Clemens Berger: "Der Präsident"
Residenz Verlag, Wien/Salzburg 2020
335 Seiten, 24 Euro
Ein Schelmenroman aus dem alten Amerika
05:37 Minuten
Clemens Berger erzählt in "Der Präsident" von einem Polizisten, der dem amtierenden Ronald Reagan zum Verwechseln ähnlich sieht. Als der Doppelgänger beginnt, sich in die Politik einzumischen, wird es heikel - und amüsant.
Ein Schelmenroman aus dem alten Amerika: 1981 meldet ihn seine Frau heimlich zu einem Doppelgänger-Wettbewerb an – und er wird ausgewählt unter 179 Bewerbern. Der Polizist Jay Immer ist zwar 15 Jahre jünger als Präsident Reagan, sieht ihm aber zum Verwechseln ähnlich.
Der Sohn von Einwanderern aus dem Burgenland hatte nie von einem anderen Leben geträumt, war froh mit seinem Haus und seinem Garten, seiner Frau und seinem Beruf, aber er lässt sich neugierig ein auf eine Doppelgänger-Existenz, die ihm Geld und Vorteile verschafft.
Eine Agentur vermarktet ihn. Er wird für Autohauseröffnungen und Werbe-Fotoshootings gebucht, kommt in der Welt herum, darf Business fliegen. Ein ungewohntes und interessantes Leben, jedenfalls so lange Reagan beliebt ist.
Später muss Jay schon mal den Kopf einziehen, weil ihn Eier treffen, die eigentlich dem Amtsinhaber gelten. "Ich bin ein Polizist, der einen Schauspieler spielt, der einen Präsidenten spielt."
Eine ausnehmend glückliche Familie
Bergers Romanheld verkörpert den Präsidenten jedenfalls so gut, dass er irgendwann beginnt, dessen Entscheidungen in Frage zu stellen. Jay nimmt Videos auf, in denen er Begnadigungen ausspricht, sich einsetzt für entlassene Fluglotsen und Ende der 1980er-Jahre zum Umweltaktivisten wird. Dieser Teil dieses amüsanten und klugen Romans ist gut konstruierte Fiktion.
Einen Reagan-Doppelgänger aus dem Burgenland hat es übrigens wirklich gegeben. Clemens Berger ist bei Recherchen über Auswanderer auf ihn gestoßen und hat diesem Mann, der in Wahrheit anders hieß und anders handelte, ein überzeugendes literarisches Denkmal gesetzt.
Wie man damit lebt, auszusehen wie ein anderer und wie man daraus Kapital schlagen kann, darum geht es einerseits in diesem Roman; andererseits geht es aber auch um die Geschichte einer Einwandererfamilie, um eine ausnehmend glückliche Ehe und ein berührendes Ende.
Ein Gorbatschow-Doppelgänger
Nicht zuletzt erzählt "Der Präsident" von der Freundschaft zwischen dem Helden und einem Gorbatschow-Doppelgänger. Der begreift seinen Job zwar ganz anders, ist aber auch für Aktionen gegen den Klimawandel zu gewinnen.
Von ihm lässt sich sogar Donald Trump täuschen, der da noch nichts anderes ist als ein eitler Baulöwe und beglückt aus seinem Trump Tower tritt, als der vermeintliche Gorbatschow dort einen Kurzstopp einlegt. Als Trump nach diesem Täuschungsmanöver im Fernsehen befragt wird, reagiert die Frau des Helden hellsichtig: "Donald Duck wäre mir lieber, sagte Lucy".