Computerschach per Gedankensteuerung
An zahlreichen Instituten arbeiten Wissenschaftler hinter verschlossenen Türen an einer technischen Revolution: Sie entwickeln Maschinen, die sich allein durch Gedanken steuern lassen. Forschern der TU Berlin ist es jetzt gelungen, ein entsprechendes Computer-Schachspiel zu programmieren: Ein Mensch tritt dabei gegen einen Rechner an.
Das Besondere an diesem Experiment: Die Versuchsperson steuert das Schachspiel allein mit Gedankenkraft – physische Bewegungen sind nicht notwendig. Die Wissenschaftler hoffen, auf diesem Weg auch weitere Methoden entwickeln zu können, mit denen sich Hirnaktivitäten elektronisch auslesen lassen.
"Wir machen dir jetzt zuerst mal den Experimentstuhl so bequem wie möglich. Also leg mal deine Arme links und rechts ab und sag mir, ob die Armstützen ein bisschen höher, tiefer, anders ausgerichtet sein sollen."
Thorsten Dickhaus sitzt in einem breiten Kippstuhl: Armlehnen, Fußstützen und weiche Polster sollen es ihm so angenehm wie möglich machen. Denn auf ihn wartet eine Weltpremiere: Schachspielen allein mit Gedankenkraft.
"Ja, ich bin natürlich total aufgeregt. Ich spiel schon seit 20 Jahren Schach im Verein, aber immer ganz klassisch, am Holzbrett und das jetzt hier mal über EEG-Steuerung versuchen zu dürfen und meine Gedankenkraft direkt ins Schachspiel umzusetzen, das ist eine ganz neue Erfahrung für mich."
Bevor es losgeht, muss er sich eine EEG-Kappe aufsetzen: Es ist eine weiße Stoffhaube mit zahlreichen kleinen Löchern. Versuchsleiter Michael Tangermann schmiert vorsichtig ein Kontaktgel in die Öffnungen und befestigt dann 14 Elektroden an der Kappe. Sie messen die elektronische Aktivität der Hirnströme.
"Also diese Signale, die wir hier messen, die sind wirklich nur im Mikrovoltbereich, das sind also Millionstel Volt, und die werden überlagert durch allerhand Störsignale, die von außen kommen. Durch das Stromnetz hier, durch irgendwelche elektrischen Geräte, die auch noch in dem Raum hier aktiv sind. Und die mathematischen Algorithmen müssen schon sehr, sehr gute, intelligente Filterungstechniken anwenden, um die Signale rauszuziehen aus dem ganzen Wirrwarr, aus dem ganzen Durcheinander, die diese Aufmerksamkeit von Herrn Dickhaus repräsentieren."
Und Aufmerksamkeit ist der Schlüssel für die Gedankensteuerung: Vor jedem Schachzug zeigt der Monitor in zufälliger Reihenfolge die Figuren an, die als nächstes gesetzt werden können: Bauer, Dame oder Läufer blinken dann einen kurzen Augenblick lang auf.
"Wenn Herr Dickhaus sich jetzt auf eine bestimmte Figur einschießt und sagt, die will ich ziehen, dann konzentriert er sich nur noch auf die visuellen Hervorhebungen von dieser einen Figur und versucht alle anderen visuellen Hervorhebungen, die woanders auf dem Bildschirm passieren zu ignorieren, und dann können wir das auch sehen im EEG."
Die EEG-Sensoren messen diese elektronische Aktivität im Hirn und leiten sie an eine Software weiter. Der Clou dabei: Sobald die ausgewählte Figur auf dem Monitor blinkt, wird ein besonders starkes EEG-Signal ausgelöst. Aufgabe der Software ist es, dieses Signal zu erkennen. Zunächst aber muss die Hirnaktivität des Spielers analysiert und das Programm entsprechend angepasst werden. Die Forscher lernen dabei, wie sie ihre Erkennungs-Software programmieren müssen, um eine möglichst hohe Trefferquote zu erzielen.
"Dann kommen wir jetzt in die Kalibrierungsphase des Experiments. Wir werden unserem Gedankenschachspieler eine ganze Sequenz von Spielsituationen zeigen, in denen dann die Schachfiguren, die in historischen Partien auch gewählt wurden und gesetzt wurden, kurz aufblinken, aufleuchten. Und unser Gedankenschachspieler wird in der Zeit gebeten, einfach mitzuzählen, wie oft die Spielfigur so ein Highlighting erfährt."
