Feine Ironie, die an Loriot erinnert
05:38 Minuten
Max Baitinger ist mit Comics wie „Röhner“ und „Birgit“ bekannt geworden. Seine Arbeiten sind pointiert, garniert mit einer Portion Quatsch. Trotz Coronapandemie hat er jetzt seinen neuen Comicband "Happy Place" vorgestellt.
Im Café des Leipziger Kulturzentrums "Conne Island" liegt hinter Vorhängen in einer kleinen Kabine säuberlich auf ein Podest drapiert der neue Comic von Max Baitinger. Wie unter einer Sounddusche mit exotischem Vogelgezwitscher kann man hier eintauchen in die Seiten, auf denen dschungelartige Pflanzen und stille geometrische Einrichtungsgegenstände zu sehen sind. Ergänzt durch die für Baitinger typische gewählte Sprache – wie in dem Comicstrip mit dem Titel "Kunde".
"Meinen Kunden präsentierte ich das Konzept der 'Funny Animal Cartoons'. Und sie nahmen sich ihre Bedenkzeit. Humor sei bekanntlich ein unvorhergesehener Zusammenhang zweier scheinbar unverwandter Gegenstände… Sie könnten nicht erkennen, inwiefern ich diesem Prinzip Folge geleistet hätte."
"Meinen Kunden präsentierte ich das Konzept der 'Funny Animal Cartoons'. Und sie nahmen sich ihre Bedenkzeit. Humor sei bekanntlich ein unvorhergesehener Zusammenhang zweier scheinbar unverwandter Gegenstände… Sie könnten nicht erkennen, inwiefern ich diesem Prinzip Folge geleistet hätte."
Ein Typ unter der Yuccapalme
In allen Strips ist der gleiche Protagonist zu sehen, ein schlanker Typ in schwarz-weiß. Er fährt Rolltreppe, wartet unter einer Yuccapalme, liegt im Bett oder isst ein Eis. In Baitingers Miniaturbeobachtungen und in seinen Texten liegt ein feiner Sinn für Ironie, der fast an Loriot erinnert.
"Ich verrichte lockernde Übungen. Und nutze den Dienst einer Webseite. Die Webseite fragt, ob ich ein Roboter sei. Sie sagt, wenn ich keiner sei, könne ich das beweisen. Indem ich im Test richtig klicke. Klick. Hat gefragt, ob ich es noch einmal versuchen wolle. Hat gefragt, ob ich sie wirklich verlassen wolle. Datenverlust könne die Folge sein."
"Das gibt's auch immer wieder, dass viele Leute mich fragen, ob es jetzt witzig oder ironisch gemeint ist, oder ob es ernst gemeint ist. Also, es sind ja oft auch Dinge, die so passieren, und Dialoge oder Aussagen, die so getätigt werden. Natürlich finde ich es meistens lustig, aber es ist auch völlig in Ordnung, das ernst zu nehmen."
"Ich verrichte lockernde Übungen. Und nutze den Dienst einer Webseite. Die Webseite fragt, ob ich ein Roboter sei. Sie sagt, wenn ich keiner sei, könne ich das beweisen. Indem ich im Test richtig klicke. Klick. Hat gefragt, ob ich es noch einmal versuchen wolle. Hat gefragt, ob ich sie wirklich verlassen wolle. Datenverlust könne die Folge sein."
"Das gibt's auch immer wieder, dass viele Leute mich fragen, ob es jetzt witzig oder ironisch gemeint ist, oder ob es ernst gemeint ist. Also, es sind ja oft auch Dinge, die so passieren, und Dialoge oder Aussagen, die so getätigt werden. Natürlich finde ich es meistens lustig, aber es ist auch völlig in Ordnung, das ernst zu nehmen."
Bekannt geworden durch Comic "Röhner"
Max Baitinger, Jahrgang 1982, ist ein großer, schlanker und unauffälliger Typ, ganz wie seine Hauptfigur. Jemand, der in Ruhe seiner Arbeit nachgeht. Nach einer Ausbildung zum Tischler studierte er Illustration an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und vernetzte sich bald mit anderen Comicschaffenden. Viel Aufmerksamkeit bekam er 2016 für seinen Comic "Röhner", in dessen Eingangssequenz Baitinger die sequenzielle Bildsprache des Comics regelrecht abfeiert: In ganzen 13 Panels werden die einzelnen Schritte des Kaffeekochens mit einer Espressokanne geschildert.
