Die Klima-Klempner und ihre riskante Mission
Climate Engineering soll das aufgeheizte Weltklima durch globale technische Eingriffe abkühlen. Bisher sind das nur kühne Gedankenspiele und Simulationen − welche Nebenwirkungen diese Maßnahmen hätten, ist noch ungeklärt.
Aufforstung klingt immer nach einer guten Idee. Wachsen die jungen Bäume heran, binden sie sehr viel Kohlenstoff aus der Luft und reduzieren damit den Treibhauseffekt. Doch das Weltklima kann trotzdem darunter leiden, sagt der Biogeochemiker Andreas Oschlies vom Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar:
"Aufforstung – wenn wir es großskalig machen würden, wäre es massives Climate Engineering. Wir würden die Farbe des Planeten verändern, wir machen ihn sogar wärmer durch dunklere Bäume in ansonsten hellen Wüstenlandschaften."
Denn ein heller Untergrund reflektiert die Sonnenstrahlung zurück ins Weltall, ein dunkler Wald dagegen nimmt sie auf. Und das wäre nicht das einzige Problem:
"Dann hat man riesige Plantagen, die müssen bewässert werden, die müssen gedüngt werden, da müssen Schädlinge bekämpft werden. Und das ist 'ne Großindustrie, die auch riesige Nebenwirkungen hat. Und das muss die Gesellschaft wissen."
Wenn eine neue Forschungsrichtung entsteht, dann finden sich meist Wissenschaftler zusammen, die ihr Thema mit Euphorie angehen, ihre Hypothesen möglichst schnell im Experiment überprüfen und der Menschheit mit nützlichen Anwendungen helfen wollen. Doch bei den Wissenschaftlern, die sich so wie Andreas Oschlies mit Climate Engineering beschäftigen, ist das anders. Was sie erforschen, wollen die meisten von ihnen gerade nicht in der Praxis erproben und schon gar nicht im großen Stil anwenden:
"Die allermeisten gehen dieses Thema mit einem großen Stück Respekt an – und wissen: Das ist ein Forschungsthema, wo man schon sehr brisante und interessante Ergebnisse erzielen kann, die veröffentlicht werden können. Aber es ist ein Thema, das große gesellschaftliche Bedenken mit sich trägt."
Mark Lawrence ist wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsforschung IASS. Im Oktober hat er den weltgrößten Climate-Engineering-Kongress veranstaltet. 270 Wissenschaftler waren dafür nach Berlin gekommen.
Unbeherrschbare Nebenwirkungen
Vor allem vier Gründe sprechen gegen Climate Engineering. Die Hoffnung auf eine technische Lösung könnte die politischen Anstrengungen für die Treibhausgasreduktion unterlaufen. Die Methoden der Klimaklempner wären, wenn sie denn im großen Maßstab angewendet würden, sehr teuer, sie könnten unbeherrschbare Nebenwirkungen entfalten und sie müssten über Jahrhunderte zuverlässig aufrecht erhalten werden, denn ihr plötzliches Ende würde zu einem nicht mehr verkraftbaren Temperatursprung führen. Noch sind das aber nur theoretische Einwände.
Mark Lawrence: "Wo gibt es praktische Experimente? Es gibt eigentlich keine. Es gibt Pläne auf dem Tisch. Deutschland ist vorne beim Verständnis der Experimente, die diskutiert und notwendig wären, aber es ist eine große Zurückhaltung, Experimente durchzuführen."
Denn die Wissenschaftler erinnern sich noch gut an den Ärger, für den das sogenannte Lohafex-Experiment des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts schon 2009 gesorgt hatte. Die Forscher hatten damals ein nährstoffarmes Gebiet des Südatlantiks mit sechs Tonnen Eisensulfat gedüngt. Sie wollten wissen, ob die damit ausgelöste künstliche Algenblüte langfristig Kohlenstoff bindet, wenn die Algen nach ihrem Absterben auf den Meeresboden sinken. In der öffentlichen Empörung über den technischen Eingriff auf hoher See ging das Ergebnis des Experiments weitgehend unter.
Mark Lawrence: "Wissenschaftlich war das ein Riesenerfolg, weil wir soviel über den Ozean gelernt haben. Und es zeigte auch wissenschaftlich, dass unter vielen Bedingungen diese Technik nicht funktionieren würde."
Das ist der fünfte Grund gegen Climate Engineering: Bisher gibt es nur Simulationen und Hochrechnungen, aber keinen praktischen Beweis, dass es überhaupt möglich ist.
Forschung wird missbraucht
David Keith ist einer der wenigen, die das ändern möchten. Der Physiker leitet eine Forschergruppe an der amerikanischen Harvard-Universität. Sie will 2018 mit einem Höhenballon Schwefelpartikel in der Stratosphäre verteilen und dann prüfen, ob damit – in einer Art künstlichem Vulkanausbruch – ein Teil der Sonnenstrahlung abgeschirmt wird:
"Ich will diese Forschung machen, obwohl mir vollkommen bewusst ist, dass sie missbraucht werden wird. Wir haben schon Belege dafür, dass große Ölkonzerne und Öl exportierende Staaten unsere Forschung bewusst ausnutzen könnten, um zu Unrecht gegen die Notwendigkeit einer Reduktion von Treibhausgasen zu argumentieren."
Warum David Keith trotzdem an seinem Projekt festhält, das können viele seiner Forscherkollegen nicht verstehen. Der Kieler Biogeochemiker Andreas Oschlies:
"Aus meiner Sicht hat es einen wissenschaftlichen Sinn, das ist zu gucken: Wie reagiert die Öffentlichkeit, wie reagiert die Gesellschaft darauf? Also das ist ein sozialwissenschaftliches Experiment, das glaube ich, ja. Aber naturwissenschaftlich bezweifle ich, ob das überhaupt kontrollierbar ist. Und das ist eigentlich die große Frage: Was ist eigentlich der Sinn dieses Experimentes? Das ist mir nicht klar und das wird nicht klar kommuniziert."
Die Climate-Engineering-Forscher stecken in einer schizophrenen Lage: Sie wissen, warum sie lieber nicht am Klima herumdoktern sollten. Sie wissen aber auch, dass das Pariser Klima-Abkommen ohne Climate Engineering wohl nicht erfüllt werden kann.
Mark Lawrence rät deshalb zur Fortsetzung der Climate-Engineering-Forschung:
"Ich würde nicht sagen: Lasst die Finger davon, das zu verstehen. Aber lasst die Finger davon zu erwarten, dass wir in den nächsten paar Jahrzehnten wirklich auf großer Skala solche Techniken einsetzen könnten – sowohl aus technischen Gründen als auch aus politischen Gründen als auch aus ethischen Gründen."