Comic über den Boxer Emile Griffith

Eingesperrt im eigenen Leben

04:57 Minuten
Filmszene aus dem Dokumentarfilm "Ring of Fire: Die Emile Griffith Story". Griffith steht vor einem Spint in einem Boxstall.
Emile Griffith als Protagonist in der Dokumentation Ring of Fire: Die Emile Griffith Story unter der Regie von Ron Berger und Dan Klores im Jahr 2005. © imago / Entertainment Pictures
Von Jutta Heeß · 01.12.2019
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Er war schwul, schwarz und ein erfolgreicher Boxer: Emile Griffith war nicht nur im Ring ein Paradiesvogel. Doch bei einem Kampf verletzte er seinen Kontrahenten tödlich. Der Zeichner Reinhard Kleist hat Griffiths Leben in einem Comic verarbeitet.
Emile Griffith war ein Ausnahmetalent – ein eleganter Boxer mit schnellen Fäusten. Sechs Mal wurde er Weltmeister im Welter- und Mittelgewicht. Aber auch außerhalb des Rings zog der junge Mann aus der Karibik die Aufmerksamkeit auf sich: Griffith war schwarz und schwul – und lebte ziemlich ungeniert. Eine Provokation in den 60er-Jahren.

Das Leben gelebt, wie er wollte

Damit nicht genug: Emile Griffith entwarf Damenhüte! Er hatte seine eigene Kollektion in einer Hutmanufaktur.Die Diskrepanz zwischen hartem Boxer und Paradiesvogel hat den Comic-Künstler Reinhard Kleist zu seiner Graphic Novel "Knock Out" inspiriert.
"Mich hat an dieser Geschichte wahnsinnig interessiert, wie der Mann in der Zeit mit der Position, die er hatte, sein Leben durchgezogen hat. Der hat gegen wahnsinnige Widerstände gekämpft. Heute in unserer Gesellschaft ist Homosexualität kein großes Thema mehr – im Profisport allerdings immer noch. Das muss wirklich eine massive Wand gewesen sein, gegen die er da gestoßen ist. Er hat aber trotzdem sein Leben einfach so gelebt, wie er das wollte."
Ausschnitt aus der Grafic Novel "Knock Out!" von Reinhard Kleist. Zu sehen ist Emile Griffith bei inmitten von Damenhütten in einer kontrastreichen Schwarz-Weiß-Zeichnung.
Die Diskrepanz zwischen hartem Boxer und Paradiesvogel hat den Comic-Künstler Reinhard Kleist zu seiner Graphic Novel „Knock Out“ inspiriert.© Carslen Verlag / Reihnard Kleist
Doch ein einziger Kampf veränderte sein Leben: New York, Madison Square Garden, 1962. Der WM-Fight zwischen Griffith und Benny "Kid" Paret. Was die Zuschauer nicht wussten: Beim Wiegen hatte Paret Griffith homophob beleidigt. "Hey Schwuchtel" soll Paret gerufen haben. "Heute mache ich dich fertig, dich und deinen Ehemann." Es kam anders: Griffith, zutiefst verletzt, verprügelte Paret im Ring. Brutal und gnadenlos. Paret hing schon in den Seilen, als Griffith ihm immer noch zusetzte. Der Ringrichter griff zu spät ein. Paret verlor noch im Ring das Bewusstsein, fiel ins Koma - zehn Tage später war er tot.
Emile Griffith (L) im Kampf um den Weltmeisterschaftstitel im Weltergewicht gegen den Kubaner Benny Kid Paret im New Yorker Madison Square Garden. Paret fiel nach dem Kampf im März 1962 ins Koma.
Emile Griffith (L) im Kampf um den Weltmeisterschaftstitel im Weltergewicht gegen den Kubaner Benny Kid Paret im New Yorker Madison Square Garden.© picture alliance / United Archives
War Griffith ein Killer? "Nein, absolut nicht. Nein, natürlich wollte er das nicht, er hat sein ganzes Leben darunter gelitten, dass das passiert ist. Er hat einfach einmal zu oft zugelangt", erklärt Kleist.

Paret wird wieder lebendig

Sportlich hatte der tödliche Knock-Out keine Konsequenzen für Griffith, er boxte noch weitere 15 Jahre. Kleist erzählt sein Leben in dynamischen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, gut recherchiert und mit einem literarischen Kniff: Als Griffith 1992 nach dem Besuch einer New Yorker Schwulenbar beinahe selbst zu Tode geprügelt wird, lässt Kleist ihn und Benny Paret wieder aufeinandertreffen.
Paret wird lebendig, Griffith blickt mit ihm gemeinsam auf sein Leben zurück. Realität und Fiktion fließen hier kunstvoll ineinander. Die Schuld an Parets Tod empfand Griffith als lebenslange Strafe, er konnte nie vergessen, was passiert war. Paret war immer bei ihm.
Der Autor und Zeichner der Grafic Novel Knock Out! Reinhard Kleist in seinem Atelier.
Reinhard Kleist hat an dieser Geschichte wahnsinnig interessiert, wie der Mann eigentlich in der Zeit, mit der Position, die er hatte, sein Leben durchgezogen hat.© Carlsen Verlag / Wolf-Dieter Tabbert
"Das fand ich bei der Biografie den Moment, der mich eigentlich am meisten berührt hat", sagt Kleist. "Er hat ihn im Spiegel gesehen, wenn er sich rasiert hat, er hat den Kampf gesehen, wenn er auf den anderen Gegner einschlagen wollte und hat dann dadurch auch seine Schlagkraft verloren. Er hat ihn immer vor sich gesehen. Das hat sein ganzes Leben beeinflusst und sein ganzes Leben ist davon gezeichnet gewesen, dass der Tod von dem Kontrahenten ihn eigentlich nie losgelassen hat."

Emotional und Erbarmungslos

Griffith erkrankte im Alter an Demenz. Für ihn war das fast ein Segen: Endlich konnte er vergessen, was ihn über Jahrzehnte gequält hatte. Die Tragik seines Schicksals vermittelt Kleist emotional und erbarmungslos – so wie Griffith nun einmal war.
Und so berichtete Griffith: "Wie seltsam das ist. Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, die mich zu einem schlechten Menschen macht. Wenn ich auch nicht im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt."
Im Juli 2013 starb er im Alter von 75 Jahren in New York.

Reinhard Kleist: "Knock Out! Die Geschichte von E. Griffith"
Carlsen Verlag, Hamburg 2019
128 Seiten, 18 Euro

Über den Umgang mit Homo- oder Bisexualität heute im US-Sport berichtet in Nachspiel unsere Korrespondentin Kerstin Zilm:
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