"Kanne auf. Tank füllen. Sieb drauf. Kaffee rein. Nicht drücken! Rand säubern. Kanne zu. Herdplatte. Ventil zur Wand."
"Ich meine, zum Beispiel bei Röhner war das so, dass ich tatsächlich keine Idee für eine Geschichte hatte, sondern nur eine Idee für eine Stimmung, also die Frage, wie stelle ich eigentlich nur dieses unangenehme Gefühl dar, ich möchte gar nicht eine bestimmte Action oder einen bestimmten Ablauf darstellen, sondern ich möchte einfach nur mit dieser Geschichte dieses unangenehme Abwarten und diese Unsicherheit darstellen."
Und das ist auf beeindruckende Weise gelungen. Die Stimmung transferiert sich nicht nur durch Detailversessenheit, sondern auch durch Baitingers extrem gutes Gespür für den Rhythmus der Geschichte, indem er z.B. immer wieder stille Bilder der Wohnungseinrichtung einfügt, die das Warten und die Passivität des Protagonisten spürbar machen.
"Kanne auf. Tank füllen. Sieb drauf. Kaffee rein. Nicht drücken! Rand säubern. Kanne zu. Herdplatte. Ventil zur Wand."
"Ich meine, zum Beispiel bei Röhner war das so, dass ich tatsächlich keine Idee für eine Geschichte hatte, sondern nur eine Idee für eine Stimmung, also die Frage, wie stelle ich eigentlich nur dieses unangenehme Gefühl dar, ich möchte gar nicht eine bestimmte Action oder einen bestimmten Ablauf darstellen, sondern ich möchte einfach nur mit dieser Geschichte dieses unangenehme Abwarten und diese Unsicherheit darstellen."
Und das ist auf beeindruckende Weise gelungen. Die Stimmung transferiert sich nicht nur durch Detailversessenheit, sondern auch durch Baitingers extrem gutes Gespür für den Rhythmus der Geschichte, indem er z.B. immer wieder stille Bilder der Wohnungseinrichtung einfügt, die das Warten und die Passivität des Protagonisten spürbar machen.
Ästhetisch hoch anspruchsvoll und gleichzeitig originell ist auch sein Comic "Birgit" aus dem Jahr 2017 über einen Tag aus dem Leben einer Bürofachangestellten.
"Wir hätten eben alle mal einen schlechten Tag, sagt die Neue. Birgit blickt auf den Monitor. Dort ist eine Büroklammer. Die sagt, es mache den Anschein, als ob Birgit eine Tabelle anfertigen wolle. Birgit sieht der Klammer in die Augen. Die Klammer blinzelt."
"Wir hätten eben alle mal einen schlechten Tag, sagt die Neue. Birgit blickt auf den Monitor. Dort ist eine Büroklammer. Die sagt, es mache den Anschein, als ob Birgit eine Tabelle anfertigen wolle. Birgit sieht der Klammer in die Augen. Die Klammer blinzelt."
Perfektion – gepaart mit Selbstironie
Erst auf den zweiten Blick erkennt man in den geometrischen Formen auf dem Cover Birgits Hinterkopf und die sich vor ihr bedrohlich aufbauende Chefin. Angesichts der Penibilität der grafisch exakten Zeichnungen liegt es nicht ganz fern, Max Baitinger für einen Perfektionisten zu halten. In seinen Storys auf Instagram ist häufig nur seine Hand zu sehen, die in ASMR-haften Videos schwarze Linien auf Papier nachzieht oder Flächen schwarz ausmalt. Perfektion – aber gepaart mit Selbstironie.
"Also ein bisschen Quatsch nehme ich gerne mit rein. Einfach auch, um es dann nicht zu ernst zu nehmen vielleicht."
Er deutet auf die Rückseite von "Happy Place", auf der ein Schwan mit Zigarette und einer Gitarre zu sehen ist.
"Tiere gehen immer, ne?" – "Tiere gehen immer."
"Also ein bisschen Quatsch nehme ich gerne mit rein. Einfach auch, um es dann nicht zu ernst zu nehmen vielleicht."
Er deutet auf die Rückseite von "Happy Place", auf der ein Schwan mit Zigarette und einer Gitarre zu sehen ist.
"Tiere gehen immer, ne?" – "Tiere gehen immer."