Max Baitinger: "Sibylla"
Reprodukt, Berlin 2021
176 Seiten, 24 Euro
Comic "Sibylla"
Max Baitinger sagt, er habe das Glück gehabt, mit seinem Comic eine riesige Lücke zu füllen. Denn eine überlieferte Biografie von Sibylla Schwarz gebe es nicht. © Reprodukt / Max Baitinger
Ungelöste Mysterien um eine Barockdichterin
11:19 Minuten
Die Barockdichterin Sibylla Schwarz wurde nur 17 Jahren alt, schuf aber etwa 100 Gedichte. Der Comickünstler Max Baitinger hat ihr den Comic "Sibylla" gewidmet. Eine Herausforderung, denn über das Leben der Dichterin ist nur wenig bekannt.
Der Leipziger Comickünstler Max Baitinger hat einer früher bekannten und heute fast vergessenen Barockdichterin eine Graphic Novel gewidmet. In "Sibylla" geht es um die Dichterin Sibylla Schwarz, die im Jahr 1621 geboren wurde. Für das Buch, das Baitinger gezeichnet und getextet hat, hat er den Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung bekommen. Die Idee zu dem Comic sei vom Sybilla Schwarz e. V. in Greifswald gekommen, erzählt Max Baitinger.
Tod mit 17 Jahren
Schwarz lebte vor allem in Greifswald und starb bereits mit 17 Jahren. Sie hinterließ etwa 100 Gedichte. Sie wird als eine sehr wichtige Figur des Barock angesehen und war eine der wenigen Dichterinnen dieser Zeit.
Der Comic von Max Baitinger erzählt von ihrem Leben und ihrer Dichtung. Allerdings nicht nur, denn es gebe keine überlieferte Biografie von Sibylla Schwarz, sagt Baitinger. "Das heißt, ich stand vor einer riesigen Lücke und hatte das Glück, diese zu füllen mit meinem Buch." Es sei ein Buch herausgekommen, das auch versuche, die Frage zu beantworten, was diese Lebensgeschichte mit ihm zu tun habe.
"Ich habe versucht, mich in die Lage zu versetzen, wie ich denn Kunst mache, wenn ich die ganze Zeit eigentlich etwas anderes zu tun habe, wie zum Beispiel ins Exil zu gehen vor dem Krieg oder irgendwo den Haushalt zu verwalten meines Bürgermeister-Vaters. Deswegen ist es auch alles ein bisschen mysteriös, wie sie überhaupt zu diesem Werk gekommen ist."
Bewaffnete Männer als Symbol für Verlagswelt
Diese Mysterien löse er nicht auf. Und er spreche auch nicht für Sibylla Schwarz. Deshalb sei die Sibylla Schwarz, die im Buch abgebildet ist, auch nicht die historische Sibylla Schwarz. "Aber sie ist quasi die Beobachterin davon, was ich da um sie herum tue mit diesem Buch."
Die beiden bewaffneten Männer, die in einer Szene in Schwarz‘ Zimmer eindringen, in ihren Gedichten lesen und sie bedrängen, stünden stellvertretend "für alle, die in den vergangenen 400 Jahren in ihrem Werk herumgestochert haben", sagt Baitinger. Das stehe ein Stück weit symbolisch auch für die "sehr männlich geprägte Verlags- oder auch Germanistikwelt, wo ihr Werk analysiert oder auch interpretiert wird oder geguckt wird: Was war die jetzt für ein Mensch?"
Auch bei der Grapic Novel habe es die Versuchung gegeben, diese Person "irgendwie handhabbar zu machen". Genau das habe er aber nicht gewollt.
Spekulationen über Sibyllas Sexualität
Ähnlich sei es auch bei dem Gedicht "Auf der Liebsten Abschied", das sich offenbar auf Sibyllas Freundin Judith Tank bezieht, und das Max Baitinger in die Graphic Novel integriert hat. Auch das stehe in gewisser Weise dafür, sagt Baitinger: "Wie spekulieren Menschen jetzt im Nachhinein über Sibyllas Verhältnis zu ihrer Freundin und über ihre Sexualität, und warum sie die Liebesgedichte an Frauen schreibt."
Das habe ja auch wiederum mit der Barockdichtung zu tun, dem Rollentausch, der da teilweise praktiziert worden sei.
Auflösen habe er dieses Verschachtelte und Unklare der Barockdichtung nicht wollen. "Weil ich mir ja auch nicht anmaße, das irgendwie zu interpretieren."