Chuah Guat Eng: "Echos der Stille"

Blutiges Erbe

03:40 Minuten
Das Cover des Krimis von Chuah Guat Eng, "Echos der Stille". Es zeigt vor mehrfarbigen, strukturierten Hintergrund die Namen von Autor und Übersetzer sowie den Titel. Der Krimi ist auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.
© Wunderhorn

Chuah Guat Eng

Aus dem Englischen von Michael Kleeberg

Echos der Stille Wunderhorn, Heidelberg 2022

463 Seiten

28,00 Euro

Von Sonja Hartl |
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Die malaysische Autorin Chuah Guat Eng erzählt in „Echos der Stille“ von einem Mord auf einer Kautschukplantage und davon, wie sich die Kolonialgeschichte ihres Landes in eine Familiengeschichte eingeschrieben hat.
Im Jahr 1974 wurde die zukünftige Verlobte von Jonathan Templeton auf dessen Kautschukplantage im Distrikt Ulu Banir in Malaysia ermordet. Die Hintergründe der Tat wurden niemals aufgeklärt.
20 Jahre später verstirbt Jonathans Sohn Michael Templeton und macht seine damalige Geliebte Ai Lian zu seiner Nachlassverwalterin. Von seinem Nachlass verspricht sich Ai Lian endlich herauszufinden, was damals passiert ist. Denn sie ist sich sicher, dass Michael ihr damals nicht alles gesagt hat, was er weiß.

Von München nach Malaysia

Die Ich-Erzählerin Ai Lian geht in Chuah Guat Engs „Echos der Stille“ auf verschiedenen Zeitebenen auf Spurensuche und erzählt zunächst, wie Michael und sie sich in den 1970er-Jahren kennengelernt haben. Sie wurde in Malaysia geboren, ist mit 18 Jahren aber als Reaktion auf die Unruhen im Mai 1969 nach München gegangen. Dort trifft sie den zehn Jahre älteren Michael, Sohn eines englischen Plantagenbesitzers, der ebenfalls in Malaysia geboren wurde und sich im Gegensatz zu Ai Lian seinem Geburtsort eng verbunden fühlt.

Zwei Mord, zwei leergeschossene Magazine

Anlässlich der Verlobung von Michaels Vater sind sie gemeinsam auf dessen Plantage, als der Mord geschieht ­- und Ai Lian erfährt, dass es dort einen weiteren Mord gab: In den 1940er-Jahren wurde Jonathans erste Ehefrau ebenfalls erschossen.
Dopplungen bestimmen die Geschichte: Es gibt zwei Morde, zwei potentielle Tatwaffen, zwei tote Frauen, zwei junge Männer, die füreinander „wie Brüder“ sind, zwei Menschen, die im selben Land geboren sind und doch so unterschiedliche Leben und Sichtweisen haben.
Chuah Guat Eng ist sich dieser Dopplungen bewusst: „Nicht schon wieder zweimal das Gleiche“, lässt sie Ai Lian an einer Stelle denken: „Zwei Morde, zwei leergeschossene Magazine, zweimal rennende Füße und jetzt zwei Waffen. Das Ganze wurde zur Farce.“

Nachdrückliche Szenen aus der Kolonialgeschichte

Tatsächlich ist die Wahrheitssuche in diesem faszinierenden Roman der Aufhänger für eine viel kompliziertere Angelegenheit: den Versuch, Geschichte in Wort zu fassen. Durch Ai Lians Erinnerungen und Nachforschungen wird nach und nach deutlich, wie sich die Kolonialgeschichte Malaysias in die Familiengeschichten der Figuren des Romans eingeschrieben hat. Nicht nur die Hauptfiguren, auch die Nebenfiguren bekommen dichte, nachdrückliche Szenen, in denen diese Folgen klar werden.
Alle Figuren verbindet eine Unfähigkeit zur Kommunikation, die wichtigsten Dinge bleiben zu lange ungesagt. Letztlich wird Ai Lian herausfinden, wer für die Morde verantwortlich ist. Eine große Überraschung ist es nicht.
Aber es ist nicht diese eine Wahrheit, die „Echos der Stille“ so spannend macht. Es sind vielmehr die elegant erzählten, gelegentlich mit feiner Ironie versehenen Lebensgeschichten, Szenen und Geheimnisse, denen bei der Wahrheitssuche nachgegangen wird und die so viel über das Land erzählen.
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