Comiczeichner Riad Sattouf

Schonungslose Graphic Novels mit Humor

05:55 Minuten
Porträt des Zeichners Riad Sattouf.
Riad Sattouf hat im Frühjahr den vierten Band seiner Graphic-Novel-Reihe "Der Araber von morgen" veröffentlicht. Laut Verlag wurde die Reihe mehr als zwei Millionen Mal verkauft. © Olivier Marty
Von Yvonne Koch |
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Riad Sattouf gilt als Ausnahmetalent. Die Comics des franko-syrischen Autors wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Sein aktuelles Werk "Der Araber von morgen" handelt von seiner eigenen Geschichte, von Gewalt und Diskriminierung.
Schon nach wenigen Minuten hat Riad Sattouf bei den Gesprächslesungen das Publikum für sich eingenommen. Er erzählt Anekdoten, imitiert die Sprache, den Tonfall und selbst die Mimik der Protagonisten seiner Geschichten. Seinen Lesern zu begegnen, mache ihm viel Freude, erzählt er später beim Interview im Frühstücksraum seines Hotels. Dass er heute eine große Fangemeinde hat, findet er noch immer nicht selbstverständlich. "Ich zeichne seit 20 Jahren Comics und in den ersten 15 Jahren hatte ich kaum Erfolg damit." Er habe fast nie seine Leser in Buchhandlungen treffen können, auch übersetzt wurden seine Bücher noch nicht. "Jetzt hab' ich viele Leser, und ich bin total glücklich, wenn ich die treffen kann."

Comics, die auch Oma oder Opa lesen können

Seine Leser – das sollten gerade bei der Graphic-Novel-Reihe "Der Araber von morgen" genau die sein, die eigentlich nichts mit Comics anfangen können. "Ich wollte wirklich ein Comic machen, das für eine Oma oder einen Opa lesbar ist." Seine allererste Leserin - seine Muse, der er auch seine Bücher gewidmet habe - sei seine bretonische Großmutter gewesen, erzählt Sattouf. Sie habe Comics gehasst und sei der Meinung gewesen, das sei nur etwas für Kinder. "Also hab ich immer gefragt, was für eine Geschichte, welche Zeichnungen, was für eine Art Buch könnte ich machen, das ihr gefallen würde." Deshalb habe er sich an dieses Projekt gemacht und erstaunlicherweise habe es geklappt: "Ich habe viele Leser, die mir beteuern, dass das ihr erstes Comic überhaupt sei, das sie lesen."
Da ist es wieder, dieses schelmische Lächeln, dass sich immer wieder in seine Mimik stiehlt. Und das den Humor ahnen lässt, der in den Bänden der Reihe "Der Araber von morgen" immer wieder aufblitzt. Der 41-Jährige erzählt dort seine eigene Geschichte – von den Spannungen zwischen seiner französischen Mutter und seinem syrischen Vater, von der Bigotterie, der Engstirnigkeit, der Gewalt und von seinen Erinnerungen an die Schulzeit in Syrien. Letztere wird vor allem im aktuellen vierten Band thematisiert.

Zehn Jahre lang Comic-Strip in Charlie Hebdo

"Weil ich halb Franzose, halb Syrer war, weil ich Ausländer war und damals dazu noch blonde Haare hatte, haben mich die Kinder im Dorf überhaupt nicht akzeptiert" erinnert sich Sattouf. "Sie haben mich als dreckigen Juden bezeichnet, weil für sie jeder, der aus einem Amerika-freundlichen Land kam, automatisch ein Verbündeter von Israel war, also Jude." Im "Araber von morgen" versuche er zu zeigen, wie es ist, in einem nationalistischen Land zu leben.
Ausschnitt aus Riad Sattoufs neuen Band "Der Araber von morgen".
Schonungslos - und trotzdem humorvoll: Ausschnitt aus Riad Sattoufs neuem Comicband "Der Araber von morgen"© Randomhouse/ Riad Satouff
Riad Sattouf schildert diese brisanten Themen zwar schonungslos, aber immer auch unterhaltsam und humorvoll. Vielleicht gehe das überhaupt nur im Comic, sinniert er über einer Tasse Kaffee, die genauso schwarz ist, wie sein Outfit.
"Ich liebe Comics, sie sind die Quelle meiner ersten Emotionen als Leser." Er liebe es zu lesen, mit diesen Erzählungen auf Abenteuer zu gehen. "Comics sind ein mächtiges Medium, um genau solche Themen zu umzusetzen."
Es sind die alltäglichen Szenen mit all ihren Abgründen aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen erzählt, die den Erfolg des Autors ausmachen. Im französischen Satire-Magazin Charlie Hebdo veröffentlichte er zehn Jahre lang regelmäßig den Comic-Strip "La Vie secrète des jeunes", also "Das geheime Leben der Jugend" und in der Wochenzeitschrift Nouvel Oberservateur erscheint seit 2014 die Serie "Les Cahiers d'Esther", Esthers Tagebücher, über ein Mädchen und seine Sicht auf die Welt. Er hat auch Filme gemacht mit Titeln wie "Jungs bleiben Jungs".

Kontrolle der Schimpfworte

Und noch etwas was fällt bei seinen Comics besonders ins Auge: Riad Sattouf zeichnet sehr gerne Schatten. Das hat er schon als Kind gemacht, "fast manisch", wie er sagt.
"Vielleicht war das ja schon immer der Wunsch, Dinge in all ihrer Gesamtheit darzustellen - jedes Ding hat eben nicht nur Licht- sondern auch Schattenseiten." Deshalb seien seine Geschichten manchmal schonungslos, gewalttätig, komisch oder auch unangenehm. "Ich hänge an all diesen Aspekten, weil ich will, dass der Leser sich eine eigene Meinung bildet."
Auch heute sei er noch ein bisschen manisch, sagt Riad Sattouf mit seinem Lausbuben-Lächeln. Er kontrolliere zum Beispiel immer, ob bei den Übersetzungen die Schimpfworte richtig wiedergegeben werden. Im Gespräch wirkt er allerdings nicht besonders pedantisch, eher schüchtern und zurückhaltend. Nur bei der Frage, wie er selbst seinen Charakter beschreiben würde, schaut er mich direkt an.
"Ich glaube, ich bin sehr widerstandsfähig - in jeglicher Hinsicht." Der Grund, warum er überhaupt erfolgreicher Comiczeichner wurde, sei, dass er nie aufgegeben habe. "Es heißt immer: leidenschaftlich und widerstandsfähig sein!"
(abr)
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