Comic

Ratatak und Brrrrz!

Zahlreiche Sammlerstücke von Marvel-Comics
Eine Freude für alles Comic-Fans: zahlreiche Sammlerstücke von alten Marvel-Comics © picture alliance / dpa
Von David Siebert |
Bildergeschichten haben es Uli Pröfrock angetan. Er gilt als einer der Besten seines Fachs und findet auch für scheinbar unübersetzbare Ausdrücke und Geräusche den passenden Ausdruck. Für die Arbeit an der Graphic Novel "Wie ein leeres Blatt“ wurde er jetzt für den Jugendliteraturpreis 2014 nominiert.
Die Comicbuchhandlung "X für U", ein kleiner verwinkelter Laden am Rand der Altstadt von Freiburg. Umgeben von Postkartenständern, Figuren von Gaston und Mickey Mouse und Hunderten von Comics sitzt Ladeninhaber Uli Pröfrock an der Kasse. Er sieht deutlich jünger aus als seine 58 Jahre.
Mit seinem blitzblank rasiertem Schädel, dem buntem Hawaii-Hemd und schwarzer Designerbrille erinnert er selber ein bisschen an eine Comicfigur. Pröfrock erzählt, wie er 1975 die erste Ausgabe von "Métal hurlent" in der Hand hatte – dem Kultmagazin der französischen Comicszene und bekommt dabei heute noch Gänsehaut:
"Das war eine regelrechte Erschütterung in der Comicwelt: Große Doppelseiten, die tiefe Vielfalt gebracht haben. Das war ein Experimentierfeld: Was ist narrativ, was ist erzählerisch überhaupt möglich im Comic - und das hallt bis heute nach."
Münzen und Briefmarken waren nichts für ihn
Pröfrock, in Wuppertal geboren, studierte in Freiburg Betriebswirtschaftslehre und arbeitete danach zunächst in einer ganz anderen Branche:
"Münzen und Briefmarken. Philatelie und Numismatik. Das war dann aber relativ bald klar, dass das nichts ist, was ich auf Dauer würde machen wollen."
Stattdessen gründete Pröfrock 1985 "X für U", zu einer Zeit als Comics noch nicht im Feuilleton besprochen wurden und sich das Angebot in Deutschland damals noch weitgehend auf Fix&Foxi, Superhelden&Co beschränkte:
"Man muss sich klarmachen, dass in der Zeit, was den Comic angeht, eine Größenordnung von vielleicht 100 Neuerscheinungen im Jahr in Deutschland auf den Markt kam. Heute drehen wir bei zweieinhalbtausend!"
Eine neue Zeichnergeneration
Damals begann jedoch eine Art "Comic-Revolution": In Frankreich und den USA machten Künstler wie Art Spiegelmann, Jaques Tardi oder Enki Bilial von sich Reden. Eine neue Zeichnergeneration, die in Deutschland erstmals 1984 auf dem 1. Internationalen Comicsalon in Erlangen vorgestellt wurde. Pröfrock war damals dabei und erlebte ein Déjà-vu:
"Ich hab in Frankreich gelebt als Jugendlicher, so ab Mitte 60er-Jahre und da wurde mit großer Selbstverständlichkeit Comic gelesen. Dadurch kannte ich diese ganzen Dinge, die dann mit zeitlicher Verzögerung hier auf den Markt kamen, damit bin ich aufgewachsen."
Von der französischen Comickultur der 70er-Jahre schwärmt er heute noch.
"Da gab es eine Fernsehsendung, die hieß ´Tac au tac`, zwanzig Minuten vor den Abendnachrichten, zur besten Sendezeit. Und da saßen im Studio zwischen zwei und vier Zeichner, die live gezeichnet haben. So etwas wäre in Deutschland völlig undenkbar gewesen! Und da waren all diese Gestalten, die man heute kennt: Möbius, Druillet, Uderzo, Claire Bretécher..."
