Computergenerierte Musik

"Es fällt den Leuten schwer, das auseinanderzuhalten"

Künstlerische Darstellung eines Computer-Motherboards mit einer Core-i7-CPU
Musiksoftware erkennt Muster in bereits bestehender Musik und produziert daraus eigene Kompositionen. © imago/Science Photo Library
Ed Newton-Rex im Gespräch mit Martin Böttcher |
Das Londoner Unternehmen Jukedeck lässt Musik von Computern komponieren. Derzeit vor allem als Begleitmusik für Online-Videos und Computerspiele. Die computergenerierte Musik wird menschlichen Kompositionen immer ähnlicher.
Lange Zeit waren Computer vor allem zu einer Sache nutze: Sie übernahmen automatisierte Prozesse, errechneten und steuerten Abläufe, die stupide und eintönig waren. Seit einiger Zeit aber ist klar: Die Digitalisierung wird auch vor dem kreativen Bereich nicht halt machen. Schon jetzt kann Software zum Beispiel einfache Texte schreiben.
Die Londoner Firma "Jukedeck" lässt Computer nun GEMA-freie Musik komponieren. Noch ist das so genannte Gebrauchsmusik, die als Hintergrund-Soundteppich für Computerspiele oder für Youtube-Videos benutzt wird. Aber der Unterschied zwischen menschengemachter und computergenerierter Musik ist immer schwerer zu erkennen. "Manchmal bringen unsere Computer Musik hervor, die uns wirklich stark berührt", sagt Ed Newton-Rex von "Jukedeck".
Ein Beispiel für eine computergenerierten Song:


Das Interview im Wortlaut:

Martin Böttcher: Wie funktioniert die Kompositionssoftware?
Ed Newton-Rex: Wir arbeiten schon ein paar Jahre an diesem System künstlicher Intelligenz. Es handelt sich dabei um künstliche, neuronale Netzwerke. Diese sollen im Grunde das abbilden, was wir uns unter der Funktionsweise des menschlichen Gehirns vorstellen. Wahrscheinlich ist unsere Vorstellung falsch, aber dieses Modell ist sehr erfolgreich. Und das in den unterschiedlichsten Unternehmenssparten, von sozialen Netzwerken bis zur Börse. Es ist die beste Form eines lernfähigen Algorithmus, die wir im Moment haben.
Wir bringen diesem neuronalen Netzwerk bei, Noten, Melodien und Akkordfolgen zu komponieren. Dazu speisen wir jede Menge Musik ein, die ohne Copyright verfügbar ist. Also vor allem ältere Sachen. Das neuronale Netzwerk lernt dabei, auf welche Notenkombinationen typischerweise welche anderen Noten folgen. In dem Moment, in dem das neuronale Netzwerk diese Fähigkeit hat, kann es Musik komponieren. Dazu produziert unser System die Musik auch noch, benutzt dabei auch Sounds und Effekte wie Hall und spuckt schließlich ein originäres Stück Musik aus. Das dauert nur ungefähr eine Minute und wer das Stück kauft, kann es unbegrenzt nutzen.
Böttcher: Haben denn Computer schon alles drauf, was man zum Komponieren braucht? Oder gibt es Grenzen, wenn Computer Musik komponieren?
Newton-Rex: Im Moment hat Musikkomposition durch künstliche Intelligenz auf jeden Fall ihre Grenzen. Die Musik, die unsere Computer komponieren, ist ganz sicher nicht auf dem Niveau von Bach oder Mozart. Aber sie komponieren hochwertige Gebrauchsmusik für unterschiedlichste Zwecke. Ob wir diese Beschränkungen irgendwann überwinden können, das ist eine schwierige Frage. Und wir Menschen sind ja in der Regel nicht sehr gut darin, die Zukunft vorherzusagen. Ich denke, bestimmte Dinge kann Künstliche Intelligenz nicht schaffen, wie die emotionale Bindung an ein Stück Musik. Denken wir an Musik aus unserer Kindheit: Ich persönlich habe keine Ahnung, wie künstliche Intelligenz so etwas jemals hinbekommen soll. Aber das ist auch gut so. Wir bei Jukedeck möchten menschengemachte Musik gar nicht überflüssig machen.
Böttcher: Kreativität war immer die Schwäche der Computer. Das scheint sich langsam zu ändern. Trotzdem sind sie uns in anderen Bereichen schon überlegen. Wenn es um das Komponieren von Musik geht, was können Computer da besser als lebende Menschen?
Newton-Rex: Ich glaube, Computer können im Moment tatsächlich noch nichts besser als Menschen. In Sachen Komposition sind Menschen noch deutlich besser als Computer. Worin Computer aber deutlich besser sind als Menschen: Sie kennen mehr Musik. Ich bin selbst Komponist und Musiker. Ich habe in meinem Leben sehr viel Musik gehört und selbst gespielt. Aber ich kenne nur einen Bruchteil der Musik, die es gibt. Und das ist es ja, was Computer sehr gut können: Riesige Mengen an Daten verarbeiten. Und es wird interessant sein zu sehen, was Computer noch aus diesem enormen musikalischen Wissen machen werden. Denn so funktioniert Kreativität ja: Man lernt von dem, was man kennenlernt und macht dann sein eigenes Ding. Darin sind Computer uns ohne Zweifel überlegen. Aber wenn es darum geht, eine Melodie zu schreiben, die Menschen tief berührt, oder Texte mit einer tiefen Bedeutungsebene zu schreiben, dann wird es schon sehr schwierig.
Böttcher: Wir sprechen hier in der Tonart über Computer, die Musik komponieren können, zum Beispiel für Videospiele oder als Hintergrund für Youtube-Filme. Ed Newton-Rex, können Sie, oder irgendjemand anders, einer Musik anhören, ob ein Mensch oder ein Computer sie komponiert hat?
Newton-Rex: Wir testen die Musik ja, die unser System hervorbringt, und können den Unterschied meistens schon feststellen. Aber das hängt vom einzelnen Stück ab. Manchmal bringen unsere Computer Musik hervor, die uns wirklich stark berührt. Bei Konferenzen machen wir manchmal einen Test und spielen ein Stück vor, das vom Computer komponiert wurde, und eines, das ein Mensch geschrieben hat. Und es fällt den Leuten schon schwer, das auseinanderzuhalten. Aber selbst wenn Computer immer besser werden, wird Musik von Menschen immer ihre Bedeutung behalten. Wenn ich ein Stück von Bach höre, liebe ich es ja nicht nur, weil es so schön klingt, sondern auch, weil ich dabei an die Person Bach denke, weil ich seine Lebensgeschichte kenne. Das gilt auch für Popsongs. Das wird immer eine Rolle spielen, selbst wenn man die beiden Formen von Musik nicht mehr unterscheiden kann.
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