City of Birmingham Symphony Orchestra

Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Werke von Chin und Beethoven

Die Dirigentin ist bei der Arbeit mit wilder Geste und fliegenden Haaren zu sehen.Porträt d
Mit Energie gehen Mirga Gražinytė-Tyla und das City of Birmingham Symphony Orchestra in das Konzert voller Jubiläen. © Mirga Gražinytė-Tyla / Benjamin Ealovega
Moderation: Elisabeth Hahn |
Am 8. März präsentieren wir ein Konzert, das gleich drei Ereignisse feiert: Den Frauentag mit einer jungen Komponistin und Dirigentin, den 100. Geburtstag des City of Birmingham Symphony Orchestra und den 250. Geburtstag von Beethoven.
Am Internationalen Frauentag präsentiert Deutschlandfunk Kultur ein Konzertprogramm, in dem die Frauen eine führende Rolle spielen.
Eröffnet wird das Konzert mit einem zeitgenössischen Werk von der Komponistin Unsuk Chin. Es spielt das City of Birmingham Symphony Orchestra unter der Leitung seiner Chefdirigentin Mirga Gražinytė-Tyla. Die litauische Dirigentin bedenkt in diesem Konzert auch den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven – hier mit zwei Sinfonien, die nicht allzu oft im Rampenlicht stehen, nämlich die Nr. 2 und Nr. 4.

Auftragswerk für Komponistin

"Spira" – so heißt das Konzert für Orchester von der schon seit Langem in Berlin lebenden südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin. In der laufenden Saison ist sie Composer in Residence beim NDR Elbphilharmonieorchester Hamburg – und in Hamburg wurde sie auch 2019 als Mitglied in die Freie Akademie der Künste aufgenommen.
Porträt der Komponistin, die vor einem Spiegel steht.
Die südkoreanische Komponistin Unsuk Chin.© pa/dpa/Knabe
Den Titel "Spira" kann man wohl am ehesten übersetzen mit "Spule" oder "Windung". Manchmal spielt das Orchester als eine Einheit, dann wieder erklingen einzelne Stimmgruppen oder Solisten. Ihre Inspiration sucht Chin auch im biologischen Wachstumsprozess.

Vibrationen als Klangquelle

Der Klang von zwei beiden Vibraphonen zu Beginn bildet die "Urzelle", aus dem die Musik wächst: "Diese Vibration der Vibraphone ist das Ausgangsmaterial. Das wird dann mal schneller und mal langsamer, die Vibration verändert sich also. All das, was die anderen Musiker spielen, geht auf dieses Ausgangsmaterial zurück. Beim ersten Hören klingt es vielleicht ziemlich kompliziert und wie ein Labyrinth. Aber wenn man die Partitur sieht oder das Stück zwei oder drei Mal gehört hat, ist es eigentlich ziemlich klar."
Das Werk ist als Konzert für Orchester konzipiert. "Deswegen müssen auch alle Musiker ihr Bestes geben und sie müssen versuchen, über die eigene Grenze zu gehen."
Am 5. April 2019 wurde das Konzert für Orchester in Los Angeles uraufgeführt – damals auch mit Mirga Gražinytė-Tyla am Pult. "Spira" ist eine Auftragskomposition von mehreren internationalen Orchestern, unter anderem vom NDR Elphilharmonieorchester, dem Orchestre de Paris und dem City of Birmingham Symphony Orchestra.

Erstaunliche Karriere

Mirga Gražinytė-Tyla ist eine der wenigen Chefdirigentinnen weltweit. Die Geschlechtergerechtigkeit ist im klassischen Musikbetrieb noch lange nicht dort angekommen, wo sie sein sollte. Aber immerhin: Das Blatt wendet sich allmählich, Mirga Gražinytė-Tyla ist dabei für viele junge Dirigentinnen ein Vorbild.
Nach dem Chor- und Orchesterdirigierstudium in Graz, Bologna, Leipzig und Zürich wurde die internationale Musikwelt 2012 auf sie aufmerksam, als sie bei den Salzburger Festspielen den Preis für Nachwuchsdirigenten bekam.
Porträt der Dirigentin vor weißem Hintergrund. 
Seit 2016 ist sie Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra.© Mirga Gražinytė-Tyla / Frans Jansen
Es folgten Engagements beim Gustav Mahler Jugendorchester und eine Assistenz beim Los Angeles Philharmonic – mit überwältigendem Erfolg beim Orchester und beim Publikum. Den Chefposten am City of Birmingham Symphony Orchestra hat sie seit 2016 inne, da war sie gerade einmal 29 Jahre. Sie setzt sich ganz besonders für vergessene Komponistinnen und Komponisten ein und für die Musik aus dem Baltikum.

Namensergänzung

Ihrem Familiennamen Gražinytė hat sie den Beinamen Tyla hinzugefügt. Das ist litauisch und bedeutet Stille oder Schweigen. Dieser Künstlername erstaunt – denn wenn man die junge Dirigentin erlebt, dann strahlt sie das Gegenteil aus: nämlich Lebendigkeit und ein sprühendes Temperament.

Heiterkeit gebrochen

Ludwig van Beethoven schrieb seine 2. Sinfonie in den Jahren 1801 und 1802. Das zeitgenössische Publikum reagierte zum Teil verstört. Als "crasses Ungeheuer" wurde diese Musik bezeichnet, als "zu bizarr, wild und grell". Diese Kritik können wir heute nicht mehr wirklich nachempfinden – in unseren Ohren klingt diese Musik eher heiter und unbeschwert – vor allem, wenn man die nachfolgenden Sinfonien von Beethoven kennt.
Illustration Beethovens, der entschlossen einen Stift in der Hand hält, um zu komponieren.
Beethoven in Heiligenstadt, Beethoven, der sich von seiner aufkommenden Gehörlosigkeit nicht bremsen lassen will.© imago images / Cola Images
Trotzdem: auch in der 2. Sinfonie gibt es dynamische und rhythmische Kontraste, brodelnde Unruhe und eine ungeheure Energie. Längst hatte sich Beethoven von seinem Lehrer Haydn entfernt, der vor allem den Ausgleich in der Musik gesucht hatte.

Romantischer Vorbote

"In der 4. Sinfonie gibt es etwas, dass ich nicht anders bezeichnen kann als ein Geheimnis. Sie hat vielleicht sogar mehr Wärme und mehr Liebe in sich.", meint Mirga Gražinytė-Tyla. Auch wenn die 4. Sinfonie überwiegend heiter wirkt, birgt sie große Widersprüche und Brüche. Das Spiel mit den Extremen, der Wechsel zwischen Licht und Schatten und ein vertrackter Rhythmus prägen dieses Werk. Hier und da möchte man Anklänge an die aufkommende Romantik hören.
Aufzeichnung des Konzertes vom 30. Januar 2020 in der Symphony Hall, Birmingham
Unsuk Chin
Spira – Concerto for Orchestra
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60

City of Birmingham Symphony Orchestra
Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla

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