur Sherman verwandelt sich während des Trainings, sondern auch McDougall selbst, seine Frau und Töchter und die vielen Helfer.
Was folgt, ist eine bezaubernde Beziehungs- und Entwicklungsgeschichte aller involvierter Lebewesen. Denn nicht nur Sherman verwandelt sich während des Trainings, sondern auch McDougall selbst, seine Frau und Töchter und die vielen Helfer.
So werden Mensch und Tier(e) schließlich zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, ein depressiver Nachbarsjunge wächst gar über sich hinaus, und viele andere finden Trost und Zuversicht bei dem rennenden Esel, der niemals aufsteckt.
Kluge Mensch-Tier-Kommunikation
McDougall erzählt witzig, spannend und anrührend und vermittelt quasi nebenbei einiges über die Mensch-Tier-Kommunikation, den Charakter der Esel, über schräge Eselrennen aus aller Welt und die Community der Amischen.
Fern jedweder Rührseligkeit vermittelt er so glasklar, was Menschen tatsächlich verlieren, wenn sie den jahrtausendealten Kontakt zu Tieren aufgeben.
Mit dieser Botschaft setzt das Buch den Trend fort von Geschichten über die heilende und transformierende Kraft von Mensch-Tier-Beziehungen.
So schrieb etwa Sy Montgomery über ihr "herzensgutes Schwein" und "Penguin Bloom", die Elster, die einer vom Schicksal schwer getroffenen Familie neuen Mut gab, wurde ein Bestseller. "Sherman" hat definitiv auch das Zeug dazu.