Auf der Suche nach der ersten deutschen Frau fürs All
Auf eine deutsche Astronautin muss das Weltall bis heute warten. Doch das soll sich ändern - dank einer Ausschreibung von "Woman in Aerospace". Eine der treibenden Kräfte ist die Ingenieurin für Luft- und Raumfahrt Claudia Kessler.
Internationale Luftfahrtausstellung in Berlin - Halle vier, die Raumfahrthalle. Eine Männerwelt. Überall dunkle Anzüge und Fliegeruniformen. Nur einen Raum weiter: eine Diskussionsveranstaltung. Thema "Innovation for Exploration! A Bridge for the future" – eine Brücke in die Zukunft .
Auf dem Podium – fünf Frauen.
"First of all let me welcome Brigitte Zypries..."
Brigitte Zypries, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und für Luft- und Raumfahrt zuständig. Auch Nasa-Chefin Dava Newman ist angereist. Ebenso Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzender des DLR, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
"And last but not least, Claudia Kessler, CEO HE Space."
Warum hinkt Deutschland so weit hinterher?
Und mittendrin, Claudia Kessler, klein, zart, blondgelockt, strahlend. Es geht um die Rolle der Frau in der Raumfahrt – und warum Deutschland da so weit hinterherhinkt.
Claudia Kessler will in ein paar Jahren die erste deutsche Astronautin auf die ISS schicken. Sie will die Frauen, die es in der Raumfahrtbranche gibt, sichtbar machen.
Und Claudia Kessler selber?
"Ich bin schon schwerelos...ganz klar!" (lachen)
Sie strahlt. Dieser Tag ist ein Erfolg. Sie strahlt und lacht überhaupt sehr viel. Und das ist nicht aufgesetzt – es erreicht die Augen. Aber es ist auch eine sehr elegante Art, Zähne zu zeigen und zwischen all den Männern nicht unterzugehen:
"Naja, ich bin halt laut und auffällig und stell mich halt immer vorne hin. Und wenn mich keiner sieht, dann stell ich mich halt auf einen Stuhl, damit ich gesehen werde. Das hab ich auch schon oft gemacht. Das ist aber auch das, was ich den Frauen sage. Ihr müsst euch selber auch sichtbar machen. Es kommt keiner und findet euch hinten im Eck. Sondern man muss einfach raus. Man muss sich zeigen, man muss... ja, auch auffällig sein."
Auf Außenwirkung bedacht
Claudia Kessler macht das auch über Kleidung:
"Gestern hatte ich ein rotes Jackett an und am Abend ein oranges, das ist schon so, man muss sich sichtbar machen. Aber wir haben das auch gemerkt, als wir 'Women in Aerospace' gestartet haben, und plötzlich mal drei oder vier Frauen zusammen gestanden haben bei Veranstaltungen. Dann kamen die Männer schon und sagten, 'ja ist das jetzt wieder so dieses Frauending'. Also das hat sofort, sobald man nur eine kleine Menge zusammengebracht hat, damals vor fünf bis sechs Jahren schon eine unheimliche Außenwirkung gehabt."
Dabei haben die Männer gar keinen Grund zur Sorge:
"Das Ziel ist nicht, dass wir sagen, alle Frauen sind supertoll und viel besser als Männer, sondern dass es einfach normal ist."
So wie in den USA – wo Astronautenteams immer zur Hälfte auch aus Frauen bestehen. Die 52-Jährige will Gleichberechtigung im Weltraum. Daran arbeitet sie von ihrem Büro in Bremen aus.
Adresse – Flughafenallee – das kann nur ein Kompromiss sein:
"Ja eigentlich sollte es Raumfahrtallee heißen."
Immerhin ist das Büro im 4. Stock. Ganz oben.
"Ich genieße es schon, den Blick über den Flughafen: Je weiter oben, desto besser! Ist schon immer so."
Die Erde von oben sehen als Jugendtraum
Kessler ist Geschäftsführerin der deutschen Niederlassung des Unternehmens Hernandez Engineering Space, kurz HE Space auf deutsch, einer Zeitarbeitsfirma für Raumfahrt. Seit sie mit vier Jahren vom Sofa aus, im oberbayerischen Mühlbach am Inn, mit ihrer Familie die Mondlandung gesehen hat, möchte sie auch dorthin. Die Erde von oben sehen. Und der Weg dahin – schien möglich. Gerade weil viele ihr das nicht zugetraut haben:
"Ja, und das ist der größte Motivator, den sie sich vorstellen können!"
Der Trotzkopf-Faktor. Mathe und Physik- Leistungskurs. Studium an der TU-München mit Schwerpunkt Luft -und Raumfahrt. Als die ESA Astronauten suchte, bewarb sie sich. Hatte aber noch nicht zu Ende studiert:
"Da war die Tür dann ganz fest zu, ich hab dann noch einen Brief an den Forschungsminister Riesenhuber geschrieben."
Aber keine Chance:
"Danach habe ich dann einfach gedacht, ich mach immer irgendwas, was mit Astronauten und mit astronautischer Raumfahrt zu tun hat."
Ganz nah an den Mir-Missionen
Und das hat ganz gut geklappt. Sie war für die ersten Deutschen Mir-Missionen zuständig. In Baikonur. Ganz nah dran.
"Ich habe mir so einen Anorak aus so einer Silberfolie gekauft - es hatte da Minus 20 Grad in Baikonur und hab immer noch allen erzählt: 'Wartet es ab, am Schluss sitze ich in der Kapsel und nicht der Astronaut.'"
Wenn Claudia Kessler Vorträge vor Männern hält, dann endet sie gerne so: "Irgendwann werden wir weiter fliegen als bis zum Mond, und mit anderen Außerirdischen zu tun bekommen – nicht nur mit Frauen." Was ist schlimmer?" - fragt sie dann mit ihrem Strahlelächeln. Und die Männer?
"Ohja - die lächeln dann halt."
Aber meistens etwas gequält.