Conakry – Welthauptstadt des Buchs

Wo Lesen Luxus ist

Lesesaal der einzigen Bibliothek in Conakry, der Hauptstadt von Guinea in Westafrika.
Lesesaal der einzigen Bibliothek in Conakry, der Hauptstadt von Guinea in Westafrika. © Deutschlandradio / Miriam Arndts
Von Miriam Arndts |
Conakry, die Hauptstadt von Guinea in Westafrika, wird dieses Jahr Welthauptstadt des Buches. Dabei liegt die Analphabetenrate in dem Land bei 65 Prozent. Das hindert die Politik- und Kulturelite nicht daran, das Ereignis prunkvoll zu feiern.
Auf zwei alten Pappkartons ausgebreitet liegen Bücher wie zufällig verstreut in Plastikfolie eingeschlagen. Die soll sie vor dem allgegenwärtigen Staub schützen. Viele der Bücher sehen nicht mehr ganz neu aus.
"Wir verkaufen hier Romane, von guineischen Autoren wie Tierno Monénembo, Camara Laye und französische Romane. Ich habe hier zum Beispiel 'Der letzte Tag eines Verurteilten' von Victor Hugo, aber auch Texte aus dem Koran und Schulbücher."

Baldé verkauft auf dem Taouyah-Markt in Conakry, einem typischen guineischen Markt, auf dem fast alles zu haben ist: von Mangos über frische Eier, Hygieneartikel, Kleidung bis hin zu Autoreifen und eben Büchern. Romane gibt es bei ihm ab 20.000 guineischen Franc, das sind umgerechnet zwei Euro. Die teuersten Werke, die Baldé verkauft, sind Wörterbücher. Auch manche Schulbücher kosten um die 4,50 Euro.

Ein junger Mann interessiert sich für einen Ratgeber mit dem Titel "Was Frauen wollen". Baldé nimmt auch gebrauchte Bücher in Zahlung, sagt er.
"Oder wir tauschen sie um. Wenn jemand zum Beispiel ein Schulbuch für die dritte Klasse bei uns gekauft hat und im nächsten Jahr eins für die vierte Klasse braucht, kann er das alte zurückgeben und noch etwas Geld drauflegen, dann bekommt er ein neues."
Bücherstand auf dem Taouyah-Markt in Conakry, Guinea.
Bücherstand auf dem Taouyah-Markt in Conakry, Guinea.© Deutschlandradio / Miriam Arndts

Neuerscheinungen sind unerschwinglich

Zwei- bis dreimal pro Woche fährt Baldé auf einen größeren Markt in Conakry, um neue Bücher zu kaufen und eventuell nach Bestellungen von Kunden zu suchen. Literarische Neuerscheinungen gibt es dort aber nicht. Die gibt es nur in den wenigen Buchläden im schicken Stadtzentrum, in das sich die große Mehrheit der fast zwei Millionen Einwohner Conakrys nie oder nur sehr selten verirrt. Dort kosten Bücher ähnlich viel wie in Deutschland – während das durchschnittliche Monatseinkommen in Guinea bei unter 40 Euro liegt.

Die Bibliothek von Kobaya, einem sehr einfachen Vorort von Conakry, ist überschaubar. Für jede Kategorie – zum Beispiel Recht und Politik, Biologie, ausländische Romane und Cartoons – gibt es je ein Regalbrett. Die Ausleihe geht hier analog vonstatten. Der junge Bibliothekar zieht einen Strich unter dem letzten Eintrag im Ausleih-Heft, trägt den Titel Nummer des Buches und das Datum ein, eine junge Frau unterschreibt. Mariama, 17 Jahre alt, hat sich für einen Liebesroman entschieden.
"Ich mag solche Bücher. Das ist, wie eine Serie zu gucken. So ein Buch lese ich an einem Tag durch."

In ihrer Berufsschule gibt es keine Bibliothek. Die einzige Schullektüre, die sie hat, ist das Heft, in das sie die Tafelanschriften der Lehrer abschreibt.
Barry steht vor dem Regal mit den Geschichtsbüchern. Der Student ist heute zum dritten Mal hier.
Student Barry sucht in der Bibliothek in Conakry (Guinea) ein Buch für sein Seminar
Student Barry sucht in der Bibliothek in Conakry ein Buch für sein Seminar.© Deutschlandradio / Miriam Arndts
"Ich habe mich dem Wissen verschrieben. Wer Wissen sucht, findet es in Büchern. Ich komme leider aus einer Analphabetenfamilie, meine Eltern lesen nicht. Aber ich umgebe mich mit Leuten, die lesen und die sich für Bücher interessieren."

"Das Buch ist ein Luxusobjekt"

Zur Bibliothek gehört auch ein kleiner Lesesaal, ein noch leerer Raum, der einmal zum Computerraum werden soll, sowie das Büro des Leiters Malick Bah. Der Schulbuchautor hat die Bibliothek von Kobaya vor fünf Jahren gegründet. Sie ist ein Projekt seiner Nichtregierungsorganisation CECODE. Neben der Bibliothek des Franko-Guineischen Kulturzentrums in der fernen Stadtmitte ist sie die einzige Bibliothek in der Hauptstadt, die regelmäßig geöffnet ist.
"Ich wohne seit zehn Jahren in diesem Viertel und mir ist aufgefallen, dass die Leute nicht lesen. Es hat ja auch nicht jeder Zugang zu Büchern. Die sind teuer, in der Schule wird das Lesen nicht gefördert, es gibt nicht genug Bibliotheken – das Buch ist ein Luxusobjekt."
In der Startphase hat die französische Botschaft in Guinea die Bibliothek von Kobaya finanziell unterstützt, heute jedoch nicht mehr. Auch öffentliche Gelder vom guineischen Staat bekommt die Bibliothek nicht. Heute finanziert sie sich durch Buchprojekte des Gründers Malick Bah und durch Mitgliedsbeiträge der Nutzer, umgerechnet 1,50 Euro pro Monat.
"Viele der jungen Leute hier können das nicht aufbringen. Wir lassen sie meist trotzdem lesen. Wir wollen sie ja zum Lesen anregen. Wenn wir dann noch Geld von ihnen verlangen, verlieren wir sie."
Auf dem Taouyah-Markt wird es am Nachmittag ruhiger. Baldé hat gerade noch einen Kunden. Baldé hat sein Studium der modernen Literatur vor drei Jahren abgeschlossen. Sein Traumjob ist das hier nicht.
"Mein Bruder hat Bücher verkauft und weil ich keine feste Arbeit gefunden habe, habe ich auch hier angefangen. Ich habe schließlich eine Familie zu ernähren."

Heute hat Baldé drei Bücher verkauft. Morgen wird er wieder hier stehen, wie jeden Tag, von 8 bis 18 Uhr, auch sonntags.
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