Nach jedem vom Computer ausgewählten Zug blinken neben der gesetzten Figur auch andere Spielfiguren auf. Der Computer lernt jetzt, wie die Erregungskurve von Thorsten Dickhaus aussieht, sobald die tatsächlich gespielte Figur aufleuchtet – denn auf sie allein konzentriert sich der junge Mann. Nach einer halben Stunde ist die Lernphase abgeschlossen.
"Die Analyse hat gezeigt, dass der Computer jetzt mit 83-prozentiger Sicherheit eine Figur unterscheiden kann, auf die Herr Dickhaus seine Aufmerksamkeit richtet, von einer Figur, die ihm egal ist in dem Moment."
Los geht's mit dem Gedankenschach: Thorsten Dickhaus tritt gegen den Computer an. Der eröffnet die Partie – dann gibt es zehn Sekunden Bedenkzeit, anschließend leuchten die Figuren auf, die der menschliche Herausforderer setzen kann. Ein Novum - ganz ohne Hilfsmittel wie Maus und Tastatur.
"Das ist zunächst mal, wenn man einfach sonst nur Schach am Computer spielt, natürlich ungewohnt, aber dadurch, dass es diese Kalibrationsphase vorher gab, habe ich mich an dieses Verhalten des Programms gewöhnt. Ich muss mich auf ein Feld konzentrieren und der Rest dieses Blinkens muss mir ohnehin egal sein und das bekomme ich auch hin."
Regungslos sitzt der Spieler vor dem Bildschirm. Vor jedem Zug fixiert er die Figur, die er setzen will, konzentriert sich anschließend auf das Zielfeld. Danach führt das Programm den entsprechenden Zug aus. Als nächstes ist der Rechner an der Reihe. 22 Zügen dauert diese erste Gedankenschachpartie – dann ist der Computer besiegt. Ein Sieg trotz einiger technischer Mängel.
"In der Anfangsphase der Partie, so im sechsten, siebten Zug, sind auch manchmal Fehler des Programms gemacht worden, wo falsche Züge detektiert worden sind, die eigentlich gar nicht hätten ausgeführt werden sollen. Das hatte aber zum Glück keinen großen negativen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf."
Ein erfolgreicher erster Laborversuch für eine Anwendung, die künftig einmal vollständig gelähmten Menschen helfen soll. Bis zu einer möglichen Serienreife ist es allerdings noch ein weiter Weg, sagen die Entwickler. Doch die erste Hürde ist genommen.
"Das hat richtig Spaß gemacht! Also einen Computer zu schlagen, ist natürlich für einen menschlichen Spieler immer eine ganz tolle Erfahrung, aber wenn einem das natürlich allein durch Gedankenkraft, ohne Zuhilfenahme der Hände oder einer Maus oder so gelingt, ist es noch mal ein wesentlich erhebenderes Gefühl, und ich kann sagen: War echt super."
"Wir machen dir jetzt zuerst mal den Experimentstuhl so bequem wie möglich. Also leg mal deine Arme links und rechts ab und sag mir, ob die Armstützen ein bisschen höher, tiefer, anders ausgerichtet sein sollen."
Thorsten Dickhaus sitzt in einem breiten Kippstuhl: Armlehnen, Fußstützen und weiche Polster sollen es ihm so angenehm wie möglich machen. Denn auf ihn wartet eine Weltpremiere: Schachspielen allein mit Gedankenkraft.
"Ja, ich bin natürlich total aufgeregt. Ich spiel schon seit 20 Jahren Schach im Verein, aber immer ganz klassisch, am Holzbrett und das jetzt hier mal über EEG-Steuerung versuchen zu dürfen und meine Gedankenkraft direkt ins Schachspiel umzusetzen, das ist eine ganz neue Erfahrung für mich."
Bevor es losgeht, muss er sich eine EEG-Kappe aufsetzen: Es ist eine weiße Stoffhaube mit zahlreichen kleinen Löchern. Versuchsleiter Michael Tangermann schmiert vorsichtig ein Kontaktgel in die Öffnungen und befestigt dann 14 Elektroden an der Kappe. Sie messen die elektronische Aktivität der Hirnströme.
"Also diese Signale, die wir hier messen, die sind wirklich nur im Mikrovoltbereich, das sind also Millionstel Volt, und die werden überlagert durch allerhand Störsignale, die von außen kommen. Durch das Stromnetz hier, durch irgendwelche elektrischen Geräte, die auch noch in dem Raum hier aktiv sind. Und die mathematischen Algorithmen müssen schon sehr, sehr gute, intelligente Filterungstechniken anwenden, um die Signale rauszuziehen aus dem ganzen Wirrwarr, aus dem ganzen Durcheinander, die diese Aufmerksamkeit von Herrn Dickhaus repräsentieren."
Und Aufmerksamkeit ist der Schlüssel für die Gedankensteuerung: Vor jedem Schachzug zeigt der Monitor in zufälliger Reihenfolge die Figuren an, die als nächstes gesetzt werden können: Bauer, Dame oder Läufer blinken dann einen kurzen Augenblick lang auf.
"Wenn Herr Dickhaus sich jetzt auf eine bestimmte Figur einschießt und sagt, die will ich ziehen, dann konzentriert er sich nur noch auf die visuellen Hervorhebungen von dieser einen Figur und versucht alle anderen visuellen Hervorhebungen, die woanders auf dem Bildschirm passieren zu ignorieren, und dann können wir das auch sehen im EEG."
Die EEG-Sensoren messen diese elektronische Aktivität im Hirn und leiten sie an eine Software weiter. Der Clou dabei: Sobald die ausgewählte Figur auf dem Monitor blinkt, wird ein besonders starkes EEG-Signal ausgelöst. Aufgabe der Software ist es, dieses Signal zu erkennen. Zunächst aber muss die Hirnaktivität des Spielers analysiert und das Programm entsprechend angepasst werden. Die Forscher lernen dabei, wie sie ihre Erkennungs-Software programmieren müssen, um eine möglichst hohe Trefferquote zu erzielen.
"Dann kommen wir jetzt in die Kalibrierungsphase des Experiments. Wir werden unserem Gedankenschachspieler eine ganze Sequenz von Spielsituationen zeigen, in denen dann die Schachfiguren, die in historischen Partien auch gewählt wurden und gesetzt wurden, kurz aufblinken, aufleuchten. Und unser Gedankenschachspieler wird in der Zeit gebeten, einfach mitzuzählen, wie oft die Spielfigur so ein Highlighting erfährt."
Nach jedem vom Computer ausgewählten Zug blinken neben der gesetzten Figur auch andere Spielfiguren auf. Der Computer lernt jetzt, wie die Erregungskurve von Thorsten Dickhaus aussieht, sobald die tatsächlich gespielte Figur aufleuchtet – denn auf sie allein konzentriert sich der junge Mann. Nach einer halben Stunde ist die Lernphase abgeschlossen.
"Die Analyse hat gezeigt, dass der Computer jetzt mit 83-prozentiger Sicherheit eine Figur unterscheiden kann, auf die Herr Dickhaus seine Aufmerksamkeit richtet, von einer Figur, die ihm egal ist in dem Moment."
Los geht's mit dem Gedankenschach: Thorsten Dickhaus tritt gegen den Computer an. Der eröffnet die Partie – dann gibt es zehn Sekunden Bedenkzeit, anschließend leuchten die Figuren auf, die der menschliche Herausforderer setzen kann. Ein Novum - ganz ohne Hilfsmittel wie Maus und Tastatur.
"Das ist zunächst mal, wenn man einfach sonst nur Schach am Computer spielt, natürlich ungewohnt, aber dadurch, dass es diese Kalibrationsphase vorher gab, habe ich mich an dieses Verhalten des Programms gewöhnt. Ich muss mich auf ein Feld konzentrieren und der Rest dieses Blinkens muss mir ohnehin egal sein und das bekomme ich auch hin."
Regungslos sitzt der Spieler vor dem Bildschirm. Vor jedem Zug fixiert er die Figur, die er setzen will, konzentriert sich anschließend auf das Zielfeld. Danach führt das Programm den entsprechenden Zug aus. Als nächstes ist der Rechner an der Reihe. 22 Zügen dauert diese erste Gedankenschachpartie – dann ist der Computer besiegt. Ein Sieg trotz einiger technischer Mängel.
"In der Anfangsphase der Partie, so im sechsten, siebten Zug, sind auch manchmal Fehler des Programms gemacht worden, wo falsche Züge detektiert worden sind, die eigentlich gar nicht hätten ausgeführt werden sollen. Das hatte aber zum Glück keinen großen negativen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf."
Ein erfolgreicher erster Laborversuch für eine Anwendung, die künftig einmal vollständig gelähmten Menschen helfen soll. Bis zu einer möglichen Serienreife ist es allerdings noch ein weiter Weg, sagen die Entwickler. Doch die erste Hürde ist genommen.
"Das hat richtig Spaß gemacht! Also einen Computer zu schlagen, ist natürlich für einen menschlichen Spieler immer eine ganz tolle Erfahrung, aber wenn einem das natürlich allein durch Gedankenkraft, ohne Zuhilfenahme der Hände oder einer Maus oder so gelingt, ist es noch mal ein wesentlich erhebenderes Gefühl, und ich kann sagen: War echt super."