Coole Schnecken

Von Peter Kainz |
Schnecken gelten bei vielen Gärtnern als lästige Schädlinge. Dabei haben sie durchaus nützliche Funktionen wie Kompostproduktion oder Verwertung von verrottetem Pflanzenmaterial. Dass es auch einen anderen Umgang mit Schnecken geben kann als Zertreten, Zerschneiden oder Vergiften, beweisen einige wenige Pioniere, die für ein respektvolles Miteinander eintreten.
Hans-Peter Posavac: "Es fühlt sich an, ein bisschen kühl. Ich mag es auch, wenn sie geben einem Küsschen, und dann raspeln sie so leicht und es fährt so ganz zart über die, über den Finger. Das ist ein herrliches Gefühl."

Die Erde im Kambrium, in frühem Alter, vor 600 Millionen Jahren. So ähnlich muss es sich angehört haben, die Evolution ist im vollen Gange, das Leben vom Ein- zum Mehrzeller beginnt. Die Klasse der Weichtiere entsteht, darunter Gastropoden, kurz Schnecken genannt.

"Posthornschnecke, Pyramidenschnecke, Sumpfdeckelschnecke Tigerschnegel,, Weinbergschnecke, Spanische Wegschnecke, Genetzte Ackerschnecke Schnirkel - und Glasschnecke..."

Es gibt Kiemen- und Lungenschnecken. Die einen bewohnen die Meere, die anderen werden auf dem Lande heimisch und haben zum großen Teil eine kalkige Spiralschale, das Schneckenhaus.

Der Fuß trägt eine Kriechsohle und langsames, sehr langsames Fortbewegen bestimmt nunmehr den Gang dieser Tiere. Der Kopf trägt Fühler mit Augen. Ihr Geruch- und Orientierungssinn wird phänomenal ausgeprägt sein. Sie leben vorwiegend von Pflanzen.

Wenn man genau hinhört, kann man sie sogar fressen hören. Ein paar Libellen schwirren leise vorbei, sonst ist nichts weiter los in dieser Zeit. Hören wir also kurz mal rein...

Was, Sie hören nichts? Dann werden wir es noch etwas verstärken müssen.

(das feine Fressraspeln wird lauter und lauter und noch lauter - geht über in Musik, darüber:)

Hans-Peter Posavac: "Die Schnecke, die reist mit, ja. Die ist Hitchhiker, ja. Through the universe, ja. Als funktionierendes, überlebensfähiges Lebewesen."

Nana: "Wir wissen schon sehr gut, dass Schnecken durch Giftkörner zugrunde gehen. Manche zerhäckseln die auch - das fanden wir eklig und wollten deshalb mal dem ein Ende setzen."

Vollrath Wiese: "120.0000 verschiedene Arten von Weichtieren, also 100.000 verschiedene Schneckenarten, für mich ist in der Evolution dieses biologische System eigentlich das faszinierende."

Schnirkelschnecken, Bierschnegel, Puppenschnecken - so wohlklingende Namen, so vielfältige, bizarre Gehäuse, aber eine einzige bringt sie alle in Verruf?

Geht es Ihnen auch so? Sie machen früh einen Rundgang durch Ihren Garten und sehen die Schäden der vergangenen Nacht: Die jungen Dahlientriebe verschwunden, von den Studentenblumen sind nur noch die Stiele übrig und überall Spuren von Schleim. Gibt es ein Mittel dagegen? Ein sanftes vielleicht? Kann man mit Schnecken kommunizieren, sie vielleicht von ihrem schädlichen Tun abhalten? Ist "Schneckenflüstern statt Schneckenkorn" - eine ernst zu nehmende Alternative?

Zumindest behauptet das Hans-Peter Posavac, der Autor des gleichnamigen Buches. Er wohnt in Freiburg. In dem weitläufigen Heilpflanzengarten direkt an der ICE-Strecke nach Basel nimmt er sich Zeit für ein "Schneckengespräch".

