Comeback eines Giftes

Von Udo Pollmer |
Die Weltgesundheitsorganisation hat das globale Verbot für den Einsatz von DDT aufgehoben. Das Verbot war ursprünglich von westlichen Umweltorganisationen durchgesetzt worden, die damit die Umwelt und nicht zuletzt auch die Menschen vor einer Anreicherung des Insektenvernichtungsmittels schützen wollten. DDT ist trotz des Verbotes bis heute überall auf der Welt in Spuren nachweisbar – in Fettgewebe deutscher Wildschweine ebenso wie in der Muttermilch kanadischer Inuit.
DDT war jahrzehntelang aufgrund seiner geringen akuten Giftigkeit und der billigen Synthese in beinahe beliebiger Menge in Land- und Forstwirtschaft eingesetzt worden. Der wohl massivste Einsatz erfolgte im Baumwollanbau, pro Monat reichte eine Tonne des Giftes gerade mal für 100 Hektar. Inzwischen hat sich das geändert. Der damals wichtigste Schädling, eine Wanze (Lygus hesperus) war – wie sich später herausstellen sollte - maßlos überschätzt worden. Er fügt den Pflanzen zwar erheblichen sichtbaren Schaden zu. Doch die Pflanze ist darauf eingestellt und gleicht die Verluste wieder aus, so dass man eines Tages einsehen musste, dass die Felder auch ohne Insektizide häufig den gleichen Ertrag liefern. In manchen Jahren kommt es allerdings zu massiven Ernteausfällen. Hier hilft seither das Strip Harvesting, bei dem zwischendrin Luzerne angebaut wird, um die Schädlinge von der Baumwolle fernzuhalten.

DDT ist zugleich ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Malaria, die die Gesundheit und das Leben von etwa drei Milliarden Menschen bedroht. Das Mittel ist nach wie vor in vielen Regionen gegen die Mücken wirksam. Allerdings wird es heute nur noch manchmal versprüht, sondern gewöhnlich unter die Wandfarbe gemischt. Wenn sich die Mücken nach einer Blutmahlzeit an der Wand niederlassen, vergiften sie sich tödlich. Die dafür erforderliche Menge ist im Vergleich zum Einsatz in der Landwirtschaft verschwindend gering und stellt deshalb kein nennenswertes Umweltproblem dar. Gleiches gilt natürlich für die Menschen.

Allein in Afrika sterben jährlich schätzungsweise drei Millionen Menschen, vorzugsweise Kinder, an Malaria. Vieler dieser Todesfälle hätten vermieden werden können, hätte man auf das globale DDT-Verbot verzichtet. Untersuchungen zeigen, dass mit der Bekämpfung der Malaria-Mücken auch andere tropische Krankheiten zurückgehen, so dass die Gesamtzahl der verhinderten Todesfälle bis zu fünfmal höher liegt. In den betroffenen Ländern wird das Verbot als Öko-Kolonialismus bezeichnet. Insofern ist die Erlaubnis des Einsatzes – und damit auch der legale Verkauf, ohne von NGOs öffentlich angeprangert und boykottiert zu werden – ein später Sieg der Vernunft. Das genannte Problem war von Anfang an allen Beteiligten vertraut, die das Verbot initiierten. Die Toten für unsere Ideologie wird wohl niemand mehr zählen...

Problem gelöst? Nein. Gegen jedes Mittel entwickeln sich über kurz oder lang Resistenzen. So auch hier. Zugleich lernen die Mücken im Laufe der Zeit sich nicht an den Wänden niederzulassen. Aber das dauert halt. Mikroorganismen und Parasiten sind außerordentlich "schlau", sprich anpassungsfähig. Deshalb können wir uns niemals mit dem Erreichten zufrieden geben. Je mehr Maßnahmen zur Verfügung stehen – und dazu gehören neben ökologischen Techniken gleichermaßen chemische Mittel – desto erfolgreicher werden wir auf Dauer bestehen können. Jede Generation muss neue Mittel und Wege finden, um sich vor jenen Lebewesen zu schützen, die uns selbst und unsere Ernten als schmackhaftes Futter ansehen.