Computerliebe

Liebe zum Ein- und Ausschalten

Moderation: Liane von Billerbeck |
Die Beziehung eines Mannes zu einer Computerstimme im Film "Her" ist im Prinzip eine alte Geschichte, sagt Klaus Mainzer, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie in München. Er könne sich gut vorstellen, dass jüngere Menschen mit solchen Systemen heute spielerisch umgingen. Gefahr sehe er dabei nur in Maßen.
Liane von Billerbeck: Einen Menschen, den wir lieben, lieben wir ganz direkt, rein körperlich. Wir wissen, wie er oder sie riecht, und wir lieben diesen Geruch. Wir wissen, wie er oder sie spricht, und wir lieben diese Stimme. Wir hoffen zu wissen, wie er oder sie denkt, fühlt, was er mag, was nicht, wovon er oder sie träumt. Nun aber kommt ein Film in die Kinos, in dem sich ein Mann in ein Betriebssystem verliebt, eine Maschine. "Her" heißt dieser Film. Kann es das geben, romantische Gefühle für eine Maschine, also "Schau mir in die Pixel, Kleines"?
Tja, real oder nur programmiert? Und genau darum soll es jetzt gehen im Gespräch mit Klaus Mainzer. Er ist Professor am Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie und leitet das Munich Center for Technology in Society. Herr Mainzer, ich grüße Sie!
Klaus Mainzer: Ja, grüße Sie, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Ein Gefühl für eine Maschine, wie in dem Film: Wie akzeptiert ist das bei uns?
Mainzer: Das ist ja eine alte Geschichte. Das ist offenbar ein alter Menschheitstraum, erinnern Sie sich nur an Pygmalion: Ovid schreibt darüber, George Bernard Shaw hat darüber ein Stück geschrieben, und bekannt wurde es als "My Fair Lady". Das heißt, da gibt es also diesen Bildhauer, der schlechte Erfahrungen mit den Frauen hat, und dann sich wünscht, dass das von ihm Geschaffene, nämlich eine Statue, zum Leben erweckt wird, und die Göttin Venus tut ihm diesen Gefallen.
Und daraus wird dann 1966 tatsächlich ein erstes Computerprogramm mit dem netten Namen "Eliza". Das ist genau dieser Tradition nachempfunden von Joseph Weizenbaum, einer der ersten großen Forscher der künstlichen Intelligenz, der KI. Und dort, in diesem "ELIZA"-System, beruht das Antwort-und-Frage-Spiel noch auf einfachen programmatischen, syntaktischen Regeln, aber es ist erstaunlich, wie schon auf dieser Ebene damals also Effekte erzielt wurden.
Der Weizenbaum, der Erfinder also dieses Programms, war entsetzt darüber, als er seine Sekretärin fand, wie sie ganz versonnen dieses Programm um Rat fragte. Also, diese Idee hat schon eine lange Tradition. Und das aktuelle Beispiel, ich erinnere an Watson von IBM, das ist also ein Superrechner, der in der Lage ist, wie ein Mensch Frage und Antwort zu geben. Man könnte sich so den Günter Jauch mit seinen Frage-und-Antwort-Spielen vorstellen.
Also, so weit ist das State of the Art, so weit ist man eigentlich schon. Und das, was hier im Film beschrieben wird, ich denke mal, das ist nicht auszuschließen, dass das vielleicht so in den End-20er-Jahren, 30er-Jahren auch Wirklichkeit sein kann.
von Billerbeck: Trotzdem ist es ja so, das ist eine Maschine. Auch im Film ist es ein kleines Kästchen, es ist eine körperlose Maschine. Wir brauchen doch den Körper zur Liebe, oder nicht?
Mainzer: Ich meine, da erinnere ich nur an unsere eigenen Erfahrungen. Sehen Sie, ich kenne Sie persönlich nicht, aber ich finde, Sie haben eine sehr sympathische Stimme …
von Billerbeck: Sie machen sich ein Bild.
Mainzer: Und wenn das so weitergeht, vielleicht verliebe ich mich in diese Stimme. The voice, sagt man dann auch. Also, das ist ja durchaus möglich, wir Menschen sind komplex auch in unseren erotischen Empfindungen und können das sehr wohl an Details festmachen. Und es muss nicht immer der ganze Mensch sein.
Maschinenliebe aus Bequemlichkeit
von Billerbeck: Nun geht es ja in vielen Dingen bei dieser Mensch-Maschine-Liebe um sexuelle Dinge. Es gibt ja auch schon so Puppen, die man sich bestellen kann, und es kann ja jeder sexuell treiben, was er oder sie will, wenn er damit niemand anderen verletzt, schädigt und das Ganze im privaten Bereich tut. Das heißt, so gesehen ist das schon akzeptiert, wenn es eine Maschinenliebe gibt?
