Ein Fest der frommen Fußballliebe
Erst beten sie das Vaterunser, dann treten sie gegeneinander an. Am Clericus Cup im Vatikan nehmen angehende Geistliche teil. Wer foult, erhält eine grüne Karte und muss maximal fünf Minuten raus. Sport und Frömmigkeit sollen sich bei den Spielen vereinen.
Schreien, um sich gegenseitig Mut zu machen, und dann das Vaterunser. Zwei Mannschaften von je elf Mann stehen sich auf dem grünen Bolzplatz gegenüber. Im Hintergrund des Fußballgrüns erhebt sich Michelangelos gigantische Kuppel der Peterskirche in die Höhe. Und dann pfeift der Schiedsrichter das Spiel an.
Beim Viertelfinale standen sich unter anderem die Mannschaft der Päpstlichen Hochschule Gregoriana und das spanische Priesterkolleg gegenüber. Letztere hatten zwar die lautesten „tifosi", wie man leidenschaftliche Fußballfans in Italien nennt, verloren aber 0:3 gegen die Studentenmannschaft der Gregoriana.
Im vatikanischen Fernsehen wurde dieses Spiel, wie auch alle anderen des Viertel- und später auch des Halbfinales, ausgestrahlt und kommentiert; allerdings nicht mit dem typischen Schnellsprech- und Schreistil italienischer Fußballkommentatoren, sondern in eher gesetzten Tönen.
Beim Clericus Cup geht es anders als beim üblichen Fußball zu. So wird zum Beispiel vor jedem Spiel ein Gebet gesprochen. Rote und gelbe Karten gibt es nicht. Wenn, was sehr selten vorkommt, gefoult wird, zieht der Schiedrichter eine grüne Karte. Der Spieler muss dann in der Regel für maximal fünf Minuten auf die Bank.
Der Clericus Cup ist die katholische Fußballweltmeisterschaft in Rom, die alljährlich auf dem Bolzplatz des Oratorio San Pietro stattfindet. Sie ist eine seriöse Sache, ohne Millionärsgagen, ohne Dopingskandale und brutale Fouls. Schließlich, erklärt Fedele Alborghetti, Pressechef des Clericus Cup und selbst Trainer, treten hier ja, bis Ende Mai, geweihte und angehende Geistliche und Ordensleute gegeneinander an, und von denen, so Alborghetti, könne man ja wohl Ehrlichkeit und Anstand erwarten:
"Der Sinn dieser Fußballmeisterschaft ist es ja, dass diese Spieler, die eine Gemeinde leiten oder in Zukunft leiten werden, Glauben und Sport zusammen bringen."
Priester statt Fußball-Profi
Die erste Clericus Cup-Meisterschaft wurde 2007 ausgetragen. Seitdem wird sie vom Centro Sportivo Italiano organisiert, dem Sportarm der katholischen Kirche Italiens. Eine Organisation, der rund eine Million Mitglieder angehören: Geistliche, sicherlich, aber vor allem Laien. Das Centro unterstützt katholische Gemeinden in ganz Italien bei der Sportlogistik, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gemeindefußballmannschaften – und stellt eben diese internationale Veranstaltung auf die Beine, zu der etwa 400 Personen und 16 Mannschaften in Rom gegeneinander antreten. Unter den Bolzern gibt es allerdings keine Bischöfe oder Kardinäle. Die findet man hingegen auf der Tribüne, zwischen den Zuschauern. Trainer Fedele Alborghetti:
"Es treten als Spieler natürlich nur diejenigen Geistlichen oder Seminaristen an, die schon Fußballerfahrungen haben, zumeist schon seit ihrer Kindheit. Wir hatten sogar mal jemanden aus der Nachwuchsmannschaft von Borussia Mönchengladbach, der dann aber kein Profifußballer, sondern Priester wurde. Oder einen jungen Mann, der kurz davor stand in die argentinische Nationalmannschaft aufgenommen zu werden, dann aber der Berufung zum Priesteramt folgte."
Obwohl die Organisatoren und die Mannschaften des Clericus Cup von Johannes Paul II., von Benedikt XVI. und von dem erklärten Fußballfan Papa Francesco empfangen und gesegnet wurden, erschien bis jetzt noch kein Pontifex auf der Zuschauertribüne des Oratorio San Pietro. Doch vielleicht wird Franziskus die unermüdlichen Rufe erhören und doch irgendwann einmal erscheinen.
Statt des Papstes kommen auch in diesem Jahr, und nicht zu knapp, Seminaristen, Priester, Ordensleute, darunter auch eine Gruppe anfeuernder Nonnen, sowie hohe Würdenträger, wie etwa US-Kardinal George Pell, mächtiger Superfinanzminister des Vatikans und erklärter "Soccerfreak".
Tägliches Training für katholische Fußballweltmeisterschaft
Im Unterschied zum gewöhnlichen Fußball dauert ein Spiel beim Clericus Cup nur 30 Minuten. Verlängerung gibt es keine. Endet ein Spiel mit Unentschieden, kommt es unverzüglich zum Elfmeterschießen. Der Gewinner des Clericus Cup erhält eine Trophäe in Form eines Fußballs, der auf zwei Füßen steht, und der, schließlich geht es ja um ein katholisches Turnier, einen kreisrunden breiten Hut trägt, wie er für traditionell gekleidete Monsignori typisch ist. Der 33-jährige Carlo Mendez ist seit zwei Jahren mit dabei. Er spielt als Stürmer der Mannschaft des Pontificio Colleggio Urbano, das im vergangenen Jahre den Clerucus Cup gewann. Seit Januar trainiert Mendez täglich für die katholische Fußballweltmeisterschaft:
"Ich komme aus Brasilien. Ich bin Mönch des Brasilianerordens, der dem katholisch-byzantinischen Ritus folgt. Noch bin ich kein Priester, sondern nur Seminarist. Jedes Jahr spiele ich in einer anderen Mannschaft. Immer wenn ich spiele, widme ich mein Spiel meinem geistigen Vater Padre Oscar. Er ist ein guter Freund und hat mich immer wieder angeregt, Fußball zu spielen."
Nach den jeweiligen Spielen wird, da unterscheidet sich auch der Clericus Cup nicht vom übrigen Fußball, gefeiert. Aber anders als beim nichtkirchlichen Fußball geht es auf dem Fußballplatz des Oratorio San Pietro friedlicher und freundschaftlicher zu. Von rassistischen, gewalttätigen oder gar antisemitischen Slogans, wie sie im italienischen Fußball leider inzwischen an der Tagesordnung sind, findet sich beim Clericus Cup keine Spur.