Cineastische Perlentaucher mit geringem Budget
Mit 148 Beiträgen aus 49 Ländern ist das Filmfest München das zweitgrößte Filmfestival Deutschlands nach der Berlinale. Highlights im diesjährigen Programm: ein Debüt über ein Deutschland, in dem das Wetter immer gut ist, aber sich Menschen nicht mehr berühren und Neues von Helge Schneider.
Preise, ja, die gibt es auch. Aber eigentlich interessieren sich die meisten nur für einen: den "Förderpreis Neues Deutsches Kino". Der wird morgen vergeben.
Alfred Holighaus: "Also insoweit ist schon klar: Es ist ein ganz klarer Fokus auf junges Kino, auf Kino, was junge Impulse gibt oder Impulse aufgenommen hat. Und das spiegelt sich auch schon im Programm wider, obwohl hier auch Regisseure sind, die schon mehrere Filme gemacht haben, wie zum Beispiel Lola Randl, die mit "Die Erfindung der Liebe" hier ist oder Helge Schneider, der ja nun auch schon ein paar Filme gemacht hat, aber nach zehn Jahren wieder ins Kino zurückgekehrt ist – für mich die Wiederentdeckung des Jahres und die ganz große freudige Wiederentdeckung übrigens."
Zum 31. Mal ist Alfred Holighaus zu Gast beim Filmfest München. Er hat also kein Jahr ausgelassen. Früher kam er als Leiter der Berlinale-Sektion "Perspektive Deutsches Kino", jetzt als Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie. Zum Ende dieser Filmfestivalausgabe wird nun das Raunen und Munkeln stärker, wer ihn denn nun morgen bekommt, den Förderpreis. Vielleicht Axel Ranisch nach dem Erfolg von "Dicke Mädchen" für sein neues Werk, den Coming-of-Age-Film "Ich fühl mich Disco"? Oder doch Frauke Finsterwalder für ihr Spielfilmdebüt "Finsterworld"? Auch der kam gut an. Es ist ein verstörender Blick in eine kleine deutsche Welt, in der die Sonne immer scheint, die Menschen sich aber immer fremd bleiben, sich nach Berührung und Kontakt sehnen, und nichts davon bekommen.
Finsterwalder: "Es war auch der Versuch, einen einerseits auch märchenhaften Film zu machen, aber einer, der sehr realistisch ist, weil uns eben auch beim Schreiben aufgefallen ist - weil wir viele deutsche Filme sahen - dass diese Art und Weise, wie Menschen da miteinander sprechen, sehr unrealistisch ist, weil dann immer Sachen kommen: 'Wir müssen mal reden.' Und dann wird geredet. Aber das entspricht meiner Meinung nach nicht der Realität."
Und so redet ein Paar in der Krise über die Banalitäten des Alltags statt über die Beziehung, oder ein Fußpfleger schabt in einem Altersheim die Hornhaut von den Füßen einer Patientin. Der Fußpfleger schafft damit die Metapher für den Film: Berührung ist nur in professionellem Rahmen möglich. Und Frauke Finsterwalder, die das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann geschrieben hat, dem Schriftsteller Christian Kracht, schabt mit "Finsterworld" die Verhornungen von den Menschen ab und legt die Abgründe darunter frei. Einer der wirklich interessanten filmischen Blicke in die deutsche Gesellschaft - auch durch die liebevoll überhöhte Absurdität der Dialoge und Szenen.
Filmausschnitt Finsterworld: Dieses Fidereralla. Kann nicht aufhören, es zu sagen. Man kann nicht aufhören, es zu sagen.
Ein großer Name hat den Auftakt fürs Festival gegeben: Caroline Link. Aber ihr Film "Exit Marrakesch" ist bei der Kritik ziemlich einhellig durchgefallen. Es sind eher die anderen Entdeckungen, die begeistern. Mit viel Enthusiasmus graben die Programmmacher aktuelle Filmperlen aus, in Deutschland, aber auch im Ausland. Nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass das Festival mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro auskommen muss – dem eines Tatorts, wie die Festivalchefin Diana Iljine zum Auftakt erzählt hat. Damit liegt München noch hinter Wien und Edinburgh, angeblich sogar hinter dem Festival in Ouagadougou in Burkina Faso.
Stars sind da handverlesen: Michael Caine ist in diesem Jahr Ehrengast und stellt sich gut gelaunt dem Publikum. Programmmacher Robert Fischer macht die Einführung. Er macht seit 1956 Filme, erklärt er. Seit 57 Jahren. Das stimmt, witzelt Michael Caine: Und dabei bin ich erst 58. In dieser Zeit hat er in 150 Filmen gespielt, fährt Robert Fischer fort. Das sind fast drei pro Jahr. Wie Michael Caine das macht, will er wissen.
