Coming-of-Age vom Feinsten
In Italien sorge Christian Frascella mit seinem ersten Roman für beides: einen Publikums- und einen Kritikererfolg. Nun ist die Geschichte des 16-jährigen Jungen, die Story seiner ersten großen Aufbrüche und Enttäuschungen, übersetzt. Ein Riesenlesespaß.
Christian Frascella, 1973 in Turin geboren, kennt die Arbeitswelt. Bevor 2009 sein erster Roman erschien, arbeitete er als Telefonist, Industriearbeiter und Ingenieur. "Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe" heißt dieser erste Roman, in Italien wurde er zum Bestseller. Nun ist Christian Frascellas Debüt auch auf Deutsch erschienen.
"Mönchsrobbe" nennt der sechzehnjährige Ich-Erzähler seine Schwester, weil sie so bigott geworden ist, seit die Mutter vor Jahren abgehauen ist. Er lebt in ziemlich trostlosen Verhältnissen: Die Mutter ist weg, der Vater säuft, die Schwester nervt. Ätzende Streitereien gibt es zu Hause, als der Vater eine Freundin und die Schwester einen Freund anschleppen. In der Schule läuft es mies, da haut der junge Mann ab und besorgt sich einen beinharten Job in einer Fabrik. Und Chiara, die er anhimmelt, liefert sich mit ihm nur lautstarke und ironische Streitereien. Zu allem Überfluss muss der Vater plötzlich zwei lebensgefährliche Operationen vornehmen lassen - das Leben des Erzählers steht auf der Kippe.
Doch nicht nur die Lebensumstände des Sechzehnjährigen - seinen Namen erfahren wir nicht - sind miserabel. Er selbst ist auch ein absoluter Kotzbrocken und zugleich ein total sensibler Junge. Nach außen stachlig, innen butterweich. Christian Frascella hat ein wunderbar vielschichtiges und witziges Jungenportrait gezeichnet. Das gerade darum so funkelt, so durchsichtig ist, weil es ein Selbstportrait ist. Dieser Kerl ist brutal und gemein, aber ebenso zärtlich und voller Sehnsucht. Ein Großmaul und Einzelgänger, ein Angeber und Schwätzer, der sich selbst im Wege steht und innen drin ganz wund und verletzlich ist.
Salopp, flapsig, schräg und respektlos erzählt Frascellas Protagonist seine Geschichte. Mal lakonisch und knapp, dann rotzfrech und oft auch richtig unanständig im Schlagabtausch mit dem Vater, der Schwester, dem Rivalen. Er ist intelligent und wortgewandt, aber absolut unberechenbar. Stimmungsmäßig schwankt er zwischen Euphorie und Depression, Unverschämtheit und poetischen Bildern oder hochkomischen Vergleichen. Ein begabter, vernachlässigter junger Mann, der an die einsamen Helden von Wolfgang Herrndorfs "Tschick" erinnert.
Wie "Tschick" gehört auch dieser Roman ins Regal der so genannten "Coming of Age"-Literatur, die sich an ältere Jugendliche ab 16 circa und Erwachsene richtet. Romane, die von Jugendlichen erzählen, von den Mühen und Schmerzen des Erwachsenwerdens, ohne reine Jugendbücher zu sein oder in Jugendbuchverlagen zu erscheinen. Sie stehen in der Tradition von Salingers "Fänger im Roggen" oder auch von Hemingway oder Mark Twain. (Herrndorfs "Tschick" war interessanterweise für den Deutschen Jugendbuchpreis wie für den Deutschen Buchpreis nominiert.)
Zu empfehlen ist "Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe" jedem Jugendlichen und Erwachsenen, denn der Roman ist ganz nah dran an seinem bissigen und zugleich empfindsamen Anti-Helden. Er protokolliert dessen "beschissenes" Leben, aber auch seine Hoffnungen, Sehnsüchte und Glücksmomente. Und er macht das auf eine so selbstironische, charmante und schlagfertige Weise, dass das Lesen einen Riesenspaß macht. Ein Roman, der nicht mehr und nicht weniger will, als eine gute Geschichte gut zu erzählen und dies auf jeder seiner 320 Seiten tut.