Hans-Peter Posavac: "Was für ein Uraltes und erdgeschichtlich eigentlich fast einmalig altes Lebewesen das ist, ja. Die war eigentlich schon perfekt, ja. Da gab es keinen Grund mehr. Die Schnecken schlüpfen aus ihrem Ei und sind fertig, ja. Die sind zwar noch winzig, aber die haben im Prinzip alles, was sie als alte größere Schnecke auch haben Die laufen im Prinzip los und kommen ans Ziel, kommen an ihr Futter, freuen sich, ja. Nach meinen Erfahrungen sind Schnecken sehr gesellige Tiere."

Die Welt der Schnecken, dafür ist die Malakozoologie zuständig - die Lehre von den Weichtieren. Deutschlands umfangreichste Schnecken- und Muschelsammlung befindet sich in Ostholstein, nördlich von Lübeck, in Cismar - im Haus der Natur. Ausgestellt sind 4000 verschiedene Arten von Weichtieren. Mehrere Millionen Einzelexemplare - oft aus Schenkungen und Nachlässen - werden hier sorgfältig erfasst und katalogisiert. Jährlich kommen Tausende Besucher. Dr. Vollrath Wiese leitet dieses Familienunternehmen.

Vollrath Wiese: ""Es gibt in Deutschland 350 verschiedene Arten von Schnecken und Muscheln auf dem Land und im Süßwasser. In jedem normalen Garten kommen etwa, denke ich 30 bis 35 verschiedene Arten vor, davon sind vielleicht ein oder zwei Arten, die dem Gärtner wirklich Schaden zufügen, indem sie ihm Pflanzen befressen. Die allermeisten Gehäuseschneckenarten fressen überhaupt keine grünen Pflanzenteile."

Hans-Peter Posavac: "Ja, jede, jedes Tier, auch die Schnecke oder egal welches Tier, was man als Schädling bezeichnet, hat ja biologische Funktionen. Bei der Schnecke zum Beispiel, das weiß man oft nicht, die produziert ja auch Kompost. Und macht im Prinzip eine ähnliche Funktion wie der Regenwurm. Und die Schnecke, die verwertet lieber eigentlich verrottendes Material, die ist ein Aufräumer, die schaut, dass alles schön in Ordnung ist - eigentlich passt sie zu uns Deutschen ..."

Doch sie ist am meisten gescholten in deutschen Gärten, die Spanische Wegschnecke, Arion Lusitanicus. Dank der Gemüsetransporte quer durch unsere globale Welt, kommt sie überall an und bleibt, sogar in Finnland und Kanada ist sie schon gesichtet worden.

Vollrath Wiese: "Die ist ein bisschen schneller und beweglicher als unsere heimischen großen Wegschneckenarten. Sie ist ein bisschen weniger selektiv in ihrer Nahrung. Sie entwickelt sich etwas schneller, das heißt, sie schafft bis zu zwei Generationen im Jahr. Das bedeutet, wenn sie hier bei uns eingeschleppt wird, kann sie sich rapide ausbreiten."

Bevor Hans Peter Posavac zum "Schneckenflüsterer" wurde, war auch die Schneckenplage in seinem Garten unerträglich. Fünf Jahre hat er das gemacht, was viele Gartenbesitzer in Deutschland tun.

Hans-Peter Posavac: "Ja, die waren schädlich, die mussten weg. Irgendwann bin ich übergegangen, die einfach nur mit der Gartenschere zu zerschneiden, das ist so die gebräuchlichste Methode eines wütenden Gärtners, wenn er in den Garten kommt, dann greift er erst mal zur Schere und macht Ritsch-Ratsch, das hat aber immer ein komisches Gefühl hinterlassen. Das hat nicht so zusammengepasst und irgendwann hat mir das einfach aufgestoßen und ich konnte es dann nicht mehr machen. Nee. Also Töten, das passt mit meinem, mit allem, was ich im Garten machen will, passt das nicht zusammen."

Albert Schweitzer: "Tiere sind keine Menschen. Aber es sind Mitgeschöpfe, oft von unerhörter Eigenart und Schönheit, die den Menschen zuweilen zu höchsten geistigen Leistungen inspirieren können. Sie teilen mit ihm eine entscheidende Eigenschaft - das Leben - und erheben daher mit ihm denselben Anspruch: Erfurcht vor dem Leben."

