Die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet
Bei der Gamescom haben sich Branche und Medien für das gefeiert, was sowieso gut funktioniert - Probleme wurden gekonnt ignoriert. Und doch blitzte ab und zu spielerische Innovation auf. Eine Bilanz.
"Next Level Of Entertainment"? Um das zu erreichen, braucht es doch Innovation, nicht wahr? Lässt sich die auf der Gamescom finden? Vielleicht beim Gamescom Award? Der wird ja jedes Jahr bei der Spielemesse vergeben. Ein Titel, der wie dieses Jahr in drei Jury-Kategorien ausgezeichnet wird und dazu noch den "Best of Gamescom-Award" und den Publikumspreis gewinnt, der muss doch was ganz Neues sein, oder?
Nun ja. "Star Wars Battlefront" ist eher das Gegenteil von Innovation: Eine der beliebtesten und ältesten Science-Fiction-Welten, werden vom Macher einer der beliebtesten Shooter-Reihen - nämlich "Battlefield" - in ein Actiongewand gepresst. Und das ist dann das beste Spiel.
Man feiert eben hier auf der Gamescom das, was schon immer gut funktioniert hat. Das zeigt auch ein Blick auf die anderen Titel, viele Fortsetzungen - dass eine 3, 4 oder 5 Teil des Namens ist, ist nicht ungewöhnlich. Auch eine 7 wurde schon gesehen. Aber es ist nicht alles verloren, es gibt ja noch:
"Eine internationale Eliteeingreiftruppe zur Beendigung des Krieges und zur Wiederherstellung der Freiheit aller Nationen: Overwatch."
"Overwatch" ist ein Vertreter einer Spielart, die nicht ganz neu und unbekannt ist, aber von immer mehr Entwicklern für sich entdeckt wird: Spieler treten online in kleinen Teams gegeneinander in kurzen Gefechten an und können dabei aus einer Vielzahl an Spielfiguren auswählen.
Innovation in kleinen Schritten
Ob als Egoshooter wie hier bei "Overwatch" oder als Actionstrategiespiel wie bei "Arena of Fate": Die Spiele eignen sich hervorragend zum Zuschauen und zum Kommentieren der sportlichen Teamkämpfe - die eSports-Szene, bei der Spielpartien live übertragen werden, ist hier als Zielgruppe fest im Blick. Es darf auf der Gamescom aber auch einfach spielerisch bleiben:
"Ich prophezeie ein Comeback des Local Multiplayer, definitiv. Weil Spielspaß bei zwei plus Spielern schnell da ist, also wenn ich mit anderen Leuten spiele, kann das Spiel sogar teilweise nicht so ausgereift sein, das ist immer noch geil. Ich glaub, das ist was, wo gerade die Indies viel machen können und wo die Indies auch viel machen werden."
Glaubt Robin Kocaurek von Klonk Games. Die kleine unabhängige Firma arbeitet gerade an "Shift Happens", einem sogenannten "Local Multiplayer"-Spiel, bei dem man gemeinsam vor einem Bildschirm miteinander oder gegeneinander spielen kann.
Bei den Spielen gibt es also immerhin Innovation in kleinen Schritten. Bei der Hardware steht hingegen eine Neuheit vor der Marktreife, auf die schon seit Jahren gewartet wird: Virtual Reality. Klobige Plastikbrillen, fast Helme, die sich der Spieler aufsetzt. Durch zwei kleine Bildschirme nehmen Augen und Gehirn die Computerbilder so wahr, als sei man wirklich in der virtuellen Welt. Bis jetzt wurden nur Prototypen der Firmen Sony, Oculus und HTC vorgestellt.
Nun haben die Geräte Marktreife erlangt und sollen demnächst wirklich erscheinen. Michael Wieczorek vom Fachmagazin Golem hat das Gerät von HTC ausprobiert:
"Hat mich extrem beeindruckt, weil es eine echte Raumerfahrung ist. Es ist also nicht diese Virtual Reality, die wir jetzt schon von Oculus kennen und die wir auch von Sony kennen, mit Project Morpheus, die ja was Vergleichbares machen, es ist eine Raumerfahrung, man bewegt sich im Raum, man nimmt in der einen Ecke Sachen auf, benutzt sie in der anderen Ecke, kann ganz diffizile kleine Sachen benutzen, was extrem beeindruckend ist und sich extrem echt anfühlt."
Wird es genug Spiele geben, die langfristig motivieren?
Aber auch wenn die Hardware toll ist, bleibt die wichtigste Frage nach wie vor unbeantwortet: Wird es genug Spiele geben, die langfristig motivieren? Oder bleibt die Virtual Reality eine beeindrucke Einmalerfahrung? Auf der Gamescom gab es darauf noch keine Antwort.
Und genau das – das Nicht-Beantworten, oder zumindest Nicht-befriedigend-Beantworten von wichtigen Fragen – war auch eine Spezialität des Gamescom-Congresses, der am Rande der Messe stattfand. Illustriert werden soll das an zwei Beispielen. Nummer eins: Der Umgang der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Thema Computerspiel – und fehlende Sendungen für die Zuschauer.
"Und man hat als erwachsener Gamer, die es ja auch gibt, überhaupt nichts, was man gucken kann, oder? Also ist das... Wo soll ich hingehen? Helft mir!"
Die Experten auf dem Podium ließen diese Frage von Moderator Max von Malotki unbeantwortert und spekulierten stattdessen lieber weiter über die YouTuber im Jugendkanal.
Sie wussten anscheinend nicht, dass der durchschnittliche Gamer keinswegs 18, sondern eher Mitte dreißig ist. Beispiel Nummer zwei: Eine Podiumsdiskussion zu Schwierigkeiten und Benachteiligungen von Frauen in der Gamesbranche, die eine Teilnehmerin im fast leeren Veranstaltungsraum frustriert so zusammenfasst:
"Was mich wirklich irritiert, die ganze Zeit, ist die Anzahl der männlichen Teilnehmer hier im Publikum, und überhaupt die Anzahl der Teilnehmer, ich erwarte nächstes Jahr beim Gamescom-Congress ein volles Haus bei so einem Panel und 50 Prozent Männer, das wär meine Vision."
Und das ist dann auch irgendwie das Fazit der Gamescom: Die Branche und Medien feiern sich selbst für Dinge, die eh schon gut funktionieren, Probleme werden eher ignoriert und trotzdem ist zwischendurch ein kleines bisschen spielerische Innovation zu sehen. "Next Level Of Entertainment" ist das allerdings nicht. Vielleicht klappt's ja nächstes Jahr.