Alternativkultur in der Provinz
Ausgerechnet in der schwäbischen Provinz befindet sich eines der ältesten soziokulturellen Zentren Deutschlands: Der Club Alpha 60 in Schwäbisch Hall hat bereits Black Sabbath und Rudi Dutschke empfangen. Seit 50 Jahren wird hier Politik hinterfragt und Alternativkultur gefeiert.
"Auf diese Steine können Sie bauen – Schwäbisch Hall."
Wenn ich erzähle, dass ich in der Nähe von Schwäbisch Hall aufgewachsen bin, schaue ich meistens in fragende Gesichter: "Ist das nicht eine Bausparkasse?" Ja ist es, aber vor allem ist Schwäbisch Hall ein beschauliches Fachwerk-Städtchen in Baden-Württemberg. Hier gibt es Hochkultur, wie die Freilichtspiele, die jedes Jahr auf den Treppenstufen der Kirche St. Michael stattfinden:
"Und die Rolle des Biedermanns ist die beste Rolle im aktuellen Angebot. Heuchler, der lukrativste Beruf."
Und es gibt Soziokultur:
"Ja, danke noch einmal, dass ihr da seid und nicht in so einer abgefuckten Großraumdisco, sondern in so einem geilen Schuppen."
Von Black Sabbath bis Rudi Dutschke
Seit 50 Jahren sorgt der Club Alpha 60 dafür, dass es nicht zu beschaulich wird in der schwäbischen Provinz. Mit einem Programmkino, Punkkonzerten und politischen Veranstaltungen bietet der Verein Alternativkultur, die man sonst nur in Großstädten vorfindet.
Clubgründer Walter Müller erinnert sich noch gut daran, wie er in den 60er- und 70er-Jahren politische und musikalische Größen nach Schwäbisch Hall holte.
"Doch, bei Black Sabbath, des war toll, die hatten wir verpflichtet und ein Vierteljahr später waren die auf Platz eins auf der englischen Hitparade und dann kamen sie erst nach Schwäbisch Hall. Und die sind dann aufgetreten in der Johanniterkirche, das ist da, wo heut die Holbeinmadonna vom Herrn Würth stationiert ist - und ich weiß noch, als die anfingen, ich hab gedacht, die alte Kirche fällt auseinander."
"Bei dem Rudi Dutschke - des war so: Der kam dann nach Schwäbisch Hall und das war ganz nett und war total unkompliziert alles, und ich hatte auch bei manchen Sachen natürlich etwas Bedenken, weil ich die Kleinstadtsituation kennenlernte und wir haben ja außen in Schwäbisch Hall Hessental damals eine amerikanische Kaserne gehabt, da waren Hubschrauber stationiert und es ging ja auch um das Thema Vietnamkrieg und der Rudi Dutschke, der hatte dann die Idee, dass wir da jetzt rausgehen ans Camp und demonstrieren und da hat ich ein bisschen Angst um die Sicherheit und dann hab ich zu ihm gesagt: Du das ist zu weit, soweit können wir gar nicht laufen."
Als ich Mitte der 2000er mit 16 das erste Mal den Club betrat, waren Black Sabbath und Rudi Dutschke schon lange Geschichte. Dennoch hatte der Club Alpha 60 nicht an Wichtigkeit verloren. Das wurde klar, als Schwäbisch Hall im Zuge der Wehrmachtsausstellung mit Demonstrationen Rechtsradikaler überzogen wurde.
"Die Nazidemos! Ja, ich glaub des war als diese Wehrmachtsausstellung in Hall war und ständig irgendwelche Nazis nach Hall gekommen sind, um da zu demonstrieren, gab es immer wieder auch die Gegendemos und ich glaube, da hat das angefangen, dass man sich da so politisiert hat und darüber eben auch im Club gelandet ist."
Seit mehr als 30 Jahren in einem Provisorium
Der Club Alpha 60, das älteste soziokulturelle Zentrum Baden-Württembergs, hat schon einiges hinter sich. Das merkt man auch seinen Veranstaltungsräumen an. Seit mehr als 30 Jahren ist der Club in einem Provisorium untergebracht: einer ehemaligen Kegelbahn, die eng an den Hang gepresst am Rand von Schwäbisch Hall nur mühsam instand gehalten wird.
"Wir gehen an den Klos vorbei. Die sind berühmt berüchtigt, vollgeschmiert, beklebt und seit den Zeiten der Kegelbahn nicht wirklich renoviert und das ist jetzt auch schon 50 Jahre her. Moment, ich muss erst den Schlüssel suchen. Jetzt find ich den Schlüssel nicht, das ist gruselig. Einer wird gewinnen."
Doch pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum wurde auch dafür eine Lösung gefunden und so kann der Club noch dieses Jahr in neue Räumlichkeiten umziehen.
"Ich glaub, die Leute, die einen Club nicht leiden können, werden ihn auch in einem neuen Gebäude nicht leiden können. Aber, ich mein, das wär ja auch für die Leute, die ein Club immer scheiße finden, total langweilig, wenn es den Club nimmer gäb, müssten sie sich was Neues suchen, über das sie meckern könnten."