Diesen Begriff prägte Albert Schweitzer, 1915. Der Philosoph, der Theologe, der Mediziner, ging 38-jährig als Tropenarzt nach Afrika, nach Lambarene im heutigen Gabun. Mittelpunkt seines Schaffens damals bildeten philosophische, theologische und kulturgeschichtliche Überlegungen zur Tierethik.
"Wahrhaft ethisch ist der Mensch nur, wenn er der Nötigung gehorcht, allem Leben, dem er beistehen kann, zu helfen, und sich scheut, irgendetwas Lebendigem Schaden zu tun. Er fragt nicht, inwiefern dieses oder jenes Leben als wertvoll Anteilnahme verdient, und auch nicht, ob und inwieweit es noch empfindungsfähig ist. Das Leben als solches ist ihm heilig. Er reißt kein Blatt vom Baume ab, er bricht keine Blume und hat acht, dass er kein Insekt zertritt. Wenn er im Sommer nachts bei der Lampe arbeit hält er lieber das Fenster geschlossen und atmet dumpfe Luft, als dass er Insekt um Insekt mit versengten Flügeln auf seinen Tisch fallen sieht."

Der Schneckenschrecken breitet sich aus. Im Norden, in der Mitte und im Süden Deutschlands werden sie zertreten, ertränkt, verbrannt und erstickt, vernichtet mit Kalk, Salz, und Bier oder mit der chemischen Keule, dem Schneckenkorn.

Vollrath Wiese: "Die chemischen Präparate haben das ganz große Problem, dass sie eben unspezifisch wirken, und auch all die Schnecken schädigen oder töten, die für uns im Garten sehr erwünscht sind, die zum Beispiel Schimmelpilze fressen oder überhaupt Pilze essen oder faulende Pflanzenteile fressen oder räuberische Schnecken, auch genauso betreffen, die sich zum Beispiel von anderen Schnecken ernähren."

In alten Büchern wird die Bekämpfung ungeliebter Gartenbewohner rigoros dargestellt, da heißt es nur nützlich oder schädlich. Gegen Wühlmäuse und Maulwürfe - die Gaspatrone und/oder sehr wirksam die Schnappfalle. UnkrautEx für Quecken, Löwenzahn und Brennnessel. Und auf Metylaldehydbasis das Schneckenkorn - hochgiftig auch für Säugetiere.

Vollrath Wiese: "Viele ganz normale Organe des Weichtierkörpers sind mit unseren zu vergleichen, manches ist anders, das heißt der Blutkreislauf der Schnecken ist offen, das heißt, wenn eine Schnecke sich verletzt, dann kann sie praktisch mehr oder weniger auslaufen. Das Blut der Posthornschnecken beispielsweise ist rot."

Ein breiteres Umdenken, das wir vielleicht als biologisch-ökologisches Zeitalter bezeichnen dürfen, hat erst in den letzten Jahrzehnten begonnen. Gesunde Ernährung, artgerechte Tierhaltung, Schutz der Natur und seiner Ressourcen - Ministerien und Bundesämter verfassen Gesetze, erlassen Verbote. Bis Albert Schweitzers Ethik Wirklichkeit ist, bleibt noch viel zu tun, doch jeder kann bei sich selber beginnen, einfach anfangen, und wenn es der eigene Garten ist.

Hans-Peter Posavac: "Und der erste Schritt ist, dass ich erstmal geschaut habe, was kann ich tun ohne töten. Thema Schneckenzaun ... ich habe dann einfach Versuche angestellt. Eierschalen ... Viele Dinge davon verwende ich auch heute noch, also von diesen Erkenntnissen. Nämlich, zum Beispiel dass, wenn ein Weg trocken ist, gehen die Schnecken da weniger gern drüber, als wenn er feucht ist. Sie lassen sich zwar nicht aufhalten, aber es ist einfach ... ich reduziere die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schnecke diesen Weg nimmt, um einige Prozentpunkte. Und alle diese Erkenntnisse, wenn man die zusammenfasst, das macht schon sehr viel aus. Also Gießen am Morgen statt Gießen am Abend hilft mir, dass meine Schnecken abends oder nachts, wenn sie unterwegs sind, vielleicht die Hälfte davon einen anderen Weg nimmt und die andere Hälfte dann vielleicht ein bisschen langsamer sich vortastet, bis sie in meine Beetbereiche kommt."

