Neue Therapien

Wenn Schmerzen den Schlaf rauben

06:47 Minuten
Eine Frau liegt vor Schmerzen zusammengekrümmt auf einem Sofa.
Schmerzen an der einen Stelle am Körper können ihre Ursache an einer ganz anderen Körperstelle haben. Das kann die Diagnose erschweren. © Getty Images / iStock / Lazy Bear
Von Sibylle Kölmel |
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Oft leiden Menschen unter chronischen Schmerzen, ohne zu wissen, woher diese Schmerzen überhaupt kommen. Für die Betroffenen kann das jahrelanges Leiden bedeuten. An der Universitätsklinik in Jena wird dazu an neuen Therapien geforscht.
„Ich hab oft in der Nacht nicht schlafen können, das hat mich sehr beeinträchtigt und war sehr schwierig für mich. Wenn man nicht schläft, ist natürlich auch der Tag dementsprechend.“
Anfang 2019 bekommt Janine Löchner Schmerzen in der Hüfte. Dann wandert der Schmerz über den Rücken ins obere Bein. Dann weiter runter.
„Irgendwann sind die Schmerzen halt immer schlimmer geworden, dass ich das auch tagsüber nicht verdrängen konnte, das heißt, ich habe mich oft mit Schmerztabletten frühmorgens mir schon eine Schmerztablette reingehauen, damit ich arbeiten gehen konnte. Das war so mein ganz extremes Pflichtbewusstsein, weil das für mich gar nicht infrage kam, dass ich zu Hause bleibe.“
Janine Löchner arbeitet als Sachbearbeiterin an einer Uni in Thüringen. Nach einigen Wochen geht das mit dem Arbeiten dann auch nicht mehr. Im Sommer des gleichen Jahres, nach mehreren Arztbesuchen, wird bei der 44-Jährigen ein Bandscheibenvorfall im unteren Lendenwirbelbereich diagnostiziert.
„Es ist dann immer akuter geworden, weil ich einfach nur diese Schmerzen hatte, ich musste mich dann ausruhen, das ist dann einfach auch auf meine Psyche gegangen, ich habe mich auch psychisch ausgelaugt gefühlt, ich konnte einfach nicht mehr, ich hatte keine Kraft mehr.“

In Jena ist man auf Schmerzpatienten spezialisiert

Am Universitätsklinikum Jena, in der Sektion Schmerztherapie, gibt es zahlreiche Schmerzgeschichten wie die von Janine Löchner. Die Abteilung ist auf Schmerzpatientinnen und -patienten spezialisiert – unterschiedlichste Therapien und Programme sollen helfen, die Schmerzen zu lindern – oder besser mit ihnen leben zu können. Seit dem vergangenen Herbst gibt es das Projekt A-IMA: „Ambulantes Interdisziplinäres multimodales Assessment“.
Es ist für Patienten, die anhaltend unter Schmerzen leiden, in den meisten Fällen weiter berufstätig sind – das auch gerne bleiben möchten – und bei denen das Risiko besteht, dass die Schmerzen chronisch werden.
„Die Idee hier ist, dass Menschen, die etwas länger anhaltende akute Schmerzen haben, dass diese Patienten frühzeitiger als bisher nicht nur von einem Orthopäden oder von einem Hausarzt gesehen werden, sondern von Schmerzexpertinnen und Experten aus verschiedenen Blickwinkeln, und insbesondere aus psychotherapeutischer Sicht und aus physiotherapeutischer Sicht“, sagt Professor Winfried Meißner.

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Patienten schauen

Er leitet die Sektion Schmerztherapie an der Jenaer Uni-Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Die verschiedenen fachlichen Blickwinkel erstellen für die Patientin oder den Patienten eine individuell zugeschnittene Empfehlung, wie weiter vorgegangen werden könnte.
„Es kann beispielsweise dann empfohlen werden, dass der Patient, die Patientin noch mal zum Orthopäden geschickt wird, dass eine spezielle Schmerztherapie bei einem Kollegen durchgeführt wird, dass Entspannungsverfahren oder eventuell auch eine naturheilkundliche Behandlung in diesem individuellen Fall die richtige Therapieform.“
Auch Janine Löchner, die Schmerzpatientin aus Thüringen, macht eine Schmerztherapie am Uniklinikum Jena.
„Dass mal jemand ganzheitlich auf mich schaut, als Arzt, das ging immer so unter, ich habe mich so sehr alleine gefühlt, weil ich gesagt hab, das hängt alles irgendwie zusammen und das muss doch mal so ganzheitlich angeschaut werden, und wo sich auch der Hintergrund von meinen Schmerzen mal angeschaut wird.“

Schwierige Suche nach den Ursachen

Eine Schmerztherapie kann langwierig sein. Nicht immer bringen die ersten Behandlungsversuche den ersehnten Erfolg. Auch die Suche nach den Schmerzursachen ist oft mühsam, denn Schmerzen können ganz unterschiedliche Ursachen haben.
„Man achtet zu wenig auf sich selber, man setzt erst mal alles andere in den Vordergrund und sich selbst viel zu sehr in den Hintergrund. Das habe ich jetzt gelernt, dass das nicht gut ist, weil wir können nicht immerzu über unser Limit gehen. Und das ist dann auch der Auslöser, warum Du dann vielleicht auch mal etwas Schlimmeres bekommst wie eben so einen Bandscheibenvorfall.“
A-IMA ist ein Projekt der Deutschen Schmerzgesellschaft in Kooperation mit der Barmer. Derzeit können also nur Patienten dieser Krankenkasse teilnehmen. Prof. Winfried Meißner von der Uniklinik Jena weist darauf hin, dass es bislang nur wenige medizinisch-therapeutische Angebote gibt für Menschen, die aufgrund ihrer Schmerz-Symptomatik nicht aus dem Beruf aussteigen möchten.
„Es sollte einen möglichst niederschwelligen Zugang mit möglichst wenig Wartezeiten geben. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Einrichtung für solche Angebote auch Personal haben muss. Das lohnt sich erst dann, wenn eine gewisse Anzahl von Patientinnen und Patienten an so einem Programm teilnehmen kann. Das ist so ein bisschen so Teufelskreis, zu wenig Patienten, dann sagen viele, das Programm lohnt sich für mich nicht.“
Janine Löchner geht es heute insgesamt besser. Auch ihrer Therapie war ein interdisziplinäres Assessment vorausgegangen. Während der Behandlung lernte sie, dass ihre chronischen Schmerzen nicht heilbar sind, sie aber leichter damit umgehen und wieder besser leben kann. Meditieren, Sport machen, die Schmerzen nicht so in den Mittelpunkt stellen – das habe ihr geholfen, sagt sie.
„Viel mehr Nein sagen. Und auch Grenzen setzen, nicht nur für sich selber Grenzen setzen, sondern auch für andere Grenzen setzen. Weil wer sagt denn, dass wir das alles so stemmen müssen. Wir müssen ja überhaupt nicht perfekt sein, wir können es ja auch einigermaßen machen und damit ist auch jeder zufrieden.“

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