Mit schrillen Outfits dem Alltag entkommen
Die erste "Comic.con" gab es 1970 in San Diego, mittlerweile finden die Veranstaltungen in vielen amerikanischen Städten statt. Und nun gibt es das Festival der schrillen Fantasy- und TV-Figuren auch in Stuttgart. Dort zeigt man sich aufwendig kostümiert.
Eine "Comic Convention" ist eine Art Messe, auf der ursprünglich Comic-Zeichner live zeichneten, Comic-Figuren - auch aus animierten Comics - als Puppen verkauft wurden und das Publikum sich verkleidete wie seine Helden aus den Comics.
Mittlerweile hat sich das Angebot erweitert: Es gibt "Fedcons" und "Ringcons" für die Fans von Fantasy und Science Fiction, und auf der Stuttgarter Comic.con liegt der Schwerpunkt gar nicht so sehr auf den Comics, sondern auf Figuren aus Fernsehserien und Fantasy-Filmen.
Deren Darsteller treten in Talkshows auf, für Autogramme zahlt man bis zu 100 Dollar, und ein Großteil des Publikums erscheint verkleidet in meist selbstgeschneiderten Kostümen – aus "Star Trek" oder "Deadzone".
Ist das nun ein großer Spaß oder nur Geschäftemacherei? – Darüber berichtet Christian Gampert, der sich in das Gewühl der "Comic.con" in den Stuttgarter Messehallen gestürzt hat.
Manuskript zum Beitrag:
"Ich möchte diese ganze Comic-Kultur wie in Amerika auch in Deutschland etablieren. Und bevor es jemand anders macht, möchte ich es machen. Denn ich mach' das seit 30 Jahren. Ich bin seit 30 Jahren in der Szene",
sagt Dirk Bartholomä, der Veranstalter der Stuttgarter Comic.con. Bartholomä lud ein, und es kamen nicht nur die Fans, sondern auch 300 Comic-Künstler und diverse Superhelden: Hollywood-Schauspieler aus der "Castle"-Krimiserie, aus "Agents of S.H.I.E.L.D.", aus "Star Trek".
Es kamen auch etwas älter gewordene Bond-Girls. Ein riesiges Forum an Bewunderern saß vor der Bühne und stellte Fragen, und die Schauspieler antworteten das, was Schauspieler so antworten. Man durfte Autogramme erwerben, Durchschnittspreis 40 Euro, Höchstpreis - bei den Stars - 100 Euro. Man durfte durch die Stuttgarter Messehallen wandeln und Teddybären und Horrorfiguren kaufen. Und vor allem: Man durfte sich selbst verkleiden.
Die meisten Besucher der Comic.con erschienen in einem Outfit, das sich von ihrem Alltags-Dress deutlich unterscheiden dürfte: eine Lackiererin aus Bad Harzburg war der blutrünstige Schakal aus "13 Geister". Ein Diplomingenieur aus dem Frankfurter Raum erschien als Spiderman, seine Freundin als Cat Woman.
Wie es ist, wenn man auf anderen Planeten unterwegs ist
Warum tun die Menschen das? Und vor allem: Warum veranstaltet man eine "Convention", auf der die bizarrsten Bedürfnisse öffentlich ausgelebt werden?
Dirk Bartholomä, Geschäftsführer der Comic.con, bestreitet gar nicht, pekuniäre Interessen zu haben. Aber er selber sei durchaus infiziert vom Comic- und Science-Fiction-Virus:
"Ich war ganz jung, 16 Jahre, hab' angefangen mit Perry Rhodan, auch Micky Mouse, belgische Comics. Dann haben wir einen Perry Rhodan Club gegründet, dann einen Star Wars Club, und ein paar Jahre später fingen die ersten Veranstaltungen an, Conventions. Das waren damals so eine Art Pfadfinderlager. Da hat man über die Zukunft gesprochen, wie es ist, wenn man auf anderen Planeten unterwegs ist."
Barholomä, seine Firma sitzt in Augsburg, ist ein Biker-Typ, tätowiert, etwa Mitte 50. Er will den Besuchern seiner Convention ein bisschen Entspannung bieten. Und eine andere Identität ermöglichen:
"Die wollen dem Alltag entfliehen, eine schöne Zeit haben, sich verkleiden, sich mit Gleichgesinnten unterhalten."
Ganze Familien kommen, sogar die Babys sind verkleidet
Ehepaar sucht Gleichgesinntes: Das kann man durchaus beobachten auf der Comic.con. Ganze Familien kommen als Cos-Player, Kostümspieler, sogar die Babies sind verkleidet. Freundeskreise suchen sich eine Fernsehserie und stellen deren Charaktere nach. Jugendliche basteln sich GI-Kostüme oder hauen sich per Schminke eine Fleischwunde ins Gesicht. Nette Bunnies und mechanisierte Robotermenschen ziehen durch die Hallen. Von Harry Potter bis Batman, von Ben Hur bis "Deadpool" – die Welt ist ein großer Kostüm- und Identitätsladen, in dem man sich bedienen kann.
Auffällig ist natürlich die Dominanz von Science Fiction und Grusel-Genres, von Schmuse-Charakteren und Horror-Show, aber wahrscheinlich hängt das Niedliche mit dem Furchtbaren viel enger zusammen als man bislang annahm.
Das Comic-Zeichnen, der ursprüngliche Schwerpunkt der Messe, ist ein wenig ins Hintertreffen geraten. Es gibt merkwürdige Live-Zeichen-Sessions mit viel Gerede. Der Stuttgarter Panini-Verlag, eigentlich für die Produktion von Fußballbildchen bekannt, ist auch sogenannter Big Player auf dem Comic-Markt: Hier gibt es sogar die "Simpsons" auf Schwäbisch. Trotzdem, sagt Steffen Volkmer von "Panini":
"Wir sind ein Comic-Entwicklungsland, wenn man uns mit Frankreich, Amerika, Japan vergleicht. Und da ist jede Messe, die viele Fans anzieht, ein gutes Instrument, um die Comic-Szene in Deutschland nach vorne zu bringen."
Geschmückt mit Rakete, Harpune und Flammenwerfer
Und natürlich, um den Umsatz anzukurbeln. Redet man mit den Cos-Playern auf der Messe, so ist die vorherrschende Meinung: Halloween ja, Karneval nein. Mittelalter gut, Fasnet - i bäh! Unter den Kostümspielern, die sich auf der Pressekonferenz präsentierten, war eine Schöne aus "La Belle et la Bête", aber auch ein Darsteller aus Schwäbisch Gmünd, der als schwerbewaffneter Boba Fett aus "Star Wars" auftrat: auf dem Rücken eine Rakete, auf der einen Armschiene ein Flammenwerfer, auf dem anderen Arm eine Harpune. Er gehört zu einem größeren Club:
"Ich bin jetzt im Kostümclub German Garrison, das ist der deutsche Ableger von der 501. Legion, das ist der größte Star-Wars-Kostümclub auf der Welt. Weltweit sind's zirka 7000 aktive Mitglieder, und in Deutschland sind's 500."
Aber was macht man als Cos-Player? Macht man eine Performance, spielt man Theater, ist man Pantomime? Nichts von alledem. Man bastelt in monatelanger Arbeit ein Kostüm, und dann steht man damit rum.
"Wir sind mehr so Fotoshooting: Rumstehen, gut aussehen, Leute glücklich machen."