Comic-Zeichner E.O. Plauen

Die Nazis trieben ihn in den Tod

Ausschnitt aus einer "Vater und Sohn"-Geschichte des Zeichners E.O. Plauen, der eigentlich Erich Ohser hieß. Zu sehen ist sie in der städtischen Galerie "e.o. plauen" in seiner Heimatstadt Plauen.
Ausschnitt aus einer "Vater und Sohn"-Geschichte des Zeichners E.O. Plauen, der eigentlich Erich Ohser hieß. Zu sehen ist sie in der städtischen Galerie "e.o. plauen" in seiner Heimatstadt Plauen. © picture-alliance / ZB
Von Beatrix Novy |
Die "Vater und Sohn"-Comics von E.O. Plauen waren in Deutschland noch in den 70er-Jahren äußerst populär. Allerdings wusste kaum ein Leser, dass sich der Schöpfer der Bildgeschichten aus Angst vor den Nationalsozialisten erhängt hatte.
Bild 1 und 2: Vater und Sohn stehen am Ufer und schmeißen Steine ins Wasser. Beide amüsieren sich königlich, bis, Bild 3, rundherum kein Wurfmaterial mehr zu finden ist. Schade. Bild 4: Man trollt sich. Bild 5: Mondschein. Vater fährt eine Schubkarre voller Kiesel ans Wasser. Bild 6: Am nächsten Morgen: Sohn steht überwältigt vor einem Berg von Kieselsteinen. Vater glänzt vor Zufriedenheit.
Eine typische Folge der stummen Bildserie "Vater und Sohn", die am 13. Dezember 1934 erstmals in der "Berliner Illustrierten" erschien. Gezeichnet mit drei Buchstaben in Kurrentschrift: E. O. P. - die Abkürzung des Pseudonyms E. O. Plauen, das Erich Ohser, gebürtig aus Plauen im Vogtland, sich hatte zulegen müssen, um im Dritten Reich publizieren zu können. Die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer war ihm verweigert worden - "aufgrund seiner früheren exponierten publizistischen Tätigkeit im marxistischen Sinne“.
Christian Ohser: "Die politischen Zeichnungen, die mein Vater gemacht hat, vor 1933, erschienen im 'Vorwärts' und in anderen sozialdemokratischen Blättern. Und da hat er sich vor allen Dingen Goebbels etwas aufs Korn vorgenommen, und Goebbels hat ihm nie dafür vergeben."
Erich Ohsers Sohn Christian, der, anders als sein Vater, das Regime überlebte. In Christian Ohser lebte auch der strubbelköpfige kleine Junge weiter, der zusammen mit seinem gutmütigen Papa Woche für Woche die Leserherzen eroberte.
Christian Ohser: "Ja, ich bin es, zu einem Teil. Eigentlich ist Vater und Sohn eine Kombination von meinem Großvater, meinem Vater und mir."
Ein enger Freund Erich Kästners
Glatzköpfig, schnauzbärtig und mit einem freundlichen Emboinpoint versehen war Erich Ohsers Vater. Er selbst war schlank, bartlos, attraktiv – eben ein erfolgreicher Kunstschaffender der Weimarer Jahre. Verheiratet mit einer Künstlerin und Buchillustratorin; Stammgast im Romanischen Café; enger Freund von Erich Kästner, dessen Gedichte er illustrierte, und von Erich Knauf, der beiden als Redakteur und Lektor verbunden war: die drei Erichs. Alle drei waren sie Nazigegner und lebten nach 1933 gefährlich. Ohser hätte, wie Kästner, noch lange die Möglichkeit gehabt, Deutschland zu verlassen. Aber
Christian Ohser: "Ich glaube, er hätte sich nicht wohl gefühlt im Ausland. Er liebte England, wir sind öfters dorthin, aber dort zu leben ist was anderes."
Ironischerweise war es sein Berufsverbot, das seine lang andauernde, sogar internationale Popularität begründete, waren es ausgerechnet die rührend-altmodischen Vater und Sohn-Comics, die ihn überleben sollten.
Vielleicht, weil in ihnen ein zeittypischer Zwiespalt pädagogischer Anschauungen ausgetragen wurde. Dieser Vater der 30er-Jahre pflegt die Usancen des herkömmlichen autoritären Erziehers durchaus, aber noch viel mehr zeigt er liebevolles Verständnis. Er schließt sich den Lausbübereien des Sohnes an, übernimmt seine Schulaufgaben, trickst mit ihm Ordnungshüter aus und schießt mit dem Schrotgewehr Rosinen in einen Kuchen. Aber diesen Geschichten fehlte der Biss, entsprechend begrenzt blieb die Komik.
Christian Ohser: "Da war immer etwas im Hintergrund, wo er nicht vollkommen frei sich ausdrücken konnte. Vater und Sohn sind ganz ulkig und so, aber zeichnerisch finde ich die persönlich nicht so großartig."
Sogar Comicfan Goebbels spannte ihn ein
1937 wurde die Reihe eingestellt. Mit ihr war Erich Ohser wohlhabend und bekannt geworden, aber nach wie vor persona non grata des Regimes. Doch noch konnte das Regime ihn gebrauchen. Goebbels, ein großer Comicfan, spannte ihn für sein Projekt einer deutschen Zeichentrickproduktion und Disney-Konkurrenz ein – das kläglich scheiterte. Gleichzeitig durfte Ohser sich seit 1940 wieder als Karikaturist betätigen, im intellektuellen NS-Renommierorgan "Das Reich". Es ging ums Überleben. Und doch konnte oder musste Ohser, seine Tätigkeit auch in eine Art verzweifelten Einklang mit sich selbst bringen.
"Ich zeichne gegen die Alliierten – und nicht für die Nationalsozialisten."
Nur ein Jahr vor Kriegsende zerschellte der Traum vom redlichen Überwintern in der Diktatur. Ein paar regimefeindliche Witze brachten Erich Ohser und seinen Freund Erich Knauf ins Gefängnis. Dort erhängte sich Ohser, Erich Knauf wurde am nächsten Tag zum Tode verurteilt. Zwei von den Unzähligen, deren Talent und Leben die Nazis zerstörten.
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