Clemens Meyer: "Stäube"
Faber & Faber, Leipzig 2021
128 Seiten, 20 Euro
Die Faszination des Unterirdischen
14:11 Minuten
In seinem Erzählband "Stäube" nimmt Clemens Meyer seine Leser mit unter Tage. Von der Erdoberfläche zu verschwinden, habe ihn als Metapher gereizt, erzählt Meyer. In drei Geschichten geht es buchstäblich und im übertragenen Sinne in den Untergrund.
Drei Erzählungen finden sich in Clemens Meyers neuem Buch "Stäube". In den Erzählungen geht es um Menschen in einer Unterwelt. Darunter ist ein Mädchen, dass durch ein verlassenes Bergwerk irrt oder in der Erzählung "Dem Grund zu" kriecht ein verletzter Höhlenforscher unter Tage durch ein Labyrinth.
Von der Erdoberfläche verschwinden
Die Geschichte des verletzten Höhlenforschers erinnert auch an einen Traum. Der Forscher erlebt Tagträume, driftet ab in Erinnerungen, die sich dann mit literarischen Momenten mischen. Heinrich von Ofterdingen, eine Figur des romantischen Dichters Novalis, und auch eine sagenhafte Kupferkönigin treten in diesen Träumen auf.
"Mich hat immer interessiert, eine Figur zu erschaffen, die von Kindheit an nicht Raumfahrer oder Pilot werden wollte, sondern den Weg unter die Erde sucht. Von der Erdoberfläche zu verschwinden und immer weiter ins Dunkle hineinzugehen, das hat auch etwas Metaphorisches - quasi zu fliehen", sagt Meyer.
Die Anregung zu dieser Geschichte bekam Meyer durch einen Zeitungsartikel. Darin ging es um einen Höhlenforscher, der unter Tage in Not geriet und dem durch eine Rettungsaktion geholfen wurde. "Als Schreibender guckt man ja immer auf die Wirklichkeit und fragt sich, was sich davon literarisch bearbeiten lässt", sagt Meyer. "Und, dass da ein Mensch unter Tage in einem Tunnel steckt und seine Vergangenheit zieht da an ihm vorüber, das erschien mir gestaltungswürdig."
Die eigene Heimat wird fremd
Es habe lange gedauert, bis er eine Form für diese Geschichte gefunden hat, sagt Meyer. Zunächst habe er die Idee zu dieser Erzählung seinen Studenten am Literarischen Institut in Leipzig angeboten. Er hatte sie auf einem Zettel notiert und an eine Pinnwand gehängt. Einige Zeit später habe jemand handschriftlich daruntergeschrieben: "Nee, danke. Lieber nicht." Und so hat er sie dann doch selbst verarbeitet.
Dieser traumartigen Geschichte stellt Meyer in seinem Band zwei weitere Geschichten zur Seite, in denen es ebenfalls um die Welt unter Tage geht. Diese Erzählungen spielen aber in der sehr realen Welt mitteldeutscher Tagebaulandschaft. Meyer beschreibt darin, wie den Menschen die Landschaft ihrer Heimat fremd wird und wie sie die Dörfer, in denen sie aufgewachsen sind, durch den Tagebau verlieren.