Neben Aschenbecher und Labtop die Druckfahnen eines Comics
Pröfrock verkauft nicht nur mit Comics – er übersetzt sie auch. Meist daheim, in seiner Altbauwohnung in Freiburg, am Rand des grün bewaldeten Lorettoberges.
"Was ist das eigentlich? Ah im Zweifel der nächste Übersetzungsauftrag."
Auf seinem Schreibtisch liegen neben Aschenbecher und Labtop auch die Druckfahnen eines Comics, den er gerade übersetzt: Eine Kurzgeschichte, die sich auf die Comiclegende Gaston bezieht:
"Und da gibt´s einen, der heißt auf Deutsch "Demel" und der hat immer so einen Spezialfluch drauf, wenn er aufgeregt ist. Im Französischen heißt dass dann: Rogntudjû!"
Eine Verballhornung von "Nom de dieu" - französisch für "Oh mein Gott!". Pröfrock recherchierte, wie die Redewendung bisher übersetzt wurde:
"Weil, das soll ja einen Wiedererkennungswert haben für den deutschen Leser, der auch Gaston kennt. ´Ah, Demel sagt immer das!' Hier sagt er: ´Roujuille', hier hat der deutsche Übersetzer was anderes genommen: ´Ratatak!'. Hhmm, es gibt keine einheitlich verbriefte Lösung dafür."
Sprechblasen und Textkästen
Solche lautmalerischen Ausdrücke, meint er, sind eines der Probleme beim Comicübersetzen:
"Die Onomatopönen: Brrrrz - ´ein Raumschiff landet und explodiert', zum Beispiel. Das französische ´Hein?', der Deutsche liest dann ´Hein - was soll das denn!' 'Hein' ist einfach so immer dieses Nachfragen: Hä? Wat? Wie nun?"
Das Hauptproblem, sagt Pröfrock, ist aber die Platzbegrenzung des Comics – durch Sprechblasen und Textkästen.
"Es gibt Beispiele, da weißt du: Die Übersetzung muss genauso heißen, die passt nicht, ich krieg´ sie nicht unter und dann kommt der Fluch, dass man das umformulieren muss."
Pröfrock hat mittlerweile Dutzende von Comics übersetzt.Etwa Graphic Novels von Lewis Trondheim oder "Quai d´Orsay", einen sarkastischen Politthriller über Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin. Sein guter Ruf als Übersetzer rührt auch daher, dass er sowohl mit der Sprache wie auch mit der Mentalität des Nachbarlandes vertraut ist:
"Wir haben es im Comic mit sehr viel größeren Dialoganteilen im Text zu tun. Ich muss also versuchen, ein Gefühl für die gesprochene Sprache zu haben. Wie sind die Charaktere im Comic auch über ihre Sprache definiert?"
Eine Art psychoanalytischer Krimi
Auf Pröfrocks Schreibtisch liegt auch sein jüngstes Übersetzungswerk: Der preisgekrönte Comic "Blast" von Manu Larcenet, eine Art psychoanalytischer Krimi:
"Die Geschichte eines Ausstiegs. Jemand der durch ein Schlüsselerlebnis aus seiner bürgerlichen Existenz von jetzt auf nachher komplett aussteigt."
Die grandios in packenden schwarz-grau Zeichnungen dargestellte Geschichte eines Außenseiters, der vor Mensch und Zivilisation in die unberührten Weiten des französischen Hinterlands flieht. Von seinem Schreibtisch aus kann Pröfrock selber auf viel Natur schauen – auf den Schwarzwald wie auf die dunkel-violett schimmernden Höhenzüge des benachbarten Elsass:
"Abends bis in die Vogesen rüber, grandiose Sonnenuntergänge."
Ein Anblick, bei dem er öfters ins Philosophieren kommt:
"Frankreich hat immer ein entspannteres Verhältnis zu trivialen Formen gehabt. Es hat nie so eine Kluft gegeben zwischen scheinbarer Hochkultur und scheinbarer Trivialkultur, dass da sehr hochnäsig drauf runtergekuckt wird."
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