"43. Landeswettbewerb Berlin, April 2008 Jugend forscht - Schüler experimentieren.
Seite 37 - Biologie - Schneckenschleim und seine möglichen Anwendungen. "


Drei Mädchen hatten eine ungewöhnliche Idee - Mitschüler und Lehrer waren skeptisch, doch die elfjährigen Charlotte Eisert, Nana Reinhardt und die erst sechs Jahre alte Maria Eisert haben sich durchgesetzt und am Ende sogar Anerkennungsprämien vom Bezirks- und Landeswettbewerb erhalten. Sie kamen nämlich zu dem Schluss:

"Viele Menschen denken, dass Nacktschnecken schädliche Vielfraße sind. Wir aber haben entdeckt, dass sie mitunter sehr nützlich sein können: zum Beispiel als laufender Kleber, schleimige Arzthilfe und WarzAb."

Nana: "(lacht) "Wir finden die Schnecken sehr interessant. Wir wollten den Schnecken einfach mal ein besseres Image verpassen. Sie sind auch wesentlich älter, als wir es sind. Und wir wollten einfach, dass die Leute das zu schätzen wissen und wollten den Schnecken deshalb auch ein bisschen Gehör verschaffen.""

Nana lebt in Berlin Karlshorst, Tierärztin möchte sie einmal werden, der Traum vieler Mädchen. Sie erklärt die Sache mit den Warzen und den Pickeln.

"Erstmal haben wir Klebeversuche mit denen gemacht und Maria, die hat dann uns 'ne Warze an ihrem Finger gezeigt und hat mal so aus Spaß eine Schnecke draufgesetzt. In den ersten paar Tagen hat se ziemlich wehgetan, sagte Maria und dann hat's eigentlich nur noch eine Woche gedauert, bis sie dann spurlos verschwunden war."

"Durch Zufall bin ich im Internet auf die 'Schneckencreme' gestoßen. Es handelt sich um eine Creme aus Chile, die zum größten Teil aus Schneckenschleim besteht. Es hört sich etwas abschreckend an, aber man sieht es der Creme nicht an, woraus sie ist. Sie riecht ganz frisch und rein. Seit gut einem Jahr benutze ich sie morgens und abends. Meine Haut hat sich seitdem um 180° gewandelt. Akne habe ich nur noch selten und wenn ja, verschwinden die Pickel sehr schnell wieder."

Nana: "Wir haben auch ein paar Informationen aus dem Internet rausgesucht und da haben wir halt erfahren, dass der Schneckenschleim desinfizierend wirken soll. Und da haben wir auch Ausschlag und Pubertätspickel damit behandelt. Da haben wir die Schnecke halt auf den betroffenen Bereich gesetzt, haben se 'ne halbe Stunde drauf rumschleimen lassen, haben immer wieder Wasser gegeben, damit sie nicht austrocknet. Und dann haben wir die Schnecke runtergesetzt und haben dann halt gewartet."

Die heilende Wirkung des Schneckenschleims, diese mittelalterliche Erkenntnis aus der Natur, scheint neu belebt, alternative Heilverfahren sind auf dem Vormarsch. Übrigens, es war keine geringere als die nackte Spanische Wegschnecke, mit denen die Mädchen ihre Experimente durchführten.

Hans-Peter Posavac: "Alle Nacktschnecken, die wir hier haben oder praktisch alle, sind Zwitter. Also sind zweigeschlechtlich. Jede Schnecke wird Mutter und war vorher Vater. Das ist etwas, was mir auch bald aufgefallen ist, dass Schnecken sexuell sehr aktiv sind und auch sehr bewundernswert und beneidenswert da zu Wege gehen, ja. Also die haben, gerade wenn man Weinbergschnecken mal beobachtet... Die haben ein lang andauerndes Vorspiel und haben wahnsinnig viel Geduld und bleiben in inniger Umarmung Stunden lang liegen."

"Umweltschützer haben das 'Whalewatching' erfunden, um gegen die grausame Abschlachtung und Ausrottung der Wale zu kämpfen. Wir möchten mit 'Snailwatching' auf ein ebenso grausames und unnötiges Gemetzel aufmerksam machen, dessen Ausmaß nur wenigen Menschen bekannt ist. Allein in Frankreich werden jährlich 40.000 Tonnen Weinbergschnecken, das sind 1,6 Milliarden Tiere verzehrt, weltweit vermutlich noch viel mehr."

