CO2-Kompensation

Ablasshandel fürs gute Gewissen

04:26 Minuten
Illustration eines Flughafens von oben mit Landebahn und Flugzeugen. (Mit Denkfabrik-Stempel)
Fliegen wäre so schön, wenn es das Klima nicht schädigen würde. © Imago / fStop Images / Malte Mueller
Ein Kommentar von Uwe Bork |
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Sie heißen "atmosfair", "Primaklima" oder "myclimate" und versprechen Reisen mit gutem Gewissen, durch CO²-Kompensation: Wer fliegt, spendet für Klimaprojekte. Endlich können wir ohne schlechtes Gewissen in die Ferien fliegen – oder doch nicht?
Die Bewahrung der Schöpfung gehört quasi zu ihrem Kerngeschäft. Und deshalb betreiben auch die christlichen Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter dem Namen "Klima-Kollekte" eines jener Unternehmen, die angetreten sind, um mit Strafzahlungen für jeden klimaschädlichen Flugkilometer das Gewissen nicht nur umweltbewusster Christenmenschen zu erleichtern. Die "Stiftung Warentest" zeichnete die kirchlichen Weltenretter dafür dankbar mit einem "sehr gut" aus: Platz zwei hinter dem Marktführer "atmosfair".
Aber selbst wenn Fachleute wie der Klimaforscher Mojib Latif den finanziellen Ausgleich für Umweltschäden loben, werden derartige Bio-Bußen ausreichen, um unseren ökologischen Fußabdruck von der bequemen Übergröße XXL auf ein naturverträgliches M oder gar S zu verkleinern?

Teufel trifft Beelzebub

Kritiker sind skeptisch, und sie wird es vermutlich auch nicht beruhigen, dass "atmosfair" mit dem Kreuzfahrtunternehmen "AIDA" einen Klimaschutzplan entwickelt hat, der den schwimmenden Hotels das Schweröl-Rauchen abgewöhnen soll. "Moderne Flotte trifft effektiven Klimaschutz", das wird in den Ohren nicht nur vieler Fridays-for-Future-Aktivisten eher klingen wie "Der Teufel trifft Beelzebub" und nicht wie ein nachhaltiger Beitrag zur Rettung unseres Planeten.
Auch Papst Franziskus, selbst notorischer Nutzer von Klein- und Kleinstwagen, hält wenig davon, lieber mehr zu zahlen statt weniger zu sündigen. Mit fast schon fundamentalistischem Furor wetterte er gegen den ökologischen Ablasshandel und bezeichnete die CO²-Kompensation für Flüge als "Heuchelei": "Die Flugzeuge verschmutzen die Atmosphäre, aber mit einem Bruchteil der Summe des Ticketpreises werden dann Bäume gepflanzt, um den angerichteten Schaden zu kompensieren."

Millionen von Euros für Ausgleichszahlungen

Die deutschen Reisenden scheinen das nicht so eng zu sehen: Mit 9,5 Millionen Euro gingen 2018 von ihnen allein bei "atmosfair" 40 Prozent mehr Ausgleichszahlungen ein als im Jahr zuvor, Tendenz steigend.
Diese stolzen "atmosfair"-Millionen müssen sich allerdings eine Relativierung gefallen lassen: Die Firma will damit zwar die Klima-Belastung von 460.000 Fluggästen ausgeglichen haben, das ist dennoch verschwindend wenig im Vergleich zu den knapp 123 Millionen Menschen, die im selben Zeitraum von Deutschlands Airports aus in die Luft gingen.

Mit dem SUV zum Bio-Bäcker

Alles im grünen Bereich kann es deswegen noch lange nicht heißen. Deutschlands düsende Ferien-Kosmopoliten sind noch weit davon entfernt, sich als vorbildliche "Climate Leader" von irgendeiner Flugscham an den Boden bannen zu lassen. Sie blasen für einen einzigen Urlaubstrip etwa nach Bali oder Pattaya immer noch mehr Treibhausgas in die Luft als ein durchschnittlicher Bewohner Indiens in vier Jahren freisetzt.
Sogar in den allergrößten sommerlichen Hitzewellen neigen wir immer noch dazu, uns etwas vorzumachen. Ebenso, wie wir uns besten Gewissens in zweieinhalb Tonnen schwere Elektro-SUVs werfen, um unsere Bio-Brötchen vom Bäcker zu holen, jetten wir nach wie vor ohne größere Skrupel kreuz und quer über unseren Globus: Der Strom für unser Mammut-Mobil ist ja zu mindestens 100 Prozent erneuerbare Energie, und für unseren Drang in die Ferne zahlen wir schließlich unseren Öko-Obolus.
Zynisch? Aber nicht doch: Selbst wenn die Sonne dank unserer CO²-Völlerei immer stärker vom Himmel brennt, die Solarkraftanlagen, die wir mit unserem Ablassgeld in Afrika oder Asien finanziert haben, funktionieren dadurch doch nur umso effektiver!

Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem "Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik" ausgezeichnet. Uwe Bork arbeitet als Autor, Referent und freier Journalist.

Der Journalist Uwe Bork
© Deutschlandradio / Manfred Hilling
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