Besprochen von Sylvia Schwab
Christian Frascella: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2012
320 Seiten, 22,90 Euro
"Mönchsrobbe" nennt der sechzehnjährige Ich-Erzähler seine Schwester, weil sie so bigott geworden ist, seit die Mutter vor Jahren abgehauen ist. Er lebt in ziemlich trostlosen Verhältnissen: Die Mutter ist weg, der Vater säuft, die Schwester nervt. Ätzende Streitereien gibt es zu Hause, als der Vater eine Freundin und die Schwester einen Freund anschleppen. In der Schule läuft es mies, da haut der junge Mann ab und besorgt sich einen beinharten Job in einer Fabrik. Und Chiara, die er anhimmelt, liefert sich mit ihm nur lautstarke und ironische Streitereien. Zu allem Überfluss muss der Vater plötzlich zwei lebensgefährliche Operationen vornehmen lassen - das Leben des Erzählers steht auf der Kippe.
Doch nicht nur die Lebensumstände des Sechzehnjährigen - seinen Namen erfahren wir nicht - sind miserabel. Er selbst ist auch ein absoluter Kotzbrocken und zugleich ein total sensibler Junge. Nach außen stachlig, innen butterweich. Christian Frascella hat ein wunderbar vielschichtiges und witziges Jungenportrait gezeichnet. Das gerade darum so funkelt, so durchsichtig ist, weil es ein Selbstportrait ist. Dieser Kerl ist brutal und gemein, aber ebenso zärtlich und voller Sehnsucht. Ein Großmaul und Einzelgänger, ein Angeber und Schwätzer, der sich selbst im Wege steht und innen drin ganz wund und verletzlich ist.
Salopp, flapsig, schräg und respektlos erzählt Frascellas Protagonist seine Geschichte. Mal lakonisch und knapp, dann rotzfrech und oft auch richtig unanständig im Schlagabtausch mit dem Vater, der Schwester, dem Rivalen. Er ist intelligent und wortgewandt, aber absolut unberechenbar. Stimmungsmäßig schwankt er zwischen Euphorie und Depression, Unverschämtheit und poetischen Bildern oder hochkomischen Vergleichen. Ein begabter, vernachlässigter junger Mann, der an die einsamen Helden von Wolfgang Herrndorfs "Tschick" erinnert.
Wie "Tschick" gehört auch dieser Roman ins Regal der so genannten "Coming of Age"-Literatur, die sich an ältere Jugendliche ab 16 circa und Erwachsene richtet. Romane, die von Jugendlichen erzählen, von den Mühen und Schmerzen des Erwachsenwerdens, ohne reine Jugendbücher zu sein oder in Jugendbuchverlagen zu erscheinen. Sie stehen in der Tradition von Salingers "Fänger im Roggen" oder auch von Hemingway oder Mark Twain. (Herrndorfs "Tschick" war interessanterweise für den Deutschen Jugendbuchpreis wie für den Deutschen Buchpreis nominiert.)
Zu empfehlen ist "Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe" jedem Jugendlichen und Erwachsenen, denn der Roman ist ganz nah dran an seinem bissigen und zugleich empfindsamen Anti-Helden. Er protokolliert dessen "beschissenes" Leben, aber auch seine Hoffnungen, Sehnsüchte und Glücksmomente. Und er macht das auf eine so selbstironische, charmante und schlagfertige Weise, dass das Lesen einen Riesenspaß macht. Ein Roman, der nicht mehr und nicht weniger will, als eine gute Geschichte gut zu erzählen und dies auf jeder seiner 320 Seiten tut.
Besprochen von Sylvia Schwab
Christian Frascella: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2012
320 Seiten, 22,90 Euro