Weinbergschnecken sind vermutlich ähnlich leidensfähig wie Wale.

Peter Leonhardt und seine Frau haben das Helix-Felix Projekt ins Leben gerufen. Ihre Homepage ist seit 2002 online, in ihrem Buch "Snailwatching - Die Entdeckung der Behutsamkeit", heißt es auch:

"Es gibt viele Tiere, die sind so konstruiert, dass sie überhaupt nicht in der Lage sind, Laute von sich zu geben. Deshalb haben Menschen keine Skrupel, wenn sie den Panzer von Schildkröten einfach mit dem Beil aufhacken, Fischen den Haken notfalls mit samt dem Magen aus dem Schlund ziehen. Auch will man es nicht wahrhaben, dass Muscheln, Hummer, Langusten und Weinbergschnecken nicht sofort tot sind, wenn man sie kocht. Sie leiden stumm und länger, als man denkt."

Eine Schneckenlobby gibt es bei uns nicht, Speisekarten mit Froschschenkeln im Angebot, Schildkröten- oder Haiflossensuppe sind inzwischen ein tabu - Schnecken gibt's überall - sogar beim Italiener um die Ecke.

"Weinbergschnecken stehen auf der 'Roten Liste' der bedrohten Tierarten. Es gibt regional unterschiedliche Regelungen in einer 'Weinbergschneckenverordnung'. In den vergangenen sechs Jahren haben wir in unserem Garten über 900 Weinbergschnecken markiert und deren Entwicklung (teilweise von Geburt an) verfolgt und dokumentiert. In der Regel werden Weinbergschnecken über zehn Jahre alt."

Versuchen Sie einmal ein kleines Experiment. Personifizieren Sie ihre Weinbergschnecken in ihrem Garten. Markieren Sie sie mit Buchstaben oder Zahlen. Und informieren Sie ihren Nachbarn, er möge doch eventuelle Ausreißer wieder zurück über den Zaun reichen.

"Im Durchschnitt haben wir täglich 250 Besucher auf unserer Seite. Wir setzen auf die heranwachsende Generation. Wir wollen erreichen, dass in Kindergärten und Grundschulen bereits eine Sensibilisierung einsetzt. Die Weinbergschnecke soll zur Symbolfigur für den behutsamen Umgang mit allen Ressourcen werden."

Hans-Peter Posavac: "Die kleine Weiße, die Ackerschnecke, das ist meine Lieblingsschnecke im Moment. Das ist auch eine Nackte. So eher weißlich, bleichfarben, so wie eine bleiche Haut. Kleiner, deutlich kleiner als die Wegschnecke, aber wahnsinnig lebendig, ja."

Vollrath Wiese: "Eine baden-württembergische Fürstin hat nach Schweden in ihren Garten rote Wegschnecken mitgebracht bzw. in ihren Wald und hat die als Dekoration ihres Waldes dort ausgesetzt, auf Öland. Die sind dorthin gebracht worden, um den Wald, den Garten dort zu bereichern. Weil die so schön waren."

Hans-Peter Posavac: "Pferdeflüstern ist ja nicht, dass man mit dem Pferd flüstert, sondern man lernt das Pferd kennen, man lernt die Eigenheiten des Pferdes kennen. Man lernt die Zeichensprache oder die Gebärdensprache oder die Körpersprache des Pferdes kennen und verwendet das. Dort wird es Pferdeflüstern genannt, ich habe es jetzt eben Schneckenflüstern genannt. Das ist nicht nur das, dass ich dann Worte wähle, um was mitzuteilen. Es ist eigentlich die Gesamtheit von dem, dass ich die Schnecke kennen lerne, dass ich das, was ich aus dem Kennen lernen erfahre, nämlich das, dass ich auch langsamer werden muss, um in Kontakt zu treten, dass ich die Aufmerksamkeit von der Schnecke brauche, um mit ihr kommunizieren - in Anführungsstrichen - zu können, weil alles ist die Kommunikation, alles zusammen."