Mainzer: Ich denke, das ist auf jeden Fall akzeptiert. Vor allen Dingen in einer Welt, die zunehmend auf Individualisierung und Isolation unter Umständen auch im privaten Bereich hinausläuft, werden solche Produkte, sage ich jetzt mal, durchaus ihren Markt haben.
Im Übrigen darf man eins nicht vergessen: Wenn man sich auf einen ganzen Menschen einlässt, dann nimmt man sozusagen alles mit in Kauf. Das ist ja nun die große Herausforderung der, ich sage mal, traditionellen Liebe jetzt. Aber hier hätte man nur ein bestimmtes Segment, möchte ich mal sagen, das auch vielleicht besser manipulierbar ist und leichter wieder abgeschaltet werden kann. Und alleine aus dieser Bequemlichkeit heraus gebe ich dem Ganzen tatsächlich eine große Chance.
von Billerbeck: Das heißt, wir wollen die unangenehmen Seiten einer Beziehung, einer Liebe lieber nicht haben und nehmen dafür die Maschine, die so ist, wie wir sie uns wünschen?
Mainzer: Das Interessante an dem Film ist – und das macht ihn wirklich so spannend –, dass hier ja weitergesponnen wird. Das heißt, diese Software entwickelt ja ein Eigenleben. Und der Gipfel ist – das fand ich ausgesprochen originell –, als die Software dann gesteht, sie hätte über 8.000 Kontakte – das kennt man ja heute von den sozialen Medien übrigens auch –, und dann wird aber festgestellt: Und in 641 Partner bin ich verliebt!
Und das Interessante an dem Film ist auch, dass das querbeet geht, das heißt also, dass auch die Identität – Mann, Frau und so weiter – infrage gestellt wird. Damit wird gespielt. Ich denke, das spiegelt sehr gut eigentlich eine Entwicklungstendenz in der westlichen Zivilisation derzeit wider.
von Billerbeck: Nun sind Deutsche bekanntlich die skeptischsten Menschen, wenn es um neue Technologien geht, vor allem, wenn diese Technologien in ihren Alltag Einzug halten. Und dann noch in ihr Gefühlsleben! Und dann wird natürlich sofort die Frage gestellt: Wenn so eine Maschine so konstruiert ist, dass man sich in sie verlieben kann oder ihr einfach nur vertraut, dann kann das ja auch missbraucht werden! Wie gefährlich ist denn das?
Wahrscheinlich mehr Akzeptanz in USA und Asien
Mainzer: Natürlich kann es, wie alle Technik, missbraucht werden. Aber ich glaube, das ist auch sehr stark generationenabhängig und es ist kulturabhängig. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass die jüngere Generation, so wie heute mit den Apps und mit den sozialen Medien unterwegs, also einfach spielerisch mit solchen Software-Systemen umgegangen wird und experimentell. Hinzukommt der unterschiedliche soziale und kulturelle Hintergrund, Sie haben schon erwähnt, Deutschland ist besonders konservativ. Und ich könnte mir vorstellen, in Asien beispielsweise, USA, wird das eine ganz andere Akzeptanz finden.
Was die Gefährlichkeit betrifft, das sehe ich bei der Software in Maßen. Das wird natürlich so sein, dass das ein Thema wird vielleicht für Psychologen, dass aus den eben genannten Gründen viele Menschen die Flucht auch suchen und dann lieber solche, wie sie glauben, steuerbare Partnerschaften eingehen, als sich wirklich auf einen ganzen Menschen einzulassen. Aber solche Dinge werden kommen und sie werden existieren und wir schaffen sie auch nicht durch Moralisieren aus der Welt, sondern wir müssen dann einen richtigen Zugang finden und mit der gebotenen Toleranz, die Sie eben schon angemahnt haben, damit umgehen.
von Billerbeck: Herr Mainzer, da Sie meine Stimme schon erwähnt haben, da will ich zum Schluss natürlich wissen, ob Sie sich vorstellen können, sich in eine intelligente, witzige, zartfühlende Maschine zu verlieben, die vielleicht meine Stimme hat?
Mainzer: Ich habe es ja eben schon angedeutet, dass ich diese Möglichkeit nicht ausschließe!
von Billerbeck: Der Technikphilosoph Klaus Mainzer, Professor am Münchener Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie, über einen Fall von Maschinenliebe, der jetzt diese Woche im Kino zu besichtigen ist, denn der Film "Her" kommt in die Kinos. Herr Mainzer, ganz herzlichen Dank!
Mainzer: Ja, danke, bis dann, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.