Ein paar alte Männer und ihr irrelevantes Spaßprojekt
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Nach ihrer Trennung 1986 wollten die Boomtown Rats kein Album mehr machen. 34 Jahre später legt die Band von Live-Aid-Organisator Bob Geldof nun doch ein neues Werk vor. "Citizens Of Boomtown" ist der Versuch, noch einmal im Sound von früher zu schwelgen.
"Talent, handwerkliche Fähigkeiten und richtige Kunst waren nie unser Ding", sagt Bob Geldof über das Comeback-Album seiner Boomtown Rats. "Ich zaubere einfach etwas aus dem Hut und haue es raus. Ich schreibe es nicht mal auf. Und ich kann nicht singen." Doch irgendwie komme er damit durch, sagt er. "Dieses Album ist das beste Beispiel für geschicktes Durchmogeln, das ihr dieses Jahr hören werdet."
"Ich wollte nichts Neues schreiben"
Bob Geldof ist inzwischen 68. Ein weißhaariger, verlebter Altrocker, der es genießt, nur über Musik zu reden. Nicht über den Hunger in Afrika, nicht über die Lage der Welt, sondern das Album seiner Boomtown Rats. Eine Band, die Mitte der 70er Teil der britischen Punkszene war, Auftrittsverbot im heimischen Irland hatte und Welthits wie "Rat Trap" oder "I Don´t Like Mondays" schrieb. Seit 2013 ist sie wieder aktiv, jetzt auch mit neuen Stücken – gegen Geldofs Willen.
"Ich wollte nichts Neues schreiben", erklärt er. "Einfach, weil ich Bedenken hatte, dass wir alten Säcke uns überhaupt zum Hier und Jetzt äußern. Ich meine, wenn man sich die Rolling Stones anschaut, will man ja auch kein neues Album hören, sondern die sollen gefälligst ´Honky Tonk Women´ bringen. Und wer zu uns kommt, will ´Rat Trap´ und ´I Don´t like Mondays´ hören. Doch der Rest der Band meinte nur: ´Lasst uns was Neues probieren.´"
Die Zweifel an der eigenen Relevanz sind nicht unberechtigt: "Citizens Of Boomtown" ist weder ein sonderlich zeitgemäßes Rock-Album noch die Neuerfindung eines stagnierenden Genres. Vielmehr der Versuch von vier End-60ern, noch einmal im Sound der späten 70er und frühen 80er zu schwelgen – in einer Mischung aus Punkrock, New Wave und dreckigem Blues. Alles durchsetzt von Zitaten der Pop- und Rockgeschichte: Hier ein bisschen Stones, Beatles und Bowie – da ein wenig Shangri-Las, Muddy Waters oder Velvet Underground.
"Vergesst nicht, dass ich in den 70ern mal Musik-Redakteur einer Underground-Zeitung war – und alles über den Rock´n´Roll gelernt habe", sagt Geldof. Das sei die einzige Ausbildung, die er vorweisen kann. "Ich habe nie ein Examen bestanden, bin ohne Schulabschluss, war nie an der Uni. Alles, was ich weiß, basiert auf Büchern und Rock´n´Roll. Und wenn ich denke, vielleicht könnten da die Bongos aus ´Sympathy For The Devil´ passen, baue ich sie halt bei uns ein. Einfach, weil es sich richtig anfühlt."
Lüsterne Alte Männerfantasien
Geldof redet wie ein Wasserfall. Kritik perlt dagegen an ihm ab. Etwa, wenn man ihn auf die weniger gelungenen Momente des Albums anspricht. Wie den schlimmen Rave-Rock in "Get A Grip", der nach einem Primal-Scream-Plagiat klingt. Oder Texte, in denen er sich als Chauvi outet, lüsterne Alte-Männer-Fantasien kultiviert oder der Jugend Sorglosigkeit im Umgang mit Drogen und sozialen Medien attestiert.
"Das Internet ist ein Instrument der Volksverhetzung und selbst-auferlegten Tyrannei", meint Geldof. "Viele denken, es stünde für Meinungsfreiheit, doch in Wahrheit überwacht es, was wir sagen und denken – auf eine Weise, die purer Orwell ist."
Daher sei es ratsam, sich von ihm fernzuhalten. "Nach dem Motto: Es mag zwar wichtig sein, aber deswegen muss man es ja nicht zwangsläufig zum Dreh- und Angelpunkt seines eigenen Lebens machen."
Dass er mit solchen Aussagen kaum den Nerv der Jugend treffen dürfte, dessen ist sich Geldof bewusst. Dass er mit "Citizen Of Boomtown" eher ein erwachsenes, Punk-affines Publikum anspricht, ebenso. Die Boomtown Rats 2020 sind einfach ein Spaßprojekt von gestandenen, alten Männern. Und die geben sich keinen Illusionen hin, noch einmal an den kommerziellen Erfolg der End-70er anzuknüpfen oder große mediale Beachtung zu finden.
"Die Algorithmen werden schon dafür sorgen, dass wir nicht so oft im Radio gespielt werden. Einfach, weil wir nicht in die Welt von Jennifer Lopez und Ed Sheeran passen. Und darüber bin ich froh."