"Super Mario" und wie unser Hirn denkt
Das beliebte Computerspiel "Super Mario" gibt es jetzt auf dem Smartphone. Der Informatiker Martin Butz ist auch ein Fan der Spielefigur des kleinen runden Klempners und hat sie für seine Forschungsarbeit mit künstlicher Intelligenz ausgestattet.
"In der Jugend hat man das schon gespielt", sagte der Informatiker Martin Butz im Deutschlandradio Kultur. Der Professor am Lehrstuhl Kognitive Modelle der Universität Tübingen beschäftigt sich inzwischen wissenschaftlich mit dem Computerspiel "Super Mario", erinnert sich aber noch voller Nostalgie an die Anfänge, der 1985 in Japan entwickelten beliebten Spielfigur des kleinen dicken Klempners. "Das hat ja schon Emotionalität dabei, dieses Spiel." Das Erfolgsrezept sei die einfache Spielwelt, in die man eintauchen könne und sich leicht identifizieren. Jetzt kommt die neue Version "Super Mario Run" für Smartphones und iPads auf den Markt.
Experiment in der Spielewelt
An der Universität hat der Informatiker nun versucht, "Super Mario" zu Forschungszwecken künstliche Intelligenz beizubringen. "Mein Lehrstuhl beschäftigt sich ja mit Kognition, also wie unser Hirn denkt", sagte Butz."Da ist so eine kleine Spielewelt sogar recht gut geeignet, dem Spieler eben ein bisschen Kognition beizubringen und zu schauen, wie Theorien von der Kognitionswissenschaft, der Psychologie, auch von der Informatik, der künstlichen Intelligenz vor allen Dingen da zusammenpassen und da in so einer Spielfigur implementiert werden können."
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Wenn Sie diese Musik hier nicht mit einem kleinen, dicken Klempner verbinden, dann sind die letzten gut 30 Jahre unserer Zivilisation ziemlich spurlos an Ihnen vorübergegangen!
Das ist ein Riesenhit, wenn auch nicht unbedingt bei iTunes, wobei sich genau das jetzt auch noch ändern könnte. Das ist nämlich die "Super Mario"-Musik. Wobei, als das Spiel 1985 in Japan zum ersten Mal auf den Markt kam, da klang sie akustisch noch sehr viel simpler als das, was wir gerade gehört haben. Und ab heute kann man "Super Mario Run" auch auf dem iPhone spielen und das darf man als zusätzliche Entwicklung bei diesem ohnehin schon so erfolgreichen Spiel angesichts der Verbreitung dieses Smartphones nicht unterschätzen.
Der runde Klempner ist definitiv alive and kicking und deshalb auch ein Thema für uns im Gespräch mit Martin Butz. Er ist Professor an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Tübingen und hat dort den Lehrstuhl für Kognitive Modelle, "Cognitive Modeling". Einen schönen guten Morgen, Herr Butz!
Martin V. Butz: Ja, schönen guten Morgen!
Kassel: Wenn Sie diese Musik hören – Sie haben es auch noch am Telefon gehört, das dürfte dann ungefähr die Klangqualität sein, die es am Anfang gehabt hat – verbinden Sie damit sentimentale Gefühle?
Butz: Ja, ein bisschen schon. Also, in der Jugend hat man das schon gespielt, vor allen Dingen später dann eigentlich, als die D3-Version rauskam auf dem Nintendo GameCube vor allen Dingen. Und ja, das hat natürlich irgendwie Emotionalität dabei, dieses Spiel.
Eintauchen in die Spielewelt
Kassel: Dann erklären Sie mal jemandem, der vielleicht auch zuhört, der es wirklich geschafft hat, dieses Spiel 32 Jahre lang zu ignorieren, erklären Sie mal, was "Super Mario" so attraktiv macht!
Butz: Ich denke, eine einfache Spielewelt, in die man eintauchen kann, sich identifizieren kann mit bestimmten Personen, vor allen Dingen Mario, aber man spielt ja manchmal auch einen anderen. Und in der Welt ist man dann eigentlich, ja, eine lustige kleine Person, die immer wieder was schaffen will und schaffen darf. Und das ist machbar, erreichbar, man hat ein Ziel vor Augen und schafft das dann. Und das ist dann für uns natürlich belohnend, teilweise belohnender als in der echten Welt, wo ja Ziele deutlich unklarer häufig sind und teilweise auch unerreichbar scheinen.
Kassel: Und auch lohnender als in manch anderen Teilen der Spielwelt, weil es eben nicht so kompliziert ist und weil man nicht irgendwie nächtelang durchspielen muss – aber natürlich kann, wenn es einen nicht loslässt. Aber dass es im Grunde genommen bis heute, trotz der technischen Fortschritte, ein sehr simples Spiel ist, ist wahrscheinlich schon Teil des Erfolgsgeheimnisses?
Butz: Auf jeden Fall, und auch genau das, was Sie gerade gesagt hatten. Also, die Belohnungen sind ja schön verteilt, da gibt es überall kleine Münzchen und so weiter und dann kann man mal einen Gegner plattmachen und so. Also, schön kleine Belohnungen, und dann kann man auch fürs große Ganze dann gehen und dann sich da, genau, verlieren darin auch.
Kassel: Jetzt werden wir an dieser Stelle oberflächlich betrachtet kurz absurd. Denn während wir jetzt gerade darüber geredet haben, dass das Spiel so toll ist, weil es so einfach ist, würde ich jetzt gern mit Ihnen darüber reden, dass Sie zusammen mit Ihren Mitarbeitern ja doch irgendwie versucht haben dafür zu sorgen, dass es nicht mehr so einfach ist. Denn Sie haben in einem wissenschaftlichen Projekt, ja, wie soll ich das nennen … Sie haben versucht, Super Mario künstliche Intelligenz beizubringen? Oder gehe ich jetzt zu weit?
