Revolutionär des Rock'n'Roll
Die Beatles und die Rolling Stones spielten seine Stücke und Keith Richards bezeichnete sich wiederholt als seinen größten Fan: der US-Musiker Chuck Berry prägte den Stil zahlreicher Rockgitarristen. Seine eigene Karriere war jedoch ein stetes Auf und Ab. Nun wird die lebende Legende 90.
Charles Edward Anderson Berry, den sie Chuck nannten, war ein Kind der unteren schwarzen Mittelschicht aus St. Louis und das Leben hatte für ihn vorgesehen, entweder Zimmermann zu werden, wie sein Vater, oder Getto-Friseur. Aber Chuck Berry war auf Draht. Nachdem man ihn mit 15 wegen Raubüberfalls eingebuchtet hatte, fand er, es müsse eine andere Möglichkeit geben. Als Pförtner beim lokalen Radiosender kaufte er also einem Musiker eine E-Gitarre ab, brachte sich ein Jahr lang seinen persönlichen Gitarrenstil bei und startete dann 1955 aus dem Stand zum Höhenflug.
Chuck Berry hatte entdeckt, dass das Wesen des Rock'n'Roll der Generationskonflikt ist und dass jeder Mensch in seinem Leben diese mehr oder weniger rebellische Phase durchmacht. Also fing er an, in einer verballhornten Teenagersprache bildreich von Teenager-Problemen zu singen. Er beschrieb exakt die Frustrationsgefühle der Kids, die ihr wunderbares wertvolles Leben damit vertrödeln mussten, auf die Schulglocke zu warten.
Chuck hatte eine verschmitzte Böse-Buben-Stimme, machte auf der Bühne Spagate und lief in seinem berühmten Watschelgang rum, mit Bleistiftschnurrbart und klimpernden Lidern. Aber der Knaller war, was er dabei spielte: Er behandelte die Gitarre tatsächlich als gleichberechtigt zum Gesang, ließ sie kleine, kraftvolle Füllsel zwischen seine Textzeilen singen wie elektrifizierte Zwischenrufe der Teenager-Gospelgemeinde im Pubertätsgottesdienst!
Drei Jahren Knast beendeten Starkarriere erst einmal
Die Akkorde beschränkte er auf nüchterne Zweiklänge, aber im Solo zog er an den Saiten und ließ die Töne aufjaulen. Und so führte Chuck Berry im Alleingang die ganze Palette der E-Gitarrenstilistik ein, die fortan die Rockgitarristen als Grundlage nutzten.
Chuck Berry war ein toller Typ! Aber Ende '59 kriegte er Ärger: Da hatte er eine Apachenprostituierte aus El Paso in die USA gebracht, damit sie in seinem Nachtclub in St. Louis an der Garderobe die Hüte annahm. Angeblich war sie allerdings erst 14, und als er sie nach einer Schlägerei rausschmiss, ging sie zur Polizei und zeigte ihn an. Und als Berry dann nach drei Jahren wieder aus dem Knast rauskam, war seine Karriere als ganz großer Plattenstar erstmal vorbei.
Der lässige Typ war bitter geworden
Zwar hatte er jetzt in England Erfolg, wo die Beatles und Stones und unzählige dieser neuen Beatgruppen seine Stücke spielten - und das hielt sich bis in die frühen 70er, wo Berry als Rock-Idol und lebende Legende häufig im Fernsehen zu sehen war. Aber der Knast hatte den Mann verändert: Dieser lässige Typ, der in der Garderobe rumgejammt und Witze erzählt hatte, war bitter geworden. Und er wandte sich, wie er selbst sagte, seiner anderen Begabung zu, nämlich der fürs Kaufmännische.
Um Geld zu sparen, hielt er sich dann auch keine eigene Combo mehr, sondern spielte mit örtlichen Bands, mit denen er seine Hits meistens nicht mal richtig probte. Und so passierte es immer öfter, dass echte Musik-Fans nach seinen Konzerten sagten: "Das war Kack, Berry!" Ihn hat das aber nicht weiter gestört.