Vollrath Wiese: "Die haben verschiedene Nervenzentren, das heißt, das ist nun nicht so, dass sie damit jetzt sechs verschiedene Hochleistungsgehirne hätten, sondern da sind dann bestimmte Bereiche dieser Nervenknoten zuständig dafür, die Bewegung des Fußes zu regeln. Der Körper ist sehr zweckmäßig eingerichtet. Ja gut, sie sind nicht lernfähiger als wir, nur weil sie mehrere Gehirne haben, die Gehirne haben auch ganz unterschiedliche Aufgaben, so wie unsere unterschiedlichen Teile des Gehirns auch verschiedene Aufgaben haben bei der Versorgung des Körpers, so ist es bei den Schnecken auch."

Hans-Peter Posavac: "Die Schnecken dürfen bei mir im Garten bleiben. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Schnecken gelernt haben, von den Pflanzen, die sie sonst in den Beeten fressen würden und angehen würden und schädigen würden, dass sie da einen Bogen drum rum machen und Beipflanzen, sich auf Beipflanzen begnügen oder die welken Blätter wegmachen, würde ich sie auch in den Beeten lassen. Jetzt ist mein Vertrauen natürlich auch nicht grenzenlos. Und die Schnecken sind auch nicht widerstandsfähig gegen alle Versuchungen. Ein bisschen so wie wir, ja. Wie wir Menschen.

Das heißt, ich sammele die Schnecken sicherheitshalber aus meinen Beeten, wo die Pflanzen drin sind, die ich schützen will, ab. Rede mit denen, bringe die zu einem Platz, wo sie sein können. Den habe ich, den richte ich dafür ein. Da hinterlasse ich dann Pflanzenabfälle, welke Blätter, die ... Wo ich auch vielleicht weiß, dass die die besonders mögen. Bring das dorthin. Und dann haben die ihren Platz.

Und wir haben hier in dem Garten ja auch einen großen Wildbereich, das heißt, da können sie sich tummeln und machen, was sie wollen. Ich rate den Schnecken in der Regel auch, dass sie aus Nachbars Garten wegbleiben sollen. Vor allem, wenn ich weiß, dass der Nachbar irgendwie Tötungsmechanismen verwendet, Schneckenkorn verwendet, irgendwas Unwohlgesonnenes macht."


Betrachten Sie Schecken doch mal genauer, Ruhe und Gelassenheit strahlen sie aus, als wollten sie sagen, nimm dir etwas mehr Zeit, Lebenszeit. Hans-Peter Posavacs Erfolge sind in seinem Garten sichtbar. Vertrauen in die Natur, vielleicht ist es das ...

Hans-Peter Posavac: "Und ich habe dann wirklich nach der Zeit aufgehört, die Schnecken abzusammeln. Aufgehört, die Schnecken, denen zu sagen: Da ist euer Platz, da könnt ihr sein, ja. Bleibt bitte von da und da weg. Und das hat funktioniert. Das hat es dann nicht mehr gebraucht. Und es ist tatsächlich so gewesen, dass die nicht in meine Beete gegangen sind, aber drum herum in den Wiesen, in den Wildbereich, am Bachrand, ich hatte so einen kleinen Bach, am Ufer waren massenhaft Schnecken. Die sind das ganze Jahr über, auch die restliche Zeit, sind die aus meinen Beeten draußen geblieben."

Vollrath Wiese: "Die spanischen Wegschnecken, die sind eben dazu imstande, einen Lebensraum, den sie vorher noch nicht besiedelt haben, wirklich explosionsartig zu überschwemmen. Und danach bricht die Population zusammen, weil die Tiere sich einmal auch selber so stark stressen, weil einfach sehr viele Tiere, wenn sie sehr eng zusammenleben, sich gegenseitig stören. Diese Bevölkerungsexplosion, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, die ist glücklicherweise in einigen Gegenden schon wieder so auf ein einigermaßen erträgliches Niveau gesunken."

Die Natur regelt das schon, auch ohne uns.

Unser ordentlicher deutscher Garten, gezirkelt und mono kultiviert, eingefasst von engmaschigen Umzäunungen, bleibt Statussymbol. Immer mehr Brachflächen werden bebaut. Dabei ist mit wenig Aufwand viel erreicht, Wildbereiche mit Brennnessel und Unterholz wären schon ausreichend, um kleine Rückzugsgebiete für Igel, Mäuse und auch Schnecken zu bieten ... Igel mögen leckere Schnecken.