Nun, man spielt ganz kleine Rollen, sagt der britische Schauspieler.
"Als ich jung war, habe ich drei Filme pro Woche geschafft. Ich hatte nämlich nur jeweils einen Drehtag. Wenn ich mir im Internet Filmtitel ansehe, kann ich mich selber manchmal nicht daran erinnern, dass ich da mitgespielt habe. Ich war häufig der Butler, der reinkam und sagte: Das Essen ist fertig. Oder der Polizist, der am Ende den Gangster gefangen nimmt, nachdem der Held ihn gefunden hat. Ich habe nur in ungefähr 80 Filmen die Hauptrolle gespielt."
Auch dieses "Nur" ist Cainesches Understatement. Immerhin war er für "Der Stille Amerikaner" für einen Oscar nominiert und hat für "Hannah und ihre Schwestern" das britische Äquivalent, den BAFTA, gewonnen.
Das Filmfest ehrt die Legenden - und fördert das Junge beziehungsweise öffnet sich für neue Trends. Mittlerweile gibt es auch ein Games-Special, also eine Reihe, in der Computerspiele und Spielfilme zusammenfinden, sowie ein Fernsehserienspecial, in der neue amerikanische Qualitätsserien gezeigt werden. Auch Frank Spotnitz ist zu Gast, Produzent und führender Drehbuchautor bei der Erfolgsserie X-Files. Er erzählt vor Fachpublikum, wie amerikanische Drehbuchautoren arbeiten - und ermutigt die Deutschen, auch über den Tellerrand hinauszuschauen.
Die USA kaufen inzwischen Serien, die in Europa produziert werden, sagt Spotnitz.
"Das ist neu. Das wäre vor fünf Jahren noch nicht passiert. Aber sie müssen in Englisch gedreht werden. Das ist so. Der amerikanische Markt ist noch immer der größte der Welt, aber die Zuschauer gucken keine Untertitel. Du musst das dann wieder ins Deutsche, Französische oder Italienische übertragen. Das ist der Preis, den du zahlst. Aber dafür gibt's ein großes Budget und man kann international mithalten."
Vielleicht ist dann bei einer der Reihen im Programm in den nächsten Jahren auch mal ein großer internationaler Hit dabei: in der Sektion "Neues Deutsches Fernsehen". Träumen muss ja erlaubt sein.
Mehr Informationen auf der Website des Filmfestes
Alfred Holighaus: "Also insoweit ist schon klar: Es ist ein ganz klarer Fokus auf junges Kino, auf Kino, was junge Impulse gibt oder Impulse aufgenommen hat. Und das spiegelt sich auch schon im Programm wider, obwohl hier auch Regisseure sind, die schon mehrere Filme gemacht haben, wie zum Beispiel Lola Randl, die mit "Die Erfindung der Liebe" hier ist oder Helge Schneider, der ja nun auch schon ein paar Filme gemacht hat, aber nach zehn Jahren wieder ins Kino zurückgekehrt ist – für mich die Wiederentdeckung des Jahres und die ganz große freudige Wiederentdeckung übrigens."
Zum 31. Mal ist Alfred Holighaus zu Gast beim Filmfest München. Er hat also kein Jahr ausgelassen. Früher kam er als Leiter der Berlinale-Sektion "Perspektive Deutsches Kino", jetzt als Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie. Zum Ende dieser Filmfestivalausgabe wird nun das Raunen und Munkeln stärker, wer ihn denn nun morgen bekommt, den Förderpreis. Vielleicht Axel Ranisch nach dem Erfolg von "Dicke Mädchen" für sein neues Werk, den Coming-of-Age-Film "Ich fühl mich Disco"? Oder doch Frauke Finsterwalder für ihr Spielfilmdebüt "Finsterworld"? Auch der kam gut an. Es ist ein verstörender Blick in eine kleine deutsche Welt, in der die Sonne immer scheint, die Menschen sich aber immer fremd bleiben, sich nach Berührung und Kontakt sehnen, und nichts davon bekommen.
Finsterwalder: "Es war auch der Versuch, einen einerseits auch märchenhaften Film zu machen, aber einer, der sehr realistisch ist, weil uns eben auch beim Schreiben aufgefallen ist - weil wir viele deutsche Filme sahen - dass diese Art und Weise, wie Menschen da miteinander sprechen, sehr unrealistisch ist, weil dann immer Sachen kommen: 'Wir müssen mal reden.' Und dann wird geredet. Aber das entspricht meiner Meinung nach nicht der Realität."
Und so redet ein Paar in der Krise über die Banalitäten des Alltags statt über die Beziehung, oder ein Fußpfleger schabt in einem Altersheim die Hornhaut von den Füßen einer Patientin. Der Fußpfleger schafft damit die Metapher für den Film: Berührung ist nur in professionellem Rahmen möglich. Und Frauke Finsterwalder, die das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann geschrieben hat, dem Schriftsteller Christian Kracht, schabt mit "Finsterworld" die Verhornungen von den Menschen ab und legt die Abgründe darunter frei. Einer der wirklich interessanten filmischen Blicke in die deutsche Gesellschaft - auch durch die liebevoll überhöhte Absurdität der Dialoge und Szenen.
Filmausschnitt Finsterworld: Dieses Fidereralla. Kann nicht aufhören, es zu sagen. Man kann nicht aufhören, es zu sagen.
Ein großer Name hat den Auftakt fürs Festival gegeben: Caroline Link. Aber ihr Film "Exit Marrakesch" ist bei der Kritik ziemlich einhellig durchgefallen. Es sind eher die anderen Entdeckungen, die begeistern. Mit viel Enthusiasmus graben die Programmmacher aktuelle Filmperlen aus, in Deutschland, aber auch im Ausland. Nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass das Festival mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro auskommen muss – dem eines Tatorts, wie die Festivalchefin Diana Iljine zum Auftakt erzählt hat. Damit liegt München noch hinter Wien und Edinburgh, angeblich sogar hinter dem Festival in Ouagadougou in Burkina Faso.
Stars sind da handverlesen: Michael Caine ist in diesem Jahr Ehrengast und stellt sich gut gelaunt dem Publikum. Programmmacher Robert Fischer macht die Einführung. Er macht seit 1956 Filme, erklärt er. Seit 57 Jahren. Das stimmt, witzelt Michael Caine: Und dabei bin ich erst 58. In dieser Zeit hat er in 150 Filmen gespielt, fährt Robert Fischer fort. Das sind fast drei pro Jahr. Wie Michael Caine das macht, will er wissen.
Nun, man spielt ganz kleine Rollen, sagt der britische Schauspieler.
"Als ich jung war, habe ich drei Filme pro Woche geschafft. Ich hatte nämlich nur jeweils einen Drehtag. Wenn ich mir im Internet Filmtitel ansehe, kann ich mich selber manchmal nicht daran erinnern, dass ich da mitgespielt habe. Ich war häufig der Butler, der reinkam und sagte: Das Essen ist fertig. Oder der Polizist, der am Ende den Gangster gefangen nimmt, nachdem der Held ihn gefunden hat. Ich habe nur in ungefähr 80 Filmen die Hauptrolle gespielt."
Auch dieses "Nur" ist Cainesches Understatement. Immerhin war er für "Der Stille Amerikaner" für einen Oscar nominiert und hat für "Hannah und ihre Schwestern" das britische Äquivalent, den BAFTA, gewonnen.
Das Filmfest ehrt die Legenden - und fördert das Junge beziehungsweise öffnet sich für neue Trends. Mittlerweile gibt es auch ein Games-Special, also eine Reihe, in der Computerspiele und Spielfilme zusammenfinden, sowie ein Fernsehserienspecial, in der neue amerikanische Qualitätsserien gezeigt werden. Auch Frank Spotnitz ist zu Gast, Produzent und führender Drehbuchautor bei der Erfolgsserie X-Files. Er erzählt vor Fachpublikum, wie amerikanische Drehbuchautoren arbeiten - und ermutigt die Deutschen, auch über den Tellerrand hinauszuschauen.
Die USA kaufen inzwischen Serien, die in Europa produziert werden, sagt Spotnitz.
"Das ist neu. Das wäre vor fünf Jahren noch nicht passiert. Aber sie müssen in Englisch gedreht werden. Das ist so. Der amerikanische Markt ist noch immer der größte der Welt, aber die Zuschauer gucken keine Untertitel. Du musst das dann wieder ins Deutsche, Französische oder Italienische übertragen. Das ist der Preis, den du zahlst. Aber dafür gibt's ein großes Budget und man kann international mithalten."
Vielleicht ist dann bei einer der Reihen im Programm in den nächsten Jahren auch mal ein großer internationaler Hit dabei: in der Sektion "Neues Deutsches Fernsehen". Träumen muss ja erlaubt sein.
Mehr Informationen auf der Website des Filmfestes