Die Partei lacht nicht mit
Chinesische Karikaturisten und Satiriker klagen über die Humorlosigkeit der politischen Elite – Späße auf ihre Kosten sind tabu. Wer sich nicht an die strengen Regeln hält, bekommt die Staatsmacht zu spüren.
Eine Cross-Talk-Show in einem Pekinger Teehaus. Bei dieser Form der Comedy stehen zwei Leute auf der Bühne und machen Witze. Seit über hundert Jahren ein beliebte Form des Spotts über die eigene Kultur, Politik, den Alltag.
Doch die meisten Cross-Talks-Shows sind nicht besonders frech. Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten 1949 sorgte ein spezielles Cross-Talk-Reform-Komitee dafür, dass sich keiner mehr über die Partei lustig machen durfte. Wer davon abwich, konnte im Arbeitslager landen – so wie ein berühmter Cross Talker aus Tianjin, der die Gleichmacherei unter Mao verspottet hatte. Bis heute sei Chinas politische Elite völlig humorlos, sagt der Karikaturist Li Xiaoguai:
"Mit Ausnahme von Ex-Präsident Jiang Zemim, der ein bisschen entspannter war, hat keiner der Führer einen Sinn für Humor. Sie sind alle gleich und sehen alle gleich aus."
Li macht sich oft über Chinas Politik lustig und veröffentlicht seine Zeichnungen im Internet. Bissige Kommentare zu sozialen Themen, zur Korruption und dem Mangel an Meinungsfreiheit. Doch in Chinas sozialen Netzwerken wurden seine Seiten geschlossen, mehrfach wurde er von den Behörden verwarnt. Heute publiziert er im Ausland und hat doch in China zehntausende von Fans. Gerade in einem autoritären System sei Satire wichtig, sagt er.
"Wenn der Druck groß ist, hast du kein anderes Ventil als den Humor. Was soll jemand machen, der total wütend ist und nicht weiß, wie er sich Luft machen kann? Er muss einen anderen Weg finden – ich habe den Humor gewählt."
Keine Toleranz gegenüber politischer Satire
Satire und Ironie könnten den Leuten die Angst nehmen, sagt auch der Karikaturist Biantailajiao, ein Pseudonym, das soviel heißt wie Abnormale Chillischote. 340-tausend Fans lachten letztes Jahr noch über seine Zeichnungen - auf Weibo, dem chinesischen Pendant zu Twitter, bis auch sein Konto von den Behörden geschlossen wurde. Dabei biete sich die Kommunistische Partei für Satire gerade an, sagt er:
"Die KP China betont immer nur den Geist der Partei, nie aber die menschliche Seite. Viele ihrer Parolen wirken daher total lächerlich. Das muss man eigentlich nur vorführen, das muss man nicht einmal satirisch aufbereiten – es ist bereits Realsatire."
Doch die Partei lacht nicht mit. In den Staatsmedien wurde Biantailajiao letzten Herbst als Verräter beschimpft – wegen seiner Peking-kritischen Zeichnungen über die Proteste in Hongkong. Er bekam Angst und lebt jetzt erst einmal in Japan. Unter der Führung von Xi Jinping habe die Toleranz gegenüber politischer Satire weiter abgenommen, sagt der Schriftsteller Yan Lianke. Dabei sei sie ein Gradmesser für die Offenheit einer Gesellschaft.
"Wir brauchen gar nicht über große Dinge zu reden – wie Demokratie, Gleichheit oder Rechte. Es sind die kleinen Dinge die zeigen, ob die chinesische Kultur offen ist oder nicht. Dass solche Dinge, wie Satire, so selten sind, zeigt doch, dass unsere Kultur noch lange nicht so offen ist wie unsere Wirtschaft."
Yan Lianke weiß, wovon er spricht. Er hat vor einigen Jahren eine satirische Liebesgeschichte geschrieben, bei der reihenweise Mao-Statuen zu Bruch gehen. Die Zensoren fanden das gar nicht komisch und nahmen das Buch sofort vom Markt. Yan Lianke rät ihnen augenzwinkernd zu etwas mehr Gelassenheit:
"Wenn Partei- oder Regierungschefs das Thema von Satire werden, zeigt das ihre wahre Größe. Ihr Image wird dadurch bereichert, verbessert und lebendiger."
Langweiligste Show aller Zeiten
Aber öffentlich lustig machen darf man sich in China wenn überhaupt nur über ausländische Regierungschefs. Der Sony-Film "The Interview" über ein Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un ist im chinesischen Internet ein Riesenhit. Die eigene Staatsführung ist tabu. Viele Satiriker halten sich daran – die Schere im Kopf funktioniert.
Als kürzlich etwa der Hongkonger Komödiant Dayo Wong Chi-Wah im südchinesischen Guanzhou auftrat, hatte er alle politischen Witze aus dem Programm gestrichen. In Hongkong, wo weitgehende Meinungsfreiheit herrscht, hatte er beißende Kommentare zum Umgang mit der Demokratiebewegung abgegeben, doch Festlandchina bekam nur lahme Scherze über Büroangestellte und Beziehungskonflikte geboten.
Die langweiligste Show aller Zeiten, urteilte Besucher enttäuscht. Langweilig bleibt auch das Staatsfernsehen. Dort haben die Behörden kürzlich sogar Wortspiele verboten. Und das obwohl gerade die chinesische Sprache unendlich viele gleich klingende Worte hat und auch Werbekampagnen häufig damit spielen. Doch laut Fernsehbehörde drohe das "kulturelle und linguistische Chaos", daher das Verbot. Die Reinheit des Chinesischen müsse gewahrt werden. Und offenbar auch das Staatsfernsehen als völlig satirefreie Zone.