Diese ganzen Veranstaltungen sind in der Regel auf unseren Markt und auf unsere Nachbarschaftsmärkte fokussiert. Jetzt haben wir zum ersten Mal gesagt: Nein, in dieser Phase geht es darum, Beispiele, Visionen aus aller Welt zusammenzubringen.
Konferenz Cinema Vision 2030
Wieder geschlossen: Arthousekinos wie das Delphi in Stuttgart leiden besonders unter der Krise. © picture alliance / Eibner-Pressefoto / Weber
Corona, Krise, Zuversicht
Die Lage ist weiterhin katastrophal für die deutschen Kinos, immer noch liegen die Zuschauerzahlen 40 Prozent unter denen vor der Pandemie. Das trifft besonders Programmkinos, weil Ältere die Säle meiden. Christian Berndt über Kino in Coronazeiten.
In Berlin kündigt Carlo Chatrian, der künstlerische Leiter der Berlinale, „Axiom“ an. Der deutsche Spielfilm läuft im Rahmen der zweiten Sommer-Berlinale, das Open-Air-Kino Schloss Charlottenburg ist gut gefüllt.
Bereits 2021 sollte der Open-Air-Event zum Zugpferd werden, um die Zuschauer nach dem Lockdown wieder in die Kinos zu locken. Darauf hofft man auch dieses Mal.
Der Kartenverkauf läuft schon mal gut, sagt Chatrian: "Wir sind sehr zufrieden. Darüber hinaus, Freiluftkino plus Berlinale machen etwas Neues für Berlin, aber das Ziel ist, die Verleiher und das Kino zu unterstützen."
Die deutschen Kinos haben es bitternötig. Die verzweifelte Frage, wie man die Leute wieder ins Kino zurückbringt, war nun das Thema von Cinema Vision 2030, einer Konferenz zur Zukunft des Kinos im Berliner Filmtheater International.
Visionen aus aller Welt
Deutsche Kinoverbände hatten 20 Expertinnen und Experten aus zehn Ländern – von China bis zu den USA – eingeladen. In der größten Krise der Kinogeschichte, so der Vorstandsvorsitzende der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater, Christian Bräuer, braucht es eine solche Konferenz:
Kino als kultureller und sozialer Treffpunkt
Von einer Idee aus den USA erzählte Sarah Pitre von der unabhängigen Kinokette Alamo-Drafthouse. Dort trieben die Zuschauer bei einer Open-Air-Vorführung von „Der weiße Hai“ in Schlauchbooten auf dem Wasser. Taucher stießen von unten die Boote an, um das Publikum zu erschrecken.
Obwohl viele amerikanische Filmtheater in der Pandemie schließen mussten, so Pitre, ist das Kino dort nach wie vor ein wichtiger kultureller und sozialer Treffpunkt. Das war auch eines der zentralen Themen der Konferenz – das Kino als gesellschaftlichen Ort zu erhalten.
Wie lassen sich die Jungen zurückgewinnen?
Valerio Carocci gehört zu einer Gruppe junger Kino-Enthusiasten, die nach jahrelangen Kämpfen mit den Behörden ein neues Programmkino in Rom eröffnen konnten. In Italien, so Carocci, habe man vergessen, dass das Kino einmal eine Begegnungsstätte war.
Das Kino spielt bis drei Uhr nachts und ist Teil eines eigens geschaffenen öffentlichen Ortes – einschließlich Bibliothek –, der 24 Stunden am Tag geöffnet ist. Hier gelingt, was eine andere große Frage der Konferenz war: Wie lässt sich das vom Kino entwöhnte junge Publikum zurückgewinnen?
Dazu gab es einige Ideen wie die Initiative aus der Gamer-Szene, Videospiel-Events in Kinosäle zu bringen. Die britische Event Cinema Association organisiert Konzertübertragungen in Kinos – unter anderem mit K-Pop.
Ideen gegen das Verschwinden
Zwar geht es dabei, so Geschäftsführerin Grainne Clarke, erst mal nicht um Filme. Aber 70 Prozent der Besucher solcher Events würden danach auch ins Kino gehen.
Die Kinos sollten sich, so die Idee, von jungen Leuten den Community-Gedanken abschauen und in sozialen Medien werben, um Kino-Fangruppen zu erzeugen.
Event – so wird in vielen Beiträgen der Konferenz deutlich – erscheint als zentraler Rettungsanker fürs Kino. Das sehen manche, wie Christine Müh vom Kommunalen Kino Pforzheim, auch kritisch:
„Das ist eine Befürchtung oder Frage, die ich auch mitgenommen habe: Wie schaffen wir es, dass der Film nicht verschwindet hinter dem ganzen Dining und Musik im Vorprogramm und hier noch was und haste nicht gesehen.“
Im Verbund geht alles leichter
Dagegen gibt es in den Niederlanden ein bemerkenswert erfolgreiches Projekt ganz anderer Art. 2008, so Frank Groot, der Vorsitzende des Programm-Kinoverbundes Cineville, haben die Programmkinos in Amsterdam festgestellt, dass das Arthousefilm-Publikum immer älter wird.
Daraus entstand die Idee, „Cineville“ zu gründen: Statt sich Konkurrenz zu machen, sollten die Programmkinos zusammenarbeiten. Man entwickelte ein gemeinsames Abo-System. Filme, meint Groot, lassen sich im Verbund besser koordinieren und kleine, sperrige Filme leichter unterbringen.
Für die Programmleiterin des Amsterdamer Filmmuseums Eye, Mila Schlingemann, hat Cineville das Arthouse-Kino in Holland spektakulär wiederbelebt. Seit Cineville existiere, sei das Publikum sichtlich gewachsen.
Cineville habe es geschafft, eine Community von Filmliebhabern zu erzeugen, die auch immer mehr Jüngere anzieht – ganz ohne K-Pop. Allein das macht schon Hoffnung, auch fürs deutsche Kino.