Täglich verschwinden unzählige Tierarten im Nirwana, warum nicht die Schnecken. Haben sie das perfekte Überlebensprofil?

Hans-Peter Posavac: "Die Saurier sind gekommen, sind gegangen, ja. Für die Schnecke war das eine kleine Episode mal zwischendrin. Da hat sie irgendwie, plötzlich kam was Riesenhaftes, ist an ihr vorbei und ist dann auch wieder verschwunden, ja. Und mit dieser Art zu leben, dieses Langsame, dieses ... Zu leben in dem ständigen Bewusstsein "Der Weg ist das Ziel", mag vielleicht auch der Schlüssel sein, den wir vielleicht noch lernen können, um auch so alt zu werden, wie ich denke, wie die Schnecke noch werden wird. Als Mensch halt. Und ich ... Wenn wir das nicht lernen, dann, ich bin ziemlich sicher, dass die Schnecke noch lange, lange, lange sein wird. Da wird es uns Menschen nicht mehr geben. Die Schnecke hat eine Überlebensfähigkeit, trotz dieser Langsamkeit, trotz dieser Schutzlosigkeit, die sie ja ohne ... Die lebt ohne Schutz, die hat ein Bein oder einen Fuß. Die hat, ist knapp über dem Erdboden, ja. Die sieht nicht so weit wie wir, ja. Da wird sich nichts ändern, ja, die nächsten 600 Millionen Jahre. Und selbst wenn wir den Planeten in die Luft jagen, ja ... "

Nana: "Also, wir finden, dass sie nützlich ist, dass sie nicht verachtet werden sollte. Und dass man sie auch nicht unnötig töten sollte. Man kann die auch einfach auf den Kompost packen und jeden Tag füttern, dann bleiben se dort."

Albert Schweitzer: "Mache dich meinetwegen vor gedankenlosen Menschen lächerlich, die über solche Marotten spotten. Aber die Kinder werden dir danken einmal, dass du die große Melodie der Ehrfurcht vor dem Leben in ihnen geweckt hast."

Hans-Peter Posavac: "Und wenn wir denken, mit Töten kann man was lösen, dann denkt unser Nachbar genauso, dann ist der Baumarkthändler, der Schneckenkorn verkauft, der sogar von dem lebt, der daran verdient, dass irgendein Tier getötet wird, das hat Konsequenzen in der gesamten Gesellschaft. Aber ganz ursprünglich für mich. Weil ich in meinem Garten habe den Frieden dann nicht, den ich eigentlich dort suche. Man kann das übertragen auf alle Tiere. Wühlmäuse, Maulwürfe, Ameisen. Man kann das übertragen auf den Nachbarn. Man kann das übertragen auf Schnaken, auf Motten. Wobei, soweit bin ich noch nicht, ja."

Albert Schweitzer: Zu dem Leben der Welt, soweit es in meinen Bereich tritt, habe ich mich nicht nur leidend, sondern auch tätig zu verhalten. Indem ich mich in den Dienst des Lebendigen stelle, gelange ich zu einem sinnvollen auf die Welt gerichteten Tun."

Vollrath Wiese: "In der Natur ist es ja so, dass alle Lebewesen eines Lebensraumes miteinander in einer ganz engen Verbindung stehen und wenn wir an einer ganz kleinen Stelle irgendwo etwas verändern, dann bewirkt das an allen anderen Stellen auch eine Veränderung. Dass bedeutet, das wir wertschätzend mit allen Organismen umgehen müssen, weil wir eben auch nur ein Teil unserer Umwelt sind. Und wenn wir das tun, dann haben wir langfristig eine Chance zu existieren und zu überleben."


Texte aus:
Hans Peter Posavac: "Schneckenflüstern statt Schneckenkorn"
Verlag Neue Erde, Saarbrücken 2006
Peter Leonhardt: Snailwatching - Die Entdeckung der Behutsamkeit
Engelsdorfer Verlag 2007
Albert Schweitzer (Erich Gräßler, Hrsg.):,Erfurcht vor den Tieren
Verlag: C.H.Beck 2006