Butz: Ja, nee, doch, genau das haben wir eigentlich gemacht. Also, ja, mein Lehrstuhl beschäftigt sich ja eben mit Kognition, also wie unser Gehirn denkt. Und da ist eigentlich so eine kleine Spielewelt sogar recht gut geeignet, dem Spieler eben ein bisschen Kognition beizubringen und schauen, wie Theorien von der Kognitionswissenschaft, Psychologie auch und auch von der Informatik, also in der künstlichen Intelligenz vor allen Dingen da zusammenpassen und da in so einer Spielfigur dann implementiert werden können. Allerdings ist es auch immer noch ein bisschen ein Spiel.
Jetzt sei mal neugierig
Kassel: Sollte es sein! Aber was heißt denn das? Kann ich mir vorstellen, wenn ich … Die ist ja nicht öffentlich, aber wenn ich Ihre Version spiele, dann ist Super Mario jemand, der wirklich denkt, der mit mir diskutiert und Ähnliches?
Butz: Ja, da wollen wir hin, dass er wirklich diskutiert und so. Aktuell versteht er aber zumindest sprachliche Kommandos und ich kann ihn auch einfach motivational einstellen. Also, ich kann ihm sagen: Jetzt sei mal besonders neugierig, und dann sucht er alle Objekte und so weiter ab, von denen er noch nicht so viel weiß, und dann lernt er auch, was diese Objekte … was da passiert, wenn er reinspringt und so weiter. Und das speichert er sich dann wieder ab und das kann er dann auch wieder berichten.
Kassel: Nun ist gerade Neugier so ein Beispiel. Also, ich könnte mir vorstellen, dass so typisch menschliche Eigenschaften in die virtuelle Welt zu übertragen nicht leicht ist. Neugier, Sie haben es gerade beschrieben, klar, wer neugierig ist, guckt sich alles genauer an, sucht besonders intensiv, schön und gut. Aber können Sie in diesem Modell Mario auch sagen, er soll besonders ängstlich sein, übel gelaunt, besonders wütend? Kann man so was vermitteln?
Butz: Ja, das geht schon zu einem gewissen Grad auch. Also, es ist halt immer so ein … Es ist ganz interessant, es gibt natürlich so zwei Ebenen, einerseits kann ich das skripten, also, ich kann es programmieren und sagen: Okay, wenn du übel gelaunt bist, dann mach das und das und das. Aber gerade bei der Neugier eigentlich machen wir es nicht so, sondern wir machen es schon informationstheoretisch, also schon auch so, wie man sich Neugier bei uns im Gehirn vorstellt. Nämlich dass wir, wenn wir neugierig sind, eben wirklich Dinge untersuchen, von denen unser Wissen relativ niedrig ist.
Und das ist also dann keine Wenn-dann-Regel mehr, sondern die Attraktivität von Dingen in der Welt wird einfach neu gewichtet. Und die Gewichtung beinhaltet eben auch Ding… Also besonders die Erwartungen darüber, dass ich irgendwo mehr dazulerne. Und das mache ich dann besonders. Und dieses Mehr-Dazulernen ist halt keine Regel mehr, sondern ist wirklich eine informationstheoretische, mathematische Formel im Endeffekt.
Die Zukunft der Cmputerspiele
Kassel: Aber wenn ich das jetzt höre, dann stellt sich die Frage: Wie wird es eigentlich wohl weitergehen mit der Zukunft der Computerspiele, auf welcher Plattform auch immer? Wir haben den großen "Pokémon Go"-Hype erlebt vor einigen Monaten, da geht es um was anderes, um Augmented Reality.
Butz: Genau.
Kassel: Aber es ist ja auch eine Vermischung von virtueller Welt und echter Welt, in dem Fall optisch im wahrsten Sinne des Wortes. Ist die Zukunft der Computerspiele denn auch wirklich Intelligenz? Ist es etwas, was immer weniger eine künstliche Welt ist? Oder bleibt es doch dabei, dass das Faszinierende gerade die Künstlichkeit ist?
Butz: Ich denke, das ist eine neue Option, die wir da vielleicht mitgestalten. Also, ich denke sicherlich, dass man einerseits weiterhin … Also, "Mario" wird sicherlich noch lange Zeit, glaube ich, auch so, wie er jetzt ist, eben sehr spannend sein, einfach weil man da kurz mal abschalten kann, einfach da rumspringt, die Person ist und so weiter. Wenn wir den Spieler jetzt zu intelligent machen, dann ist das glaube ich noch mal eine ganz andere Spieldimension, die vielleicht attraktiv wird in der Zukunft zu einem gewissen Grad.
Gerade wenn man das so mit sozialer Intelligenz und sozialer Interaktion verknüpft. Dann ist es aber ein anderes Level, dann muss man nicht mehr wirklich springen und die Person sein, sondern dann ist man vielleicht mehr so der Papa oder die Mama von dem Spielfigürchen, was man dann trainiert und was dann so ein bisschen wie Tamagotchi-mäßig vielleicht interessant wird für den einen oder anderen. Und das dann vielleicht auch im Internet geteilt werden kann und Ähnliches.
Kassel: Das ist die eine Zukunft. Die Zukunft ab heute von Mario ist, dass er weiter springt, aber eben jetzt auch noch auf dem iPhone. Das haben wir zum Anlass genommen, um mit Martin Butz zu reden, Professor für Kognitive Modelle an der Universität Tübingen. Herr Butz, vielen Dank, viel Spaß bei der Arbeit und viel Spaß beim Spielen und viel Spaß, dass das nicht immer klar zu trennen ist bei Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.