Was ist aus dem American Dream geworden?
"Captain America" wird von einem der wichtigsten schwarzen US-Autoren weitergeschrieben: Journalistisches Interesse habe ihn zu dem Comic-Helden getrieben, erklärt Ta-Nehisi Coates das Vorhaben. Die Fortsetzung soll am 4. Juli erscheinen - dem Unabhängigkeitstag der USA.
Sein Roman "Zwischen mir und der Welt" gilt als ein Manifest der schwarzen Black-Lives-Matter-Bewegung und sein Autor, Ta-Nehisi Coates, als einer der wichtigsten, schwarzen Intellektuellen der USA. Vor zwei Jahren wagte der Journalist und Autor den Sprung ins Comic-Genre. Selbst Sohn eines Black-Panther-Aktivisten schrieb er den "Black Panther"-Comic, der auch Eingang in die erfolgreiche "Black Panther"-Verfilmung fand, die gerade bei uns in den Kinos läuft.
Jetzt hat er bekanntgegeben, am Mythos eines anderen Superhelden weiterschreiben zu wollen. Und zwar an niemand Geringerem als Captain America – dem blonden, strahlend-weißen Superhelden, der gern mal in Stars and Stripes gewickelt ist.
Es sei sein journalistisches Interesse gewesen, das ihn zu der Figur von Captain America getrieben habe, schrieb Ta-Nehisi Coates in der Zeitschrift "The Atlantic". Comic-Fachmann Markus Dichmann erklärt dazu:
"Er will diese Figur Captain America mit seiner Historie durchdringen, sich in sie hineindenken, als wäre er Protagonist einer journalistischen Recherche, und wirft so einen Blick auf die USA von heute und versucht eine Perspektive zu entwickeln, die dieser Captain America vielleicht noch zu bieten hat."
Eine Figur mit Ironie-Potenzial
Die Figur tauge nicht nur für stumpfe, nationalistisch-patriotische Propaganda, schreibt Coates, sondern sei deutlich vielschichtiger – mit einer impliziten Ironie, die man am Anfang leicht übersehen könne. Markus Dichmann:
"Er ist ein Mann aus der Vergangenheit, eine Figur aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein körperlicher Schwächling mit einem Herz aus Gold, der im Zweiten Weltkrieg unbedingt gegen die Nazis kämpfen will. Dafür meldet er sich dann freiwillig, mit einem Supersoldaten-Serum behandelt zu werden. Der bringt ihn an die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit. Er wird zum Supersoldaten und wie das in Comics so üblich ist, gelangt er über irre Umwege aus dem Zweiten Weltkrieg in unser hier und heute."
Loyal nur einem Traum gegenüber
Die Fragen, um die Coates neuer Comic kreisen, lauten: Warum führen die USA immer noch Kriege? Wer regiert dieses Land eigentlich? Wie steht es um Freiheit, Gleichheit und nicht zuletzt um den American Dream, wo jeder sein Glück und seine Zufriedenheit finden kann? Markus Dichmann:
"Da gibt es eine ziemlich berühmte Comic-Szene, die Coates besonders kitzelt. Da deckt Captain America eine Verschwörung rund um den Vietnam-Krieg auf und ein hochdekorierter General sagt dann zu ihm: Erinnere dich, bei wem deine Loyalität liegt. Und eigentlich sollst du über all diese Dinge eigentlich gar nichts wissen. Und da entgegnet ihm Cap: General, ich bin einzig und allein einer Sache loyal: Nämlich dem Traum – dem American Dream."
Altes versus neues Amerika
Markus Dichmann wartet gespannt auf das Ergebnis, das am 4. Juli erscheinen soll:
"Und welche Antwort Coates, der schon mal Reparationsforderungen der weißen US-Bevölkerung an die schwarze US-Bevölkerung gefordert hat, und dessen letzte Comic-Reihe, die 'Black Panther'-Reihe den Afro-Futurismus neu belebt hat, was der jetzt in diesem Soldaten des Zweiten Weltkriegs entdecken wird, in den Idealen eines alten Amerikas im Vergleich zum Amerika 2018, das finde ich doch extrem vielversprechend. Und das Ganze erscheint dann passenderweise am 4. Juli, also am Unabhängigkeitstag der USA, da wo praktisch der American Dream geboren